3. Leseabschnitt (bis Ende)

Leseglück

Aktives Mitglied
7. Juni 2017
543
1.272
44
67
Ich muss gestehen, dass ich den Roman schon zu Ende gelesen habe. Ich konnte irgendwie nicht langsamer lesen.

Zu Beginn hatte ich manchmal die Hoffnung, dass sich Austin Sloper irrt. Dass also Morris kein Mitgiftjäger ist, sondern Catherine tatsächlich gern hat. Aber es gab ja immer wieder kleine Hinweise, dass es Morris tatsächlich nur auf ihr Geld abgesehen hatte. So war die Hoffnung nie groß und entsprechend war ich auch nicht großartig überrascht, dass Morris nach der Rückkehr von Dr. Sloper und seiner Tochter aus Europa so schnell die Verlobung lösen wollte.

Im Roman wird die Entwicklung von Catherine schön dargestellt. Von den ersten geistreichen Antworten an ihren Vater bis zur völligen inneren Unabhängigkeit.
Mir hat gefallen, dass der Autor ganz offensichtlich auf der Seite von Catharina stand. Ich finde man könnte die Geschichte fast als Appell für die Gleichberechtigung lesen. Gehorsam, sanftmütig und bescheiden, so sollten wohl die Frauen und Mädchen zu dieser Zeit sein. Catherine bemüht sich zu Beginn, diesem Ideal zu entsprechen. Erkennt aber, dass ihr dies nicht die Liebe und Unterstützung bringt, die sie erhofft.

Dr. Sloper ist ein durch und durch unsympathischer, kalter Charakter. Mir hat Catherine richtig leid getan, einen Vater zu haben, der sie im Grunde nicht wertschätzt und ihr nur mit Sarkasmus begegnet. Dass Catherine das letztendlich wahrnimmt und akzeptiert ist sehr mutig. Wie grausam, dass sie gleichzeitig feststellen muss, dass auch der andere Mann in ihrem Leben, sie nicht liebt.
Was bleibt da noch? Sich innerlich unabhängig zu machen, sich eine eigene Betätigung zu suchen und darin Anerkennung zu finden. Das scheint Catherine auch zu tun. Ich hätte ihr aber auch gegönnt, wenn sie einen der anderen Heiratskandidaten genommen hätte.
 

MRO1975

Bekanntes Mitglied
11. August 2018
1.538
3.981
49
48
Ich bin mit dem Ende auch versöhnt. Catharine hat tatsächlich eine Entwicklung gemacht. Sie hat sich emanzipiert, gegenüber ihrem Vater sowie gegenüber Morris. Sie hatte sich entschlossen, gegen den Willen des Vaters zu heiraten. Dies konnte zwar noch nicht umsetzen, weil der treulose Morris sie sitzenließ. Dafür hat sie ihrem Vater das Versprechen verweigert, nach seinem Tod nicht doch noch Morris zu heiraten - obwohl sie dieses Versprechen um der Harmonie willen ja hätte geben können. Die väterliche Strafe in Form der Enterbung hat sie dafür gern in Kauf genommen. Entscheidend war für sie, dass sie hier ihren freien Willen gegen den Vater durchgesetzt hat. Und auch Morris bekommt sein Fett weg, als er wieder angekrochen kommt und sie ihm die Tür zeigt. Großartig, Cathrine!
 

Leseglück

Aktives Mitglied
7. Juni 2017
543
1.272
44
67
Entscheidend war für sie, dass sie hier ihren freien Willen gegen den Vater durchgesetzt hat. Und auch Morris bekommt sein Fett weg, als er wieder angekrochen kommt und sie ihm die Tür zeigt. Großartig, Cathrine
Das sehe ich genau so. Ich war auch sehr glücklich mit der Entwicklung von Catherine. Sie engagiert sich sozial und bekommt dadurch auch echte Anerkennung.
 
  • Like
Reaktionen: Renie und MRO1975

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.423
49.811
49
Alles richtig, was ihr schreibt. Catherine ist die eigentliche Heldin des Romans. In meiner gebundenen Ausgabe gibt es noch ein Nachwort von Bettina Blumenberg, das ich persönlich noch recht erhellend fand. Sie nimmt Bezug auf die Konstellation und die Namen der Figuren, die zeitliche Einordnung, das Vorbild Balzac...

Sie bezeichnet James als Meister des indirekten Erzählens, der die Methode der Unbestimmtheit beherrscht und hier konsequent durchspielt.

Der Vater ist ein unterkühlter Rationalist, der schließlich an einer Unterkühlung stirbt :)
Ironie: auch Sloper selbst ist durch seine gute Heirat einst zu Ansehen gelangt, das ihm seinen Erfolg als Arzt erst ermöglichte.

Catherine ist die eigentliche Heldin . Im letzten Satz steckt mehr drin, als ich gesehen habe: Fancywork, die feine Handarbeit, der sich C. zuwendet, kann man auch als Lebensarbeit verstehen, insofern beginnt hier eine neue Geschichte ;)
 
  • Like
Reaktionen: Renie und MRO1975