Rezension Rezension (3/5*) zu Vox: Roman von Christina Dalcher.

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Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Was eine Nichtteilnahme am politischen Geschehen bewirken könnte

Christina Dalcher hat mich mit diesem Buch tief berührt. Es ist zwar keine hohe Literatur oder besitzt einen besonderen Sprachklang, ist eher einfach in der Sprache gehalten. Es hat aber einen unglaublichen Sog. Gestern Nacht musste dieses Buch beendet werden, egal was die Uhr sagte. Nun ja, gerade dieser entstehende Sog ist etwas, was ich an Büchern sehr schätze. Natürlich hat eine Frau Atwood dieses Thema deutlich gehaltvoller umgesetzt. Trotzdem hat auch dieses Buch seine Stärken. Vielleicht auf einer anderen Ebene/einer anderen Klasse, aber es hat sie, schon durch diesen sehr starken Sog und anfänglich auch in der Geschichte. Erst gegen Ende, etwa im letzten Viertel des Buches, verliert die Geschichte einen Teil ihrer Intensität und deutlich an Glaubwürdigkeit, wirkt wie ein hastig herbeigeführtes Ende. Schade.

Zum Inhalt/Thema: In "Vox" wird eine Welt gezeichnet, in der in Amerika christliche reaktionäre Fundamentalisten an die Macht kommen und in einem schreckensgleichen Szenario der weiblichen Bevölkerung ihre berufliche Identität nehmen und sie als Heimchen an den häuslichen Herd schicken. Als ob das nicht schon reichen würde, werden ihnen die Pässe eingezogen, Bücher, Computer, Telefone und Schreibwaren aus dem Leben der Frauen entfernt, das Schreiben verboten und die verbale Kommunikation eingeschränkt, erlaubt sind 100 Worte am Tag, wer darüber hinaus kommt, erhält über ein Armband Stromstöße. Den schulpflichtigen Mädchen wird die Schulbildung minimiert, es ist nur noch eine Art Hauswirtschaft wichtig, sonst nichts mehr. Doch, und eine schnelle Heirat ist noch wichtig, wer hätte das gedacht, das Weib sei dem Manne Untertan. Eine Horrorvorstellung ! Aber durchaus auch in der heutigen Zeit gar nicht so abwegig, wenn man sich das Frauenbild bestimmter Parteien ansieht, in unserem Land wie auch weltweit. Das Ganze wird aus der Sicht von Jean McClellan geschildert, ehemalige Linguistin, jetzt in ihrer Situation gezwungen zuzusehen, wie sich ihre Familie verändert, ihre Kinder beeinflusst werden. Ihre eigene Untätigkeit damals lässt sie mit sich selbst hadern. Ihre damalige Freundin Jackie hat versucht, sie auf die sich anbahnenden Geschehnisse aufmerksam zu machen und sie zu Protesten zu bewegen, aber Jean war mehr mit sich selbst beschäftigt und als sie dann protestierte war es bereits zu spät. Auch dieses finde ich sehr gut in diesem Buche, wie viele gehen heutzutage nicht wählen aus irgendwelchen fadenscheinigen Gründen. Tja, alles was man tut oder eben nicht tut hat Folgen.

Am Ende des Buches vermehren sich leider recht viele unglaubwürdige Sequenzen, was dem Buche einen großen Teil seiner Kraft nimmt. Schade. Frau Dalcher hätte am Ende deutlich mehr Wert auf die Glaubwürdigkeit der Geschichte und auch der Charaktere legen müssen. Bis zu diesem Ende war es für mich ein Vier Punkte Buch, danach hat es für mich leider einen Punkt verloren. Schade, weil die Geschichte allein hätte vier Punkte verdient. Nur der Sog bleibt die ganze Geschichte weiterhin sehr intensiv. Aber das allein reicht nicht.