Rezension Rezension (4/5*) zu Böses Mädchen. Roman von Amélie Nothomb.

ulrikerabe

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14. August 2017
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Wien
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Eine metaphysische Prüfung

Die sechzehnjährige Blanche ist ein stilles, introvertiertes Mädchen. Nichts sehnlicher wünscht sie sich eine Freundin. Trotz ihrer jungen Jahre studiert sie schon an der Universität in Brüssel. Dort trifft sie auf Christa und fühlt sich sofort von ihr angezogen. Doch die Freundschaft zu dem charismatischen Mädchen endet in einem desaströsen Machtspiel.

<cite>„Plötzlich schoss es mir durch den Kopf: Sie hieß gar nicht Christa. Ihr wahrer Name war „Antichrista“.“</cite>

Es geht eine ungeheuer zerstörerische Kraft von Christa aus. Christa holt Blanche nicht aus ihrer Unsichtbarkeit. „Christa hatte nicht mich gesehen – sie hatte mein Problem gesehen. Und zu ihrem Werkzeug gemacht.“ Punktgenau legt Christa aus reiner Freude an der Boshaftigkeit immer wieder den Finger auf Blanches wunde Punkte. Blanche hatte ihr dazu keinen Anlass gegeben. Christa agiert so, weil sie es kann. Mit Lügen und vorgetäuschtem Charme wickelt sie sogar Blanches Eltern um den Finger, spielt Tochter und Eltern gegeneinander aus. Blanche übt sich in immer wiederkehrenden inneren Dialogen, um sich gegen die Intrigen zur Wehr zusetzten. In Gedanken nennt sie Christa nur mehr die Intrigantin, die Besatzerin, die Antichrista. Es braucht viel Mut, bis Blanche Christa demaskiert und das wahre Gesicht Christas zum Vorschein kommt. <cite>„Die Gleichung lautet folgendermaßen: Christa war so schön wie Antichrista scheußlich.“</cite>

Lange habe ich überlegt, ob Blanche und Christa nicht eins sind, zwei Seiten einer Medaille, die Gute, Helle - Blanche – gegen das Böse, Dunkle – Christa. Viel spricht dafür, mache Entwicklungen im Roman dagegen. Es ist vor allem der Schluss, der mich zum Grübeln brachte.

Böses Mädchen ist kurz und knapp, ganz Amélie Nothomb. Blanche sieht sich mit einer „metaphysischen Prüfung“ konfrontiert“. Es ist die Suche nach einer Identität, nach einem Platz, einer Haltung im Leben eines Mädchens an der Schwelle zum Erwachsen werden. Der Roman bietet einen enormen Interpretationsspielraum und bleibt bis zum Schluss rätselhaft.


 

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