Rezension Rezension (4/5*) zu Olga von Bernhard Schlink.

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Gelöschtes Mitglied 2403

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Wald- und Wiesen- Liebe

Ein leise und schlicht geschriebener Roman über ein Mädchen/eine Frau, über ihr Leben und vor allem ihre überbordende Stärke, wenn man bedenkt in welcher Zeit dieses Buch angesiedelt ist. Dieser Roman besteht aus recht kurzen und ruhig erzählten Kapiteln und ist in drei Teile geordnet. Bernhard Schlink erzeugt aber trotzdem, oder gerade deshalb eine starke Anziehungskraft. Im ersten Teil wird Olgas Leben bis zu ihrer Ankunft in der Stadt am Neckar geschildert. Im zweiten Teil schildert Ferdinand, der Sohn der Familie bei der Olga zuletzt nähte, ihr Leben bis zu ihrem Tode. Und im dritten Teil erfährt man den Rest über Briefe, die Olga ihrem Herbert schrieb.




Das Buch befasst sich mit der namensgebenden Olga Rinke. Eine starke Frau aus einer Zeit, in der es für Frauen nicht so leicht war, ihr Leben selbst bestimmt zu leben. Die aber einiges schafft, was sicher nicht jede hingekriegt hätte. Es geht um ihr Leben und ihre große Liebe, ihren Herbert. Beide sind Charaktere die anders sind, nicht dazugehören. Olga lebt in ärmlichen Verhältnissen in Breslau, verliert früh ihre Eltern und muss zur lieblosen Großmutter nach Pommern in ein kleines Dorf ziehen. Dort lernt sie dann Herbert kennen, den Sohn des reichsten Mannes im Dorf. Die Beiden machen viel zusammen, treffen sich oft, und nach und nach entsteht eine Liebe und sie kommen sich schließlich näher. Durch ihre Standesunterschiede und die Zeit in der sie leben, wird ihnen aber ein Zusammenkommen erschwert. Olga lernt viel und geht in ein Lehrerinnenseminar und wird auch Lehrerin. Herbert geht zur Armee, hat den Drang nach der Ferne/der Weite/dem Unendlichen, ist sehr rastlos. Geht als erstes nach Deutsch-Südwest, in den Krieg mit den Herero, später noch an viele andere Orte, ist der Getriebene. Zwischenzeitlich treffen sich die Beiden immer wieder, aber zwischen Ihnen fehlt auch etwas, und beide spüren das.


"Olga mochte, wenn Herbert etwas nicht verstand, nicht erklären, nicht ausdrücken konnte. Er war stark, ließ sich nicht einschüchtern und nicht unterkriegen, und so einen Mann wollte sie. Zugleich wollte sie zu ihrem Mann nicht nur aufschauen, sondern hatte ihm gerne etwas voraus. Aber er musste es nicht wissen und erst recht nicht sich darüber ärgern."


"Unsere Liebe ist eine Wald-und-Wiesen-Liebe, lachten sie."


"Sie sah das die Rolle, die sie in Herberts Leben spielte, an die Rolle der Geliebten im Leben eines verheirateten Mannes erinnerte. Der verheiratete Mann lebt in seiner Welt und geht seinen Dingen nach, und gelegentlich spart er aus seinem Leben ein Stück aus und verbringt es mit der Geliebten, die an seiner Welt und seinen Dingen keinen Anteil hat. Aber Herbert war kein verheirateter Mann, es gab keine Frau und keine Kinder, zu denen er zurückgekehrt wäre. Olga wusste, dass er sie liebte und ihr so nahe war, wie er einem anderen Menschen nur sein konnte."


Herbert geht schlussendlich auf eine Arktisexpedition. Olga schreibt ihm noch eine lange Zeit postlagernde Briefe hinterher, weil sie ihn nicht vergessen kann/will.




Olga, die Hauptperson des Romans ist für mich eine sehr starke Persönlichkeit, die die Widrigkeiten des Lebens tapfer erträgt. Aber auch oft das Ruder selbst übernimmt, was in dieser Zeit damals nicht unbedingt einfach gewesen sein wird. Der Autor schreibt mit wenig Emotion, aber trotzdem entstand diese bei mir beim Lesen doch recht stark. Dieser Roman hat noch einen langen Nachhall.