Rezension Rezension (5/5*) zu Die Lüge: Roman von Mattias Edvardsson.

Amena25

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23. Oktober 2016
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Buchinformationen und Rezensionen zu Die Lüge: Roman von Mattias Edvardsson
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Viele Lügen


Gibt es die Wahrheit? Oder nur verschiedene Sichtweisen der ,,Realität", die von jeder Person ganz anders wahrgenommen wird?

In dem Roman ,,Die Lüge" wird die Geschichte einer schwedischen Familie erzählt, die auf den ersten Blick völlig normal und durchschnittlich wirkt. Adam, der Vater, ist Pfarrer, die Mutter Ulrika Anwältin und die Tochter Stella eine rebellierende 19-Jährige. Doch dann wird Stella verhaftet. Sie soll den wesentlich älteren Geschäftsmann Christopher Olsen erstochen haben. Die Eltern sind natürlich völlig schockiert. Stella kommt in Untersuchungshaft und lehnt es ab, mit ihren Eltern in Kontakt zu treten. Diese sind jedoch bereit, alles für ihre Tochter zu tun, auch wenn sie dafür lügen müssen.
,,Die Lüge" ist interessant konstruiert, da das Geschehen aus der Perspektive aller drei Familienmitglieder erzählt wird, aber getrennt und nacheinander. Zuerst kommt Adam zu Wort, der in zahlreichen Rückblenden das erste Kennenlernen von ihm und Ulrika in Studentenzeiten, die frühe Kindheit und Jugend Stellas erzählt. Dem engagierten und toleranten Pastor nimmt man ab, dass er trotz seiner moralisch hohen Ansprüche bereit ist, für seine Tochter die Unwahrheit zu sagen, um ihr ein Alibi für die Tatzeit zu geben. Allerdings bemerkt man auch, dass seine Sichtweise stellenweise widersprüchlich wirkt.
Anschließend kommt die Tochter Stella zu Wort, die teils aggressiv, teils übersensibel, in jedem Fall sehr emotional ihre Sicht der Dinge äußert. Spätestens jetzt bemerkt man, dass sie dieselben Geschehnisse teilweise völlig anders wahrgenommen und erlebt hat als ihr Vater. Im dritten Teil erfährt der Leser das Geschehen aus der Perspektive der Mutter, was die Spannung noch einmal deutlich steigert. Nach und nach setzt sich so ein Mosaik zusammen, das die verschiedenen Facetten der Realität zeigt, aber auch die Tat letztendlich verständlich macht. Während der erste Teil noch in recht gemächlichem Tempo erzählt wird, passend zum verständnisvollen und gutmeinenden Pastor, nimmt die Dynamik im 2. Teil deutlich zu, was auch durch Stellas jugendliche Ausdrucksweise authentisch vermittelt wird. Ulrika als Rechtsanwältin ist dagegen kühler, berechnender und drückt sich auch knapper und präziser aus. Edvardsson schafft es, jedem seiner Protagonisten eine ganz eigene Sprache zu verleihen, sodass man als Leser die Verschiedenartigkeit der beteiligten Figuren deutlich spüren kann.
Eigentlich müsste der Roman ,,Die Lügen" heißen, da letztendlich alle in der einen oder anderen Form lügen, um ihre Familie zu schützen.
Eine geschickt konstruierte und dadurch zunehmend spannende Geschichte, die ich jedem Krimiliebhaber ans Herz legen kann.


von: Ellen Cornely-Peeters
von: Fabian Neidhardt
von: Grazia Deledda
 

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