Rezension Rezension (5/5*) zu Häuser aus Sand: Roman von Hala Alyan.

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Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Vertriebene

Bei diesem Buch handelt es sich um die Geschichte der palästinensischen Familie Yacoub, von 1948 bis 2015 spielend. In jedem der insgesamt 13 Kapitel immer wieder Sequenzen aus diesen Jahren erzählend, immer in zeitlichen Abständen, was teilweise etwas bruchstückhaft wirkt, immer wieder tritt eine andere Person der Familie auf und es wird deren Geschichte erzählt. Trotzdem entsteht ein irgendwie ganzheitliches Bild der vielen verschiedenen Mitglieder dieser Familie, der vielen verschiedenen Meinungen in dieser Familie, aber auch der Kraft der familiären Bindungen. Die erste Generation des Buches wird aus Jaffa vertrieben, verliert ihre Heimat, steht vor dem Nichts, muss sich neu organisieren. Da es sich um keine arme Familie handelt, fällt ihnen das nicht so schwer, wie den ärmeren Vertretern ihres Volkes, aber dennoch wirft das Wunden auf, Wunden, die nie richtig verheilen werden. Auch den weiteren Generationen werden die immer wieder aufflammenden Konflikte im Nahen Osten zum Verhängnis. Vertreibung und Heimatverlust werden ein begleitendes Thema in dieser Familie. Es werden die politischen Ereignisse im Nahen Osten grob umrissen, aber die Auswirkungen auf die Menschen verdeutlicht, auch wird dem Leser klargemacht, warum Fundamentalisten immer wieder ihre Zuhörer finden, gleichzeitig aber auch, dass es auch in der arabischen Welt den Gegenpol zum Fundamentalismus gibt. Und es geht auch um die Veränderung der arabischen Welt, deren Öffnung zum westlichen Lebensstil, aber gleichzeitig auch ums Bewahren althergebrachter Werte, und damit auch um die geistige Vielfalt der Menschen, es geht auch um Unterschiede innerhalb der arabischen Welt, eine dem Westen etwas näherstehende westliche arabische Welt (Syrien, Libanon, Palästina, Jordanien) und eine etwas mehr die arabische Kultur präsentierende östliche (hier in diesem Buch nur durch Kuwait repräsentiert). Und es geht auch um Vorurteile gegenüber dem Fremden, und das in beide Richtungen, was ich als sehr gelungen empfand. Und es geht auch um sehr viele stark wirkende Frauen in dieser arabischen Welt, was mir sehr gefallen hat.


Was für ein wundervoller Roman, was für eine schöne Sprache, es sind schöne Bilder, die da im Kopf entstehen, was für eine Kraft, die da in den Worten liegt. Es sind so menschlich und wunderbar gezeichnete Charaktere in diesem Buch, die einen berühren und irgendwie umhauen. Der Roman ist sehr spannend geschrieben, hat einen sehr starken Sog. Und ich fühle mich wieder mit einem etwas wehmütigen Gefühl zurückgelassen, nach dem Beenden des Romans.


"Die Häuser schweben an ihm vorbei wie Dschinn, wie verflossene Lieben. Das Schrägdach auf der Hütte seiner Mutter, Salmas marmorierte Küchenfliesen, das Häuschen, das er in Nablus mit Alia bewohnte. Das Haus in Kuwait. Die Wohnungen in Beirut. Dieses Haus hier, in Amman. Für Alia zumindest ein altes, verschwundenes in Jaffa. Glänzend weiß wie Häuser aus Salz sieht er sie vor sich, bis eine Flutwelle kommt und sie mit sich nimmt."


"Was ist ein Leben ? Eine Abfolge von Jas und Neins, Fotos, die in einer Schublade landen, Liebschaften, die man für die Rettung hält, die sie nie sind. Weitermachen, aushalten, auch dann nicht aufhören, wenn es wehtut. Mehr ist es nicht, das Leben, würde er ihr am liebsten sagen. Es geht einfach weiter."


Ein wunderbares Buch ! Unbedingt Lesen !