Rezension Rezension (5/5*) zu Abendrot von Kent Haruf.

Mamskit

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6. November 2016
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Buchinformationen und Rezensionen zu Abendrot von Kent Haruf
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Der Einsamkeit entkommen

Kent Harufs Bücher spielen alle in der fiktiven amerikanischen Kleinstadt Holt, Colorado. "Abendrot" ist der dritte Teil der "Plainsong-Trilogie", man kann jedoch die Teile unabhängig voneinander lesen.

Harufs Charaktere haben alle auf die eine oder andere Art mit der Einsamkeit bzw. demVerlassen-Sein und -Werden zu kämpfen.

Da sind zunächst die Brüder Raymond und Harold, zwei alternde Rancher, die vor einigen Jahren eine junge Frau bei sich aufnahmen, welche mit ihrer kleinen Tochter nunmehr ihren harten Alltag bereichert und mit Freude füllt. Diese zieht jedoch fort, um an einem College zu studieren und lässt die beiden zurück, die nun wieder lernen müssen, ohne sie zurecht zu kommen. Da ereilt sie ein schwerer Schicksalsschlag...

Betty und Luther, zwei Menschen am untersten Ende der sozialen Leiter, versuchen im Rahmen ihrer Möglichkeiten, sich und ihre zwei Kinder durchzubringen. Dabei erhalten sie zwar Hilfen über die soziale Absicherung, stehen jedoch stets am Rande der Gesellschaft. Dies bekommen auch ihre beiden Kinder jeden Tag zu spüren.Als ein Onkel bei ihnen einzieht, haben sie dessen egoistischer und gewalttätiger Vereinnahmung nichts entgegenzusetzen...

Und dann ist da noch DJ, ein elf-jähriger Junge, der sich aufopfernd um seinen Großvater kümmert, stets in der Angst, am Ende auch diesen zu verlieren und dann völlig allein dazustehen. Er ist zu stolz, sich anderen Menschen hilfesuchend anzuvertrauen und erfüllt seine täglichen Pflichten über das Maß seiner ihm angesichts seines Alters entsprechenden Möglichkeiten hinaus. Eines Tages lernt er das Mädchen Dena kennen, mit der er sich in einer alten Hütte einen Zufluchtsort schafft.

All diese Menschen müssen auf die eine oder andere Art mit der Einsamkeit oder dem Verlassensein zurecht kommen. Allen ist eine tiefe Melancholie zu eigen, die den Leser tief berührt und betroffen macht.

Haruf beschreibt die Schicksale seiner Charaktere auf eine sehr zurückgenommene, unsentimentale Art und Weise. Und doch - oder gerade deshalb? - gelingt es ihm, eine große emotionale Nähe zu seinen Figuren zu schaffen. Mit wenigen Worten lässt er Menschen und deren Gefühlswelt lebendig werden. Der Leser fühlt in jeder Sekunde mit den Akteuren mit, deren Schicksale gehen sehr nahe. Insbesondere die Nöte und Ängste der Kinder machen sehr betroffen, ohne dass es ausufernder Ausschmückungen bedarf. Das ist ganz große Erzählkunst.

Ich kann dieses Buch wärmstens empfehlen.


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