Rezension Rezension (2/5*) zu Die allertraurigste Geschichte von Ford Madox Ford.

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Buchinformationen und Rezensionen zu Die allertraurigste Geschichte von Ford Madox Ford
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Von Doppelmoral und großer Langeweile...

Nachdem ich mich buchstäblich Seite für Seite durch den Roman gequält und geärgert habe, fühle ich mich mit der Aufgabe überfordert, eine wertneutrale Rezension zu schreiben. Am liebsten würde ich herausschreien: langweilig, überflüssig, unmöglich! Aber derlei Meinungsäußerungen benötigen ja eine Begründung, da sie ansonsten nicht nachvollziehbar sind.

Ich finde es eigentlich sehr bereichernd, gelegentlich einen Klassiker zur Hand zu nehmen oder auch unbekannte Werke zu lesen. Als ich also die Gelegenheit erhielt, diesen Titel im Rahmen einer Leserunde kennenzulernen, zeigte ich mich von der Idee sehr angetan. Und ich muss gleich dazu sagen, dass es zu diesem 1915 erstmals erschienenen Roman durchaus begeisterte und positive Stimmen gibt. Nur kann ich mich ihnen in keinster Weise anschließen.

Tatsächlich litt Ford Madox Ford (1873-1939) schon zeitlebens unter einem Mangel an Lesern, wie das Nachwort verrät - als Verleger und Kritiker hatte er deutlich mehr Erfolg als mit seinen Romanen und Gedichten. Trotzdem gilt 'Die allertraurigste Geschichte' - zunächst erschienen unter dem Titel 'The Good Soldier' - als eines der wichtigsten Werke der englischen Literatur der frühen Moderne. Wie das?

Nun, Ford Madox Ford lässt den Ich-Erzähler John Dowell konsequent als unzuverlässigen Erzähler fungieren - mit anderen Worten: ihm kann man kein Wort glauben. Und tatsächlich widerspricht sich die Geschichte immer wieder, manchmal schon im selben Satz. Als Leser ist man es gewohnt, der Erzählung zu vertrauen, dem Gesagten zu folgen und seine Schlüsse daraus zu ziehen. Das funktioniert hier nicht. Überhaupt nicht.

Das beginnt bereits damit, dass John Dowell sich als Außenstehender zu präsentieren versucht, der das geschilderte Geschehen zugetragen bekommen oder auch zum Teil beobachtet haben will - in Wirklichkeit steckt er aber selbst mittendrin. Dowell selbst erscheint als äußerst naiver, gutgläubiger Zeitgenosse, der in jedem Menschen das sieht, was dieser ihn sehen lässt. Er hinterfragt nichts und unterstellt jedem zunächst nur positive Attribute. Doch als unzuverlässiger Erzähler widerspricht er dem nur zu bald, und tatsächlich entpuppen sich die Figuren nach und nach als etwas gänzlich anderes.

Was sich hier vielleicht wie ein genialer Schachzug liest und von anderen Rezensenten auch als solcher bezeichnet wird, konnte mich leider nicht begeistern. Abgesehen davon, dass ich nie wusste, was ich nun glauben sollte, fühlte ich mich mit der umständlichen und verschachtelten Art des Erzählens überfordert, mit der Detailverliebtheit der Schilderungen, den ständigen Zeitsprüngen, Abschweifungen und Einschüben, die einzig und allein der Verwirrung des Lesers zu dienen scheinen. Die Erzählung plätschert von Anfang bis Ende vor sich hin ohne auch nur ansatzweise so etwas wie Spannung zu erzeugen - und tatsächlich erschließt sich mir auch nach der Lektüre nicht, wofür dieses Buch überhaupt geschrieben wurde.

Ja, die Themen Doppelmoral, enge gesellschaftliche Konventionen statt individuelle Entwicklungsmöglichkeiten, der Moralkodex der katholischen Kirche - all dies findet sich in diesem Roman. Doch werden diese Themen allenfalls angerissen und angedeutet - und verlieren gleich im nächten Absatz wieder an Bedeutung. Für eine Gesellschaftskritik ist mir das viel zu wenig.

Und auch der Entwicklung der Figuren kann ich hier nichts abgewinnen. Zwar blickt man mit John Dowell allmählich hinter die glattgeschliffenen Fassaden der Gutbürger, doch abgesehen von der veränderten Perspektive ändert sich hier wenig. Das Leben findet statt zwischen den Polen Langeweile und Drama, was letztlich Konsequenzen nach sich zieht. Was bei mir am Ende bleibt ist leider lediglich ein Achselzucken.

Langeweile - das war auch mein hauptsächliches Empfinden während der Lektüre. Und deshalb kann meine Bewertung des Romans auch nicht höher ausfallen. Immerhin ist das Buch sehr hochwertig und hübsch aufgearbeitet, so dass dies für mich ein Pluspunkt war. Ansonsten gibt es diesmal von mir leider keine Leseempfehlung.


© Parden

von: Charles Lewinsky
von: Rebecca Makkai
von: Fatma Aydemir
 

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