Rezension Rezension (4/5*) zu Der Club der Traumtänzer von Andreas Izquierdo.

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
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49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Buchinformationen und Rezensionen zu Der Club der Traumtänzer von Andreas Izquierdo
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Badabing!

Gabor Schöning sieht gut aus, ist erfolgreich, und die Frauen liegen ihm zu Füßen: Die Welt ist für ihn wie ein großer Süßwarenladen. Außerdem ist Gabor ein Mistkerl. Er schreckt vor nichts zurück, um seine Ziele zu erreichen. Doch dann fährt er mit dem Auto die Direktorin einer Sonderschule an. Und die kennt sich mit Schwererziehbaren wie ihm bestens aus. Als Wiedergutmachung soll Gabor fünf Sonderschülern Tango beibringen. Das Problem ist nur, dass alle Schüler einen IQ unter 85 und eigentlich keinen Bock auf Tanzen haben. Die Sache gerät außer Kontrolle: Die Kids stellen sein Leben auf den Kopf, sein ärgster Konkurrent wittert die große Chance, ihn aus der Firma zu drängen, und zu allem Überfluss verliebt er sich in eine Frau, die ihm nicht gleich zu Füßen liegt. Als eines der Tangokids schwer erkrankt, setzt Gabor alles auf eine Karte - er wird diesen Jungen retten, egal, was er dabei aufs Spiel setzt.

Mit Schwung durch Leben - eben: Badabing! - das ist das Motto von Gabor Schöning. Als Unternehmensberater steht er kurz davor, zum Juniorpartner der Firma benannt zu werden, und beruflich kennt er keine Skrupel. Wer mit den Haien schwimmen will, muss selbst einer sein - damit kennt Gabor sich aus. Privat sucht er den Ausgleich im Tanzen, jeden freien Abend tanzt er sich erst nackt vor seinem großen Spielgel in Stimmung - sehr zur Freude seiner Nachbarin, die zu diesem Anlass stets ein Glas Sekt trinkt -, um sich dann ins gesellschaftliche Vergnügen zu stürzen. Unverbindlich tanzt er die Frauen an, bringt immer eine andere mit nach Hause und sorgt so auch nachts für Stimmung...

Dumm nur, dass er eines Abends eine Radfahrerin übersieht und über den Haufen fährt. Bis auf ein gebrochenes Bein ist zwar kein größerer Schaden entstanden, aber Gabors Chef sollte aus verschiedenen Gründen keinesfalls etwas von diesem Unfall erfahren. Und so lässt sich Gabor widerwillig auf den Vorschlag der Unfallgegnerin ein, der Direktorin einer Förderschule für lernbehinderte Schüler, die im Gegenzug auf eine Anzeige verzichten will: ein Jahr lang soll er fünf ihrer Schüler das Tanzen beibringen. Pädagogisch vollkommen unbeleckt, geht Gabor diese Aufgabe mit dem ihm eigenen Schwung an - und wird ausgebremst: von der begrenzten Auffassungsgabe der Jugendlichen ebenso wie von deren Unlust und diversen anderen Problemen, die sich nach und nach entpuppen...

Meist werden die Ereignisse aus der Sicht von Gabor Schöning erzählt, wobei zu Beginn vor allem Szenen seines Berufsalltags sowie seines Privatlebens dominieren, während später die Geschehnisse um die Tanzschüler zunehmend an Gewicht gewinnen. Neben dem aktuellen Geschehen gibt es auch immer wieder Rückblenden - sowohl in Gabors Vergangenheit (unter seiner toughen Fassade schlummern durchaus unerledigte 'Altlasten') als auch in die Geschichten der Kids. Deutlich wird, dass hier jeder sein Päckchen zu tragen hat.

Vielleicht hat Izquierdo hier etwas übertrieben, weil es tatsächlich keiner Hauptfigur vergönnt ist, ohne ein tragisches Schicksal durchs Leben zu gehen. Dadurch mag beispielsweise der Eindruck entstehen, dass lernbehinderte Kinder stets aus einem schwierigen oder lieblosen Elternhaus kommen und oft vergeblich um Liebe und Anerkennung kämpfen. Andererseits nimmt sich der Autor hier eines Themas an, das ansonsten eher tabuisiert wird, und nimmt so eventuell auch Berührungsängste. Auch gerät der Charakter des Unternehmensberaters recht klischeehaft, was andererseits aber auch deutlich macht, wie groß letztlich der Wandel des Gabor Schöning mit seinem 'Badabing!' gerät.

Gabor widmet sich seiner neuen Aufgabe zwangsläufig mit großem Ernst, wobei er lernt, dass blinder Aktionismus nicht wirklich weiter hilft, Freundschaft dagegen schon. Andere Autoren wären hier vielleicht in die Kitsch-Falle getappt, nicht so Izquierdo. Situationskomik findet sich in diesem Roman ebenso wie tragische Momente, aber der Autor steuert das Schiff der Geschichten zielsicher durch das Meer der Emotionen ohne dass die Wellen über die Reling schlagen. Der flüssige Schreibstil tut sein Übriges, dass die Kapitel nur so vorbeirauschen.

Christoph Jablonka liest die ungekürzte Hörbuch-Ausgabe (Laufzeit: 12 Stunden 23 Minuten) flüssig und angenehm akzentuiert. Dieser Stimme kann man tatsächlich stundenlang lauschen.

Ein schöner Roman nicht nur für Jugendliche, berührend und humorvoll - und mit einer guten Portion Badabing!


© Parden