Rezension Rezension (5/5*) zu Bittere Schokolade: Ein kulinarischer Krimi von Tom Hillenbrand

ElisabethBulitta

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8. November 2018
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Das wenig appetitliche Geschäft mit dem Kakao

Wir wollen alles – und das sofort, billig und aus aller Herren Länder. Nur ab und zu meldet sich unser schlechtes Gewissen. Den Konsequenzen dieser Konsumentenmentalität kommt Tom Hillenbrand auf spannende und informative Weise auf die Spur.
In „Bittere Schokolade“ ermittelt Xavier Kieffer nun schon zum sechsten Mal im kulinarischen Milieu. Der Kriminalroman ist im November 2018 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen und umfasst 480 Seiten.
Als der luxemburgische Koch Xavier Kieffer nach vielen Jahren seine ehemalige Freundin wiedertrifft, engagiert diese sich inzwischen als Pattiseurin für sozial verträglichen Kakao- bzw. Schokoladenanbau und –handel. Doch kurze Zeit darauf wird sie vor seinen Augen niedergeschossen; für Kieffer natürlich ein Grund, auf eigene Faust zu ermitteln. Dabei führen seine Ermittlungen tief in den Dschungel des alles andere als koscheren Kakao- und Schokoladengeschäfts.
Hillenbrands Roman überzeugt nicht in erster Linie durch seine durchgängige kriminalistische Spannung im herkömmlichen Sinne, sondern vielmehr durch seine nicht weniger dramatische Thematik. Zwar stößt man beim Lesen immer wieder auf äußerst spannungsgeladene Passagen, wenn Kieffer z.B. in einer Hauruckaktion seine eigenen Nachforschungen auf der afrikanischen Kakaoplantage von Varanga anstellt oder in einem fulminanten Showdown Verbrechern gegenübersteht, doch ist das eigentlich Ungeheuerliche der Einblick in das spekulative Geschäft mit dem Kakaoanbau, der sich bestimmt auf beliebig viele Branchen übertragen lässt und zum Nachdenken anregen sollte – ein Thema, das mich persönlich schon lange beschäftigt. Dabei ist die Handlung von Anfang bis Ende logisch aufgebaut, lässt es aber dennoch nicht an Überraschungsmomenten missen.
Weitere gesellschaftskritische Themen, die in diesem Roman angesprochen werden, sind das Hofieren des Essens, wenn Kieffer auf seine Hausmannskost setzt, die Dominanz der digitalen Medien, wenn z.B. Valéries Verlag am Rande des Ruins steht, und eine immer wieder einfließende Kritik an der Europapolitik, hier personifiziert in Kieffers Freund Pekka Vatanen. Nicht zuletzt erhalten Leser/innen einen liebevollen Einblick in luxemburgische Besonderheiten.
Sehr gut gefallen haben mir Hillenbrands Sprache und Stil. Die Sprache ist eine angenehme Mischung aus Anspruch, wenn z.B. Begriffe wie „quichottenhaft“ verwendet werden, und Flapsigkeit. Auch das Luxemburgische kommt nicht zu kurz, und typische Gerichte werden am Ende in einem Glossar erklärt - alles in allem abwechslungsreich, gut und flüssig zu lesen. Ist das Thema des Buches an sich auch ernst zu nehmen, fehlt es dennoch nicht an einer klug eingestreuten Prise Humor: „Kieffer wollte nicht selten abstürzen, sondern überhaupt nicht.“
Dieses ist der erste der kulinarischen Krimis, die ich gelesen habe. Und ich muss festhalten: Mit Xavier Kieffer hat Tom Hillenbrand einen mir wirklich sympathischen Protagonisten geschaffen – nicht mehr der Jüngste, Kettenraucher und in mancherlei Hinsicht herrlich unbedarft spontan (Wer reist schon so völlig unvorbereitet in den Kongo?), kommt er auf unorthodoxe Weise doch ans Ziel. Auch alle anderen Charaktere sind wandelbar, detailliert und sorgfältig gezeichnet.
Der Titel ist Programm, das Cover für alle Schokoladenfans eine Augenweide: Wer träumt nicht von diesem cremigen Genuss? Mir jedenfalls läuft – trotz des weniger schönen Hintergrunds – bei dessen Anblick das Wasser im Mund zusammen.
Insgesamt hat mir dieser Krimi in vielerlei Hinsicht große Lesefreude bereitet und Denkanstöße geboten, und es wird bestimmt nicht der letzte Roman um diesen außergewöhnlichen Amateur-Ermittler gewesen sein, den ich gelesen habe. Für mich jedenfalls das erste Highlight des Jahres und eine uneingeschränkte Leseempfehlung.


 

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