4. Leseabschnitt: Teil 3 komplett (Seite 285 - 376)

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Gelöschtes Mitglied 2403

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Zeige mir einen Menschen, der durch und durch "gut" ist. Selbst verständlich hat auch Hadia ihre negativen Seiten. Aber angesehen davon, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch sehr jung war, hätte sie absehen können, was ihr Verhalten bewirkt? Eigentlich macht sie nur von dem sie glaubt, dass es von ihr erwartet wird. Sie ist nur die Schwester, nicht die Eltern. Ihr wird sowieso schon von klein auf viel zu viel Verantwortung für Amar abgegeben.

Im übrigen finde ich das Bild mit den Flecken auf dem Herzen so schrecklich. Wie kann man kleinen Kindern nur so viel Angst und Schuld aufbürden. Sagt nicht Amar irgendwo als junger Mann, dass sein Herz ganz schwarz und versiegelt ist.

Aber darunter schlägt es noch wie wild und lebendig!

Jeder von uns und auch alle Charaktere im Buch haben positive wie negative Seiten. Das finde ich sehr gut und glaubhaft dargestellt in diesem Buch. Und dann kommt die Sache mit dem Glashaus und den Steinen. …

Das mit den Flecken auf den Herzen ist eine blumige Ausdrucksweise für das Negative in uns. Hat mir sehr gefallen dieser Ausdruck. Und da wir alle mit unseren Dämonen kämpfen, fand ich die Darstellung der Charaktere so klasse. Jeder ist grau. Jeder kämpft!
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Der Showdown in der Gegenwart, der vielen umkrempelt und uns die Augen ein bisschen weiter öffnet - die Hochzeit? Ich weiß und hoffe es nicht, denn irgendwie habe ich das Gefühl, dass innerhalb der Familie wieder Menschen auf der Strecke geblieben sind. Ich verstehe gar nicht recht, woran das eigentlich liegt, dass sie sich gegenseitig so viel Schmerz zugefügt haben und einfach nicht damit aufhören konnten oder können.

Natürlich gibt es Positives, dass Rafik zu Amar geht und ihm ganz offenkundig zu verstehen gibt, dass er ihm immer verzeihen wird. Aber warum musste Amar erst so tief in den Abgrund gestürzt werden, eben von seinem Vater, als Kind? Ich hoffe, ich werde das im nächsten Teil besser verstehen.
Und Laila...ich war schon im letzten Teil entsetzt über ihren Verrat zugunsten ihres Rufs, auch wenn sie jetzt endlich Schuld bei sich sieht und letztlich beim Fotografieren versteht, was sie getan hat - es ist die Hochzeit ihrer Tochter, die ihr zuliebe eine traditionelle Hochzeit feiert, und sie stellt Amar nach wie vor ganz oben auf das Podest?
Huda, die bisherige Randfigur, scheint mir den klarsten und ehrlichsten Blick von allen zu haben, aber dennoch bleibt sie weiter am Rand dieser Geschichte.

Hadia ist in diesem Abschnitt für mich sehr ambivalent. Zum einen verkörpert sie neben all ihrer Akzeptanz und Modernität im Denken auch die Liebe zu ihren Eltern und zu deren Traditionen. Ich kann absolut nachvollziehen, warum sie der traditionellen Hochzeit zugestimmt hat. Und auch bei Tarik kann ich es verstehen, er tut es auch Liebe zu Hadia. Die beiden sind zwar an diesem Tag mit vom Lächeln schmerzenden Gesichtern und dem Herumsitzen auf dem Podest sicher nicht wirklich in der Lage, den Tag zu genießen. Aber welches Brautpaar ist das schon, außer man verkrümelt sich und heiratet im ganz kleinen Kreis, weit ab von jeglicher traditionsbewusster Familie und Verwandten.
Andererseits wird sehr deutlich, wie sehr sie eigentlich dazu beitrug, dass Amar zunächst ausgeboten wird und dann völlig ins Abseits der Familie gerät.
Es ist ihr nicht zu verübeln, dass sie um die Aufmerksamkeit ihrer Eltern buhlte, als Mädchen hat sie in einer traditionellen schiitischen Familie eine viel schlechtere Ausgangsposition als jeder männliche Nachfahr. Doch dass sie weiter ging als nötig und Amar an Stellen anschwärzte bzw. nicht zu ihm stand, wo sie es hätte problemlos tun können, das ist schlimm. Schämt sie sich für ihr ausuferndes Konkurrenzdenken? Ich denke ja, doch dennoch glaube ich, dass Hadia sich nicht bewusst ist, dass sie alles für Amar hätte retten können, wenn sie auf Amiras Geständnis anders reagiert hätte...vielleicht.
Warum gibt ihr Amar die Uhr wirklich? Sieht er es inzwischen auch so oder ist es von ihm ein bloßes Schuldeingeständnis?
Ich stimme dir in allen Punkten aus vollem Herzen zu! So ganz schlüssig ist mir das alles auch nicht. Amar muss extrem sensibel sein, er nimmt alles sehr schwer. Schlimm, dass er die Flucht in die Drogen genommen hat.
Ich finde Hadias Verhalten so übel, weil sie Amars Vertrauen besaß. Das hat dann schon was Intrigantes, zumal sie die Ältere ist.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Das freut mich sehr. Du findest das Buch toll. :)
Ich glaube, ganz so begeistert wie du bin ich nicht, obgleich ich alles unterschreibe, was du so gut ausgeführt hast. Das Buch hat viele Facetten, viele Grautöne. Das macht es glaubwürdig. Was mir gefehlt hat, war der Sog: manches hätte man kürzer ausführen können, es dreht sich manchmal im Kreis. So empfand ich es manchmal.
Das mit den Flecken auf den Herzen ist eine blumige Ausdrucksweise für das Negative in uns. Hat mir sehr gefallen dieser Ausdruck.
Absolut!
Dass Amar sein Herz dann als komplett schwarzen Muskel sieht, ist natürlich krass!
 
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Gelöschtes Mitglied 2403

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Ich glaube, ganz so begeistert wie du bin ich nicht, obgleich ich alles unterschreibe, was du so gut ausgeführt hast. Das Buch hat viele Facetten, viele Grautöne. Das macht es glaubwürdig. Was mir gefehlt hat, war der Sog: manches hätte man kürzer ausführen können, es dreht sich manchmal im Kreis. So empfand ich es manchmal.

Absolut!
Dass Amar sein Herz dann als komplett schwarzen Muskel sieht, ist natürlich krass!

Das ist schade, aber wir sind alle unterschiedlich und das ist gut so. Einen Sog habe ich beim Lesen auch nicht empfunden, also einen Lesesog, aber was mich hier so umgehauen hat, war die Gestaltung der Charaktere, auch oder gerade weil sie Fehler haben und menscheln, aber trotz allem vermitteln sie für mich sehr gut gelungene Charaktere, die umhauen, mitreißen, mich beim Lesen in ein Gefühlschaos stürzen. Am Anfang dachte ich der mir glaubhafteste Charakter wäre Hadia, aber am Ende haben sie alle ihren Platz in meinem Herzen gefunden und das war mir meine Fünf-Punkte-Vergabe wert. Die Sprache empfand ich genauso wenig besonders, trotzdem ist da jede Menge Inhalt und manche von diesen Wortschöpfungen, siehe die schwarzen Flecken auf dem Herzen und noch einiges mehr fand ich sprachlich trotzdem wunderschön.
 
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Literaturhexle

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sehr gut gelungene Charaktere, die umhauen, mitreißen, mich beim Lesen in ein Gefühlschaos stürzen.
Ja, das war angenehm, dass niemand nur schwarz oder nur weiß rüberkam. Dennoch bin ich keinem besonders nahe gekommen. Vielleicht fehlt mir die Affinität zum Islam und seinen Problemen?
Die Sprache empfand ich genauso wenig besonders, trotzdem ist da jede Menge Inhalt und manche von diesen Wortschöpfungen,
Da bin ich ganz bei dir, manche Sätze sind wunderschön, auch in vielen Dialogen habe ich Tiefe gefunden.
Für mich war es wie für @KrimiElse : Ganz okay, aber definitiv kein Buch, was ich fürs Alter (zum Nochmal-Lesen) verwahren müsste. Es wird wohl auf schwache 4 Sterne bei mir auslaufen.
 

milkysilvermoon

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Ich stimme Ulrike zu, dass das Buch sehr viel Stoff zum Nachdenken und zum Austausch bietet. So viel kann ich gar nicht schreiben ...

Definitiv, wobei es mich weniger dazu anregt, über den Inhalt des Romans nachzudenken, sondern über die Themen, die hier angeschnitten werden.

Das Buch hat jetzt deutlich an Tiefe hinzugewonnen. Menschen muslimischen Glaubens können aus den Geschichten sicherlich noch mehr herausziehen.

Ja, das stimmt. Ich habe es allerdings von Anfang an nicht als seicht empfunden.

Ein tolles Buch, oder? Diese Darstellungen der Charaktere in den Grautönen sind absolut gelungen, transportieren ein Bild einer Familie, aber auch ein Bild einer Kultur und ebenso ein Bild der Veränderung althergebrachter Werte.

Für mich ist das eine ganz größe Stärke des Romans: die Charaktere. Sie kommen sehr glaubwürdig rüber, so lebensnah. Und ich verfolge ihre Geschichte vor allem deshalb gerne, weil sie nicht so perfekt und klischeehaft wirken. Ich kann nicht alles gutheißen und würde mich in einigen Situationen anders verhalten, aber dennoch fühle ich mit.
 
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milkysilvermoon

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Ich finde es schön, dass man jetzt zurück zur Hochzeit kehrt. Und dann passiert ja auch einiges, wobei ich schon damit gerechnet hatte, dass es noch Drama geben wird. Das hatte sich einfach schon angedeutet.

Mir gefällt sehr gut, dass man so viel von dieser Kultur erfährt. Das wird in diesem Abschnitt wieder deutlich.
 
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Renie

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19. Mai 2014
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Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Mir gefällt sehr gut, dass man so viel von dieser Kultur erfährt. Das wird in diesem Abschnitt wieder deutlich.
Das war für mich auch ein Highlight dieses Romans. Man taucht in die indisch-muslimische Kultur ein. Das ist eine völlig fremde Welt. Und Amerika findet fast nicht statt. Die Familie hätte auch sonstwo in einer muslimischen Gemeinde leben können.
 
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