Rezension Rezension (5/5*) zu Der Report der Magd: Roman von Margaret Atwood.

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Gelöschtes Mitglied 2403

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Desfreds düstere Welt

Nach der Lektüre von "Der Report der Magd" von Margaret Atwood kann ich wieder nur staunen, was für ein unglaubliches Talent zum Schreiben diese Autorin hat. Ein mich derartig packendes Buch hatte ich schon lange nicht mehr, aber gut, das wird auch an diesem schon extrem düsteren Thema liegen und noch mehr daran, wie die Atwood das literarisch umsetzt. Perfekt gemacht in meinen Augen. Nun ist das Buch schon vor vielen Jahren erschienen (1985; deutsch 1987), man könnte denken es hätte einen etwas altbackenen Charme. Aber nein, ganz im Gegenteil, die Thematik passt sogar sehr gut in die heutige Zeit, hat ihre Relevanz nicht wirklich verloren, sondern eher in meinen Augen noch an Relevanz gewonnen. Gerade in den letzten Jahren hat es auf der Bühne der Welt viele Ereignisse gegeben, die mich etwas erschrecken lassen, mich sogar an der Intelligenz der Gattung Mensch zweifeln lassen. So dass vieles aus diesem Buch seine Entsprechung in der heutigen wie auch vergangenen Zeit findet. Gerade auch das Thema der Unterdrückung von Frauen in dieser patriarchalen Welt des Buches findet durchaus auch seine passenden Übereinstimmungen in heutigen wie auch vergangenen Zeiten quer über unseren Erdball verteilt. Und gerade das macht dieses Buch noch eine Spur düsterer in meinen Augen. Und obwohl das Buch eine Dystopie ist, wirkt manches in ihm gar nicht dystopisch, sondern erschreckend real!


Zur Handlung: Die Erzählerin, Desfred, beschreibt ihr Leben als Magd im Hause ihres Kommandanten Fred im Staate Gilead. In diesem Staat Gilead, der auf dem Boden der heutigen USA angesiedelt ist, haben nach einer Naturkatastrophe, die einen größeren Teil der Welt verstrahlt hat, religiöse Fanatiker in einem Staatsstreich die Macht an sich gerissen. Die Bevölkerung wird durch Sicherheitskräfte dieser Fanatiker überwacht, ist in verschiedene Klassen gespalten, die durch den vorgeschriebenen Kleidungsstil ihrer weiblichen Mitglieder erkennbar sind. Durch die erwähnte Naturkatastrophe ist ein großer Teil der Bevölkerung verstrahlt und zeugungsunfähig, um ihr Volk zu erhalten müssen alle zeugungsfähigen Frauen als Mägde "arbeiten", müssen der höhergestellten Schicht zu Diensten sein, müssen empfangen, müssen gebären, haben ihre ehemaligen Namen/ihre Identität verloren, tragen nur noch eine Besitzangabe als Namen, Desfred, Deswarren, Desglen. Bei einer Weigerung der jeweiligen Frau könnte die Strafe ein Leben in den verstrahlten Kolonien sein, also ein langsames Sterben. Des Weiteren sind den Frauen arbeiten, der Besitz eines Kontos, lesen, schreiben, kommunizieren, ein selbstständiges Leben führen verboten, sie sind dem Manne untertan und verpflichtet ein sittsames/züchtiges Leben zu führen. Überwacht wird die Bevölkerung durch allgegenwärtige Sicherheitsorgane, die bei einem Zuwiderhandeln gegen das geltende Gesetz schreckliche Strafen gegen die Bevölkerung einsetzen, oft den Tod, hier zynisch die Errettung genannt. Ein Klima der Angst vor Repressalien und vor der Spionage deiner Mitbürger herrscht. Eine schreckliche Welt! noch schrecklicher ist es für Desfred, da sie sich noch an eine Zeit davor erinnern kann. In diesen Rückblicken berichtet sie wie es dazu kommen konnte. Und in diesen Erinnerungen tauchen auch ihr Mann Luke und ihre Tochter auf. Furchtbar!


Diese Art der Geschichte ist schon schwer für die Leser zu ertragen, dazu erinnert noch vieles Geschriebene an Jetziges und Vergangenes und immer mehr erkennt man beim Lesen, dass das zwar eine Fiktion ist, aber vieles in den Köpfen von realen Menschen wiederzufinden ist. Und damit gewinnt das Buch eine unheimliche Relevanz und fördert beim Lesen eine gewisse Angst, aber auch einen starken Protest.


Die Sprache der Atwood ist wie immer köstlich, man merkt ihr den Spaß an der Sprache an und das trotz der Übersetzung. man merkt diesen Tanz/dieses Spiel mit den Wörtern, dieses Gefühl für den Klang. Und das gefällt ungemein! Und ihr köstlicher, oft etwas zynischer Humor und eine bissige Sprache machen Spaß und lassen diese grausame Geschichte etwas leichter werden.