Rezension Rezension (4/5*) zu Barfuß im Regen von Hannah Siebern.

TheUjulala

Mitglied
26. November 2016
85
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12
Dachau
www.theujulala.de
Ergreifende und nachdenklich machende Liebesgeschichte

Auch Hannah Siebern gehört zu den Autorinnen, die ich aus den sozialen Netzwerken zwar schon kenne, aber noch kein Buch aus ihrer Feder gelesen habe. Das sollte sich nun ändern und ich habe es nicht bereut.

Coverbild

Ganz nach dem Titel sieht man auf dem Cover großflächig zwei Beinpaare mit nackten Füßen, die im Regen stehen. Farblich ist es in monochromen rot-rosa Tönen gehalten. Der Titel ist in einer handschriftlichen Font gesetzt. Das Cover ist lieblich und zeigt schon gut das Genre. Es ist nicht außergewöhnlich aber genau passend zu der Story.

Handlung

Die junge Studentin Janna trifft in einer Vorlesung auf ihren alten Kinderfreund Joshua. Damals waren die beiden wie Pech und Schwefel, obwohl Josh ihr durch seine Wahrnehmungsstörung unabsichtlich weh getan hat. Inzwischen hat die 24 Jährige nach einer Heirat mit ihrer ersten großen Liebe, dem Mexikaner Rogelio, sehr schlechte Erfahrungen gemacht und von Männern erst mal die Nase voll. Und obwohl sie einen großen Bogen um Männer machen möchte, taucht Josh mit seiner unbekümmerten Art immer wieder in ihrer Nähe auf. Zu allem Überfluss sucht sie in Dortmund eine Wohnung mit ihrer alten Hündin Cindy und ihre 16 jährige Schwester beginnt sich in ihre Clique zu drängeln.

Buchlayout / Haptik

Die gut 430 Seiten werden in 42 manchmal recht kurze Kapitel eingeteilt. Besonders hervorzuheben ist die Gestaltung der Kapitelanfänge. Unterhalb der jeder Kapitelnummer setzt die Autorin ein filigranes Ornament, der Absatz beginnt mit einer Initiale und die ersten Wörter sind in Kapitälchen gesetzt. Das sind zwar ein paar viele Stilelemente auf einmal, aber es freut mich immer, wenn ein selbstpublizierender Autor seine eBooks so liebevoll gestaltet.

Idee / Plot

Bei der Idee bin ich etwas hin und hergerissen, denn die Geschichte ist eigentlich in 2 Teile geteilt. Zum Einen erfahren wir, wie es Janna mit ihrem mexikanischen Mann ergangen ist, und hier wird das typische „Südländer-Macho-Klischee“ bedient. Die fremdartige Kultur hilft wahrscheinlich dem Leser darzustellen, in welcher Art und Weise das Mädchen unter Rogelio gelitten hat. Aber leider fehlt mir hier die Differenzierung, dass dies ebenfalls hätte mit jedem Mann - egal welcher Nationalität - passieren können, auch bei einem Deutschen. Zum Anderen erleben wir, wie Janna langsam Gefühle für den gutmütigen und durch nichts aus der Ruhe zu bringenden Joshua entwickelt.

Trotzdem sind es 2 spannende Handlungsstränge, die parallel erzählt werden und ineinander verwoben sind. 2 Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Der eine, ein feuriger Mexikaner, der in seiner Familie das Machosein vorgelebt bekommen hat und nicht bereit ist die Fehler auch bei sich zu sehen und an sich zu arbeiten, obwohl er bewusst seine Stärke auslebt. Der Andere, der durch seine Wahrnehmungsstörung lernen musste auf die Signale seiner Mitmenschen zu achten um sie nicht aus Versehen zu verletzen.

Emotionen / Protagonisten

Das junge Mädchen Janna macht eine enorme Wandlung durch. Die Autorin hat für mich diesen Charakter sehr gut ausgearbeitet. Zunächst verliebt sie sich Hals über Kopf in den rassigen Rogelio und ignoriert alle Warnungen aus ihrer Umwelt. Da möchte man selber als Leser in das Buch hineinschreien „Tu es nicht!“. Dieses Blind vor Liebe lässt mich als Mutter nur die Hände über den Kopf schlagen - aber was haben wir als Jugendliche nicht selber für einen Unsinn nur aus Liebe angestellt?

Aber Janna wird durch ihre Erfahrungen reifer und beginnt selbstkritisch über ihr Handeln zu reflektieren. Sie wirkt dennoch oft sehr überängstlich und entwickelt sogar ihrer kleinen Schwester gegenüber einen übermäßigen Beschützerinstinkt.

Dafür ist die Beziehung zu Josh, die sich sehr langsam und ganz sanft aufbaut, einfach wunderbar, prickelnd und ich kann vieles sehr gut nachvollziehen.

Es gibt viele schön berührende aber auch ergreifende Momente. Bei einer Stelle war ich sogar richtig außer mir vor Entsetzen und Mitgefühl, aber dies solltet ihr lieber selber lesen.

Handlungsaufbau / Spannungsbogen

Die Spannung wird durch den besonderen Handlungsaufbau sehr gut vorangetrieben. Wir wechseln stetig zwischen der Vergangenheit und Gegenwart. Dass etwas Schlimmes passiert sein muss wird schnell klar, und die ständige Frage was genau, lässt einen das Buch nicht mehr aus der Hand nehmen. Hannah Siebern hat diese Kernfrage geschickt in das Buch eingearbeitet und uns sogar mit einer überraschenden Wendung schließlich präsentiert. Zum Schluss wird es noch mal sehr aufregend aber wir werden mit einem wunderbaren Happy End belohnt.

Szenerie / Setting

Als langjährige Bewohnerin meiner Interimsheimatstadt Münster bin ich von dem Setting natürlich sehr begeistert! Und auch die Nachbarorte wie zum Beispiel Dülmen sind mir sehr gut bekannt! Viele Lokalitäten kenne ich selber noch (Enchilada, Salsa…) aus meiner Studienzeit in Münster. Die Geschichte passt unheimlich gut in dieses Setting: gut bürgerlich, kleinstädterisch und das pulsierende Studentenleben.

Sprache / Schreibstil

Sprachlich hat mit Hannah Sieberns Stil unheimlich gut gefallen. Einfach und eingängig ohne große Ausschweifungen. Teilweise gibt es kleinere Gedankenwiederholungen, die ich aber insgesamt nicht als sehr störend empfand. Wir erleben Jannas Geschichte aus der Ich-Perspektive im Präteritum, was auch gut zu den Rückblicken passt. Schön ist auch, dass die Autorin ab einen gewissen Zeitpunkt die Rückblenden als erzählerischen Moment der Gegenwart verwendet.

FAZIT

Ein sehr berührendes Buch über die Liebe in verschiedenen Facetten. Vor allem macht es mich auch sehr nachdenklich, gerade als Mutter einer jungen Tochter. Nicht nur sprachlich sondern auch erzählerisch hat mich Hannah Siebern mit diesem Buch voll überzeugt und ich werde definitiv weitere Titel dieser Autorin lesen.