Rezension Rezension (5/5*) zu Herr der Fliegen von William Golding.

Helmut Pöll

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Buchinformationen und Rezensionen zu Herr der Fliegen von William Golding
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Das Ungeheuer in uns


Der britische Autor und spätere Nobelpreisträger William Golding schrieb seinen berühmtesten Roman, „Herr der Fliegen“, unter dem Eindruck des zu Ende gegangenen zweiten Weltkriegs. Die Bilder der Schlachtfelder, der Leichenberge in den Vernichtungslagern und der Atompilze, die sich über den Städten Hiroshima und Nagasaki erhoben, waren noch präsent, als Golding sich an die Schreibmaschine setzte. Gerade hatte sich die Menschheit von ihrer schlimmsten Seite gezeigt, wozu Menschen in Extremsituationen fähig sind.

„Herr der Fliegen“, in denen Golding ebenfalls eine Ausnahmesituation beschreibt, in die eine Gruppe britischer Schüler gerät, wurde zunächst von mehr als zwanzig Verlagen abgelehnt. Zu verstörend war das Bild, das der Autor über das Böse im Menschen zeichnete, das nur auf seine Gelegenheit wartete hervorzubrechen und tausende Jahre Zivilisation bei der ersten Gelegenheit auszulöschen. Erst 1954 wagte ein Verlag die Veröffentlichung, wonach sich der Roman schnell zum Bestseller und schließlich zum Kultbuch entwickelte.

In seiner Robinsonade erzählt Golding die Geschichte einer Gruppe von sechs- bis zwölfjährigen Schülern, die nach einem Flugzeugabsturz auf einer abgelegenen tropischen Insel landen. Sie wurden während eines Atomkriegs evakuiert. Die Kinder sind plötzlich, ohne irgendeinen Erwachsenen, völlig auf sich alleine gestellt und müssen sich nicht nur selbst organisieren, sondern sprichwörtlich ums Überleben kämpfen. Sie bauen Hütten, entfachen ein Feuer auf einem Hügel in der Hoffnung, ein Schiff könnte die Rauchsäule sehen und sie retten.

Doch der aus der Not geborene Frieden währt nicht lange. Rivalitäten zwischen den Jungen tun sich auf, die in offene Feindseligkeiten münden. Während eine Gruppe die Ordnung und damit die Zivilisation aufrecht erhalten will, geht die andere in Kriegsbemalung auf die Jagd und gleitet schließlich in eine gewalttätige, steinzeitliche Wildheit ab. Der Krieg, dem sie gerade entflohen sind, holt sie auf der Insel ein. Aber jetzt führen sie ihn selbst. Sie entfachen ihn, indem sie schnell die Regeln der Zivilisation über Bord werfen. Man könnte auch sagen, das immer - auch in den Kindern - vorhandene Böse bricht durch, weil es keine Ordnungskräfte gibt, die es in seine Schranken weisen könnten.

Schonungsloser als Golding hatte bis dahin kaum ein Autor den schnellen Zerfall von Ordnung und Menschlichkeit beschrieben. Neu und schockierend war, dass Golding auch Kindern ab einem gewissen Alter ihre völlige Unschuld absprach. Es schien, als ob auch in ihnen etwas Dunkles auf der Lauer lag, das nur auf seine Gelegenheit wartete. Eine Art hungriger Drache ohne jede Moral.

Unter dem Eindruck der Kriegsschrecken hat William Golding mit „Herr der Fliegen“ eine zeitlose Geschichte erzählt, die auch eine Warnung ist vor dem Ungeheuer in uns. Als Beweis dafür, dass es dieses Ungeheuer gibt, reicht ein Blick in die Geschichtsbücher. Der Roman gilt heute als Klassiker der Moderne. Absolute Lesempfehlung.



 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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denn gerade das, was die Jugendlichen auf der Insel ausleben, könnten die Adams und Eves nicht verstehen, oder?
Ja, das sehe ich auch so @Querleserin . und das macht es ab einem bestimmten Punkt auch gefährlich. Adam sagt es ja einmal ziemlich unverblümt.

Adam sagt: S.95/96
"Von einem gewissen Standpunkt aus gesehen besteht die einzige Möglichkeit, dem Leiden ein Ende zu setzen, in der kompletten Auslöschung der Menschheit."
 
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Ja, das sehe ich auch so @Querleserin . und das macht es ab einem bestimmten Punkt auch gefährlich. Adam sagt es ja einmal ziemlich unverblümt.

Adam sagt: S.95/96
"Von einem gewissen Standpunkt aus gesehen besteht die einzige Möglichkeit, dem Leiden ein Ende zu setzen, in der kompletten Auslöschung der Menschheit."
Indem wir in die Lage kommen, solche Maschinen zu entwerfen, setzen wir uns also der Gefahr aus, dass sie uns zerstören könnten, weil sie letztlich unsere Unvollkommenheit nicht ertragen können. Die Frage ist, ob das gute oder schlechte Neuigkeiten sind. In einer positiveren Deutung halten sie uns den Spiegel vor und wir könnten von ihnen lernen...ich weiß, das ist sehr idealistisch gedacht, aber dafür bin ich ein Mensch ;)
 
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