Rezension Rezension (5/5*) zu Fünf Tage in Paris: Roman von Tatiana de Rosnay.

KrimiElse

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26. Januar 2019
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buchmafia.blogspot.com
Kraftvolles symbolträchtiges Familienfresko


Mit großer Leichtigkeit, ein bisschen französisch-schwatzhaft, aber mit enormem Tiefgang und viel Gespür für bewegende symbolhafte Situationen führt die Autorin Tatiana de Rosnay in ihrem Roman „Fünf Tage in Paris“ die Leser durch eine überflutete Stadt und zugleich durch eine bewegende Familientragödie.

Ein Wochenende in Paris, zum 70.Geburtstag des Familienoberhauptes Paul Malegarde und zum Hochzeitstag mit seiner Frau Lauren, nur mit dem Sohn Linden, ein in L.A. lebender erfolgreicher Fotograf, und der in London lebenden Tochter Tilia, ist Ausgang einer dramatischen Geschichte. Paris versinkt im Regen, das Wasser der Seine steigt bedrohlich an und der stets gesund wirkende weltweit berühmte Baumschützer Paul wirkt kraftlos und grau, bis er am Abend seines Geburtstages im Restaurant zusammenbricht und ins Krankenhaus gebracht werden muss.
Ein apokalyptisch-dystopisches Hochwasserszenario ist Hintergrund und zugleich Hauptakteur der dramatischen Entwicklung in der Familie Malegarde, in deren Verlauf auch Lauren an einer Lungenentzündung erkrankt und ans Hotelbett gebunden ist. Während Sohn Linden am Bett seines Vaters im Krankenhaus wacht strömen Erinnerungen auf ihn ein, und er entschließt sich endlich, mit seinem Vater zu reden und sich zu outen.

Symbolträchtig steigt das Wasser der Seine in dem Maße, in dem sich auch die bereits präkere Familiensituation zuspitzt. Das Krankenhaus, in dem Paul versorgt wird, befindet sich im Hochwassergebiet, der Ehemann von Tilia, ein Alkoholiker, taucht überraschend auf, und apauls Gesundheitliche Situation ist unklar. So wie das Hochwasser seinem Scheitel zustrebt bewegt sich auch die Familiensituation in dramatischer Weise auf einen Höhepunkt zu, an dem es Entspannung, in welche Richtung auch immer, geben muss.

Die Autorin spricht in ihrem Roman viele aktuelle Themen an, neben Naturgewalten durch Klimaveränderungen wie Hochwasser und Sturm berührt sie politische und soziale Sprengsätze der herrschenden französischen Machtverhältnisse in Ausnahmesituationen, sinkende Menschlichkeit im Umgang miteinander und nicht zuletzt die Hilflosigkeit des Einzelmenschen der Moderne in der Großstadt in Katastrophensituationen.
Doch nichts wirkt Zuviel, denn der Roman bewegt sich immer an der Entwicklung der Familie, an den Einzelschicksalen entlang, so dass man von der Größe und Mächtigkeit der angesprochenen Probleme als Leser eben nicht erschlagen zu werden droht, sondern sich hervorragend am Erzählfaden entlanggingen kann.

Die Familie selbst ist mit reichlich Konfliktpotenzial ausgestattet in der Art, dass in Extremsituationen Dinge hochgespült werden, die bis dahin unter der Oberfläche schwelten. Andererseits verbindet diese vier Menschen eine große Zuneigung und Liebe, die sie jetzt füreinander sorgen lassen, auch wenn in früheren Jahren Schweigen oder Unverständnis tiefe Wunden gerissen hat.

Tatiana des Rosnay hat einen sehr leichtfüßig erzählten und gut lesbaren Roman geschrieben, der große Katastrophen in großen und kleinen Rahmen mit viel psychologischem Gespür und enormen Lesesog miteinander verknüpft, ohne jemals seicht oder allzu pathetisch zu wirken. Nichts wirkt auf mich konstruiert oder aufgesetzt. Die Probleme innerhalb der Familie erscheinen sehr wahrhaftig und lebensnah realistisch, die Naturgewalten sehr greifbar und äußerst bedrohlich. Ich möchte nicht sagen, dass ich den Roman völlig atemlos las, aber die kraftvolle Geschichte hat mich sehr bewegt und ich möchte dieses mitreißende Buch unbedingt zu Lesen empfehlen.