Rezension Rezension (4/5*) zu Ayda, Bär und Hase von Navid Kermani.

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Buchinformationen und Rezensionen zu Ayda, Bär und Hase von Navid Kermani
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EiEin modernes Märchen für Kinder - für Toleranz und Mut...

Ayda ist fünf Jahre alt und lebt mit ihren Eltern in einem multikulturellen Viertel in Köln. Sie kann schon sehr viel: Gedichte aufsagen, bis 23 rechnen und zwei Sprachen, nämlich Deutsch und Persisch. Und sie kennt sogar ein türkisches Wort: »üzüntülü« – »betrübt«. Genau das ist Ayda oft, weil ihre Freunde aus dem Kindergarten sie nie mitnehmen, wenn sie mit den Fahrrädern unterwegs sind. Also macht sich Ayda allein auf den Weg und trifft auf Bär und Hase. Die beiden haben Angst vor den Menschen, weil man sie nicht ernst nimmt oder sogar fürchtet. Doch auf Ayda lassen sie sich ein. Gemeinsam entdecken die drei, wie aufregend die Welt ist, und schon bald verbindet sie eine tiefe Freundschaft.

Navid Kermani, u. a. ausgezeichnet mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, schuf mit seinem bislang einzigen Kinderbuch eine humorvolle Hymne auf das Leben und ein herzerfrischendes Plädoyer für das Miteinander unterschiedlichster Kulturen.


"Ein bisschen üzüntülü ist man immer", sagte Ayda. "Das gehört zum Glück dazu. Wenn du nie üzüntülü bist, dann weißt du auch gar nicht, was das Glück ist."


Im Leben ist man häufig glücklich und traurig zugleich. Ayda und ihr Vater (Bâbâ) resümieren letztlich, dass es doch eigentlich reicht, wenn das Leben bis zum Himmel schön ist, ansonsten könnte man sich ja verlaufen... Dies ist der philosophische rote Faden, den Kermani kindgerecht durch die Geschichte webt und damit ein großes Thema des Lebens thematisiert: die Frage nach dem vollkommenen Glück bzw. ob es dieses geben kann, denn ein bisschen üzüntülü ist man schließlich immer…

Die Erzählung ist in vier Teile gegliedert, und jeder Teil beginnt mit der persischen Märchenformel "Yeki bud, yeki nabud, gheir az chodâ hietsch-kas nabud" - Einen gab's, den anderen nicht, niemand gab's außer Gott. Um dann fortzufahren: "Eine Ayda gab's" - und dann den Faden der Erzählung wieder aufzunehmen. Wie ein Märchenerzähler übernimmt hier eine neutrale Figur die Moderation der Geschichte und unterbricht diese gelegentlich auch, um den jungen Leser/Hörer dirket anzusprechen und dabei durchaus auch ein wenig zu veräppeln. Dies lockert das Geschehen zusätzlich auf und sorgt für eine zunehmende Vertrautheit. Zwischen den einzelnen Teilen wird persische Musik eingespielt, was die Fremdartigkeit untermalt, um die es in dieser Geschichte eben auch geht.

Navid Kermani gelingt es hier auf kindgerechte Weise aufzuzeigen, dass Kinder (und Erwachsene) auf der ganzen Welt ähnlich fühlen. Wenn dargelegt wird, wie betrübt Ayda ist, weil niemand mit ihr spielen will, wird das ein deutscher Kevin, eine spanische Mercedes oder ein türkischer Mustafa ganz ähnlich empfinden, wenn er/sie in eine vergleichbare Situation gerät. Insofern schafft der Autor hier eine großartige Identifikationsmöglichkeit für die kleinen Leser/Hörer.

Ebenso kindgerecht und vollkommen ohne erhobenen Zeigefinger legt Navid Kermani dar, dass Fremdartigkeit immer im Auge des Betrachters liegt. Durch die Tierfiguren (Hase und Bär) gelingt auch ein Blick auf die Menschen im Allgemeinen - und siehe da: beim Tanzen beispielsweise bewegen sich nicht nur die Iraner etwas verrückt, nein, auch die Spanier - und die Kölner ja gleich sowieso mit ihrem ewigen Geschunkel im Karneval. "Die Menschen spinnen alle. Egal, wo sie herkommen." Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen.

Die ungekürzte Hörbuchausgabe (3 Stunden und 29 Minuten) wird sehr unterhaltsam gelesen von Dietmar Bär, der gerade auch die kölschen Ausdrücke, die hier immer wieder Einzug halten, gekonnt rüberbringt.

Ein modernes Märchen für Kinder ab 5 Jahren, in dem Gefühlen, Toleranz, Offenheit, Freundschaft und Mut ein großer Stellenwert eingeräumt wird. Mit munterer Leichtigkeit wird hier die Angst vor dem Fremden genommen und dazu ermutigt, auch mal einen Blick über den Tellerrand zu wagen. Empfehlenswert!


© Parden