Rezension Rezension (3/5*) zu Deine kalten Hände: Roman von Han Kang.

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Da hilft auch kein Handwärmer

Scheinbar ist dieses Jahr von „kalter“ Literatur geprägt. Oder liegt es an der Jahreszeit? Egal, mit „Deine kalten Hände“ von Han Kang habe ich nun zwei Bücher in Folge gelesen, die mich von der in ihnen eiskalt herrschenden Handlung nicht wirklich oder nur zum Teil begeistern konnten. Es war in diesem Roman noch nicht mal die Schreibweise, die mich kalt gelassen hat (die war sogar teilweise sehr poetisch), nein – es lag schlicht an der Handlung, die mich bis kurz vorm Schluss nicht wirklich gepackt hat.

Ein Bildhauer verschwindet spurlos, hinterlässt eine Art Tagebuch, was eine flüchtige Bekannte zu lesen bekommt. So weit so okay. Es hätte auch eine spannende Spurensuche werden können, hätte Han Kang ihrem Roman nicht diese „kalte“ Distanziertheit verliehen, die es den Leserinnen und Lesern schwermacht, irgendeinem Charakter ihrer Geschichte „näher“ zu kommen.

Während ich bei Kafka und anderen Autor*innen keine Schwierigkeiten habe, einem Charakter emotional näher zu kommen, der sich mir nur mit „K.“ vorstellt, sind „L.“, „E.“ usw. bei Han Kang mir bis relativ zum Schluss fremd geblieben. Ich kann nicht mal genau sagen, woran genau es gehakt hat, aber wie die Schriftstellerin „H.“ habe ich mir nicht nur einmal die Frage nach dem „Warum?“ gestellt. Wollte Han Kang eine „Hommage“ an die Hand schreiben? Man könnte es vermuten, wenn man folgendes Zitat liest:

„Alle Handlungen […], alles geschieht mit den Händen. Sie sind sozusagen das Symbol für den handelnden Menschen.“ (S. 190)

Aber den Roman darauf zu beschränken, wäre falsch. Han Kang versucht auf Missstände aufmerksam zu machen, die überall auf der Welt vorherrschen: „Du bist nur erfolgreich, wenn du schön bist.“ Diese Erfahrung darf/ muss E. in ihrem Leben machen. Das gelesene schockiert und trotzdem lässt es einen emotional kalt zurück. Auch L. hat tragisches erlebt – ihre Geschichte wird im 3. Abschnitt betrachtet. Hier konnte ich beim Lesen ansatzweise etwas empfinden und trotzdem war alles seltsam distanziert und unterkühlt.

Vielleicht war es die Absicht von Han Kang, auf literarische nüchtern-kalte und doch (teilweise) hochpoetische Weise ihren Leserinnen und Lesern die „Kälte“ der Gesellschaft (nicht nur der koreanischen) aufzuzeigen, um sie so zu einem „Umdenken“ zu bringen. Wenn es so ist, ist es ihr leider nur bedingt gelungen. Ich kann also (vorläufig) nur eine bedingte Leseempfehlung aussprechen und vergebe 3*.

„Das Leben ist eine Hülle, die sich über einem Abgrund wölbt, und wir leben darauf wie maskierte Akrobaten. Mal hassen wir, mal lieben wir, und manchmal brüllen wir vor Wut. Über unseren Kunststücken vergessen wir, dass wir vergänglich sind und sterben müssen.“ (S. 299)


 
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