Dem kann ich mich wirklich nur anschließen.Und wieder hat mich Sorj Chalandon mit seiner Gabe, Gefühle und Stimmungen zu transportieren, ohne viele Worte zu machen, umgehauen. Er hat einen sehr speziellen Sprachstil: kurze Sätze, teilweise stakkatohafte Passagen. Da hält man oft beim Lesen die Luft an. Ich habe keine Ahnung, wie er es macht. Aber seine Sätze gehen durch und durch, ohne dass er die Dinge beim Namen nennt. Da steht ganz viel zwischen den Zeilen. Die Geschichte vermittelt eine tiefe Traurigkeit, die aber nie ins Kitschige abdriftet.
Die "Bergbau"-Thematik war hochinteressant, stand für mich jedoch nicht im Mittelpunkt. Viel mehr habe ich die Sprache genossen sowie die außergewöhnlich präzise Darstellung des Charakters Michel und seine Entwicklung.
Nach diesem Buch, welches mein zweites von Chalandon war, habe ich beschlossen, mit der Zeit auch seine anderen zu lesen. Der Mann hat es schriftstellerisch wirklich drauf.
Für mich stand die Thematik "Schuld, Moral, Sühne" noch viel stärker im Vordergrund. Und Chalandons Sprache: GROSSES KINO MIT WENIGEN, PRÄZISEN WORTEN!!!! Auch für mich @Renie, ein Mysterium, wie er das hinkriegt.Die "Bergbau"-Thematik war hochinteressant, stand für mich jedoch nicht im Mittelpunkt
Die Anwältin hatte ja von Anfang an Sympathie für Michel. Irgendwo machte sie eine Bemerkung im Sinne von "Sie ahnen nicht, wie gut ich Sie verstehe..."Ist eigentlich irgendjemand dahinter gekommen, was es mit den "Leichen im Keller" der Anwältin auf sich hat?
Habe ich auch so verstanden, etwas anderes ist mir nämlich nicht aufgefallen.Die Anwältin hatte ja von Anfang an Sympathie für Michel. Irgendwo machte sie eine Bemerkung im Sinne von "Sie ahnen nicht, wie gut ich Sie verstehe..."
Im Plädoyer erzählte sie dann die Geschichte ihres Großvaters, der sein Leben auch der Zeche gewidmet hatte. Dadurch waren sie und ihre Familie selbst von der Thematik betroffen.
Das hatte zumindest ich mit den Leichen gemeint.
Das habe ich tatsächlich überlesen. Wie schlampig von mir.Plädoyer erzählte sie dann die Geschichte ihres Großvaters, der sein Leben auch der Zeche gewidmet h
Das stimmt. Bei uns in der Familie wurde der Begriff weit gefasst verwendet, im Sinne von tiefe Geheimnisse...ohne Böses.Leichen im Keller hier nicht gut finde, da ich zumindest damit etwas negatives verbinde, im Sinne von Schuld.
Mit einem ordentlichen Schuss Ironie dabei So kenne ich das auch.Das stimmt. Bei uns in der Familie wurde der Begriff weit gefasst verwendet, im Sinne von tiefe Geheimnisse...ohne Böses.
Sorry
Mir ist nur aufgefallen, dass die 4 aus dem Quartett das Buch anders wahrgenommen haben als ich: für die TV-Experten stand der Inhalt im Vordergrund. Mit keiner Silbe ist auf den unglaublichen Sprachstil Chalandons eingegangen worden und seiner Fähigkeit, mit wenigen Worten soviel Gefühlsgewalt zu erschaffen. Hier wäre ich doch gern zu Wort gekommen.Ich war mir über mein überschwenglich positives Urteil zu "Am Tag davor" ja schon wirklich sicher und keinesfalls wankelmütig. Trotzdem hat mich das klar positive Votum im Literarischen Quartett letzten Freitag gefreut und bekräftigt! Alle Vier waren ähnlich begeistert wie ich. Ein "großes Buch"!!!
So ganz gebe ich Dir nicht recht:Mit keiner Silbe ist auf den unglaublichen Sprachstil Chalandons eingegangen worden und seiner Fähigkeit, mit wenigen Worten soviel Gefühlsgewalt zu erschaffen
Dem ist nichts hinzuzufügen...Aus der Rückschau erscheint mir das Buch wie
EIN ROMAN ALS DENKMAL,ein Denkmal für alle, die in die Bergwerke einfahren mussten und unter schwierigsten Arbeitsbedingungen ihr Leben aufs Spiel gesetzt oder es sogar verloren haben. 40 Jahre sind vergangen seit der Katastrophe von Saint-Amé, aber weder Michel noch Dravelle haben damit abgeschlossen und warten noch auf eine Aufarbeitung bzw. arbeiten ganz aktiv daran. Und ähnlich sieht es auch bei der Rechtsanwältin Aude aus. Sie baut ihre Plädoyer ebenfalls auf der persönlichen Betroffenheit durch diese Arbeitswelt auf und auch sie sieht irgendwie in diesem Verfahren die Möglichkeit, ihrem Großvater und seiner verlorenen Gesundheit Gerechtigkeit oder zumindest ein gewisses Maß an Anerkennung gewähren zu können.
Und dem Autor selbst ging es genauso. Das war seine Motivation für den Roman. Als junger Journalist war er selbst vor Ort und hat über das Unglück berichtet, hatte aber wohl ständig das Gefühl, dass hier etwas nicht richtig und genügend vermittelt wurde und hat sich diesen Stoff Jahrzehnte später wieder vorgenommen. Auch er hatte wohl das Gefühl, hier noch ein DENKMAL setzen zu sollen/zu müssen.
Sein Kunstgriff, ein 43. Opfer zu erfinden, ist dabei besonders interessant: In dem Video, das @Renie uns empfohlen hatte, sagte Chalandon, er hätte auf keinen Fall aus der Sicht eines der tatsächlichen Opfer schreiben können, denn ganz klar wäre: irgendwann hätte er der Familie dieses Opfers gegenüber gestanden und dieser Situation hätte er nicht standhalten können. Also erfindet er eine wirklich interessante Variante der Geschichte mit dem Opfer Jojo, der für seinen Bruder und seine Eltern ganz ohne Zweifel Opfer der Zeche geworden ist. Immerhin: Er war Teil der Schicht, die hier in den Tod geschickt worden ist und wurde nur durch einen (un)glücklichen Zufall am Einfahren gehindert. Aber solidarisch fühlend mit den Opfern ist auch er unmittelbarer Teil dieser Katastrophe und wird von seiner Familie entsprechend in dieser Rolle verehrt und später gerächt.
Ich liebe das Buch mit seiner Haltung und seiner präzisen Charakterzeichnung. Und kann nur jedem gratulieren, der an dieser Leserunde teilgenommen hat. Und hoffe, ihr seht das ähnlich.