Rezension Rezension (5/5*) zu Der Blumensammler: Roman von David Whitehouse.

Mikka Liest

Bekanntes Mitglied
14. Februar 2015
1.513
2.403
49
Hilter am Teutoburger Wald
wordpress.mikkaliest.de
Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.
DIE LANGE VERGESSENEN


“Es steht für überraschende, urbane und innovative Literatur sowie gesellschaftliche, politische oder pop-kulturelle Themen.”
(Der Verlag Klett-Cotta über das Imprint ‘Tropen’)

Bisher hat mich der Tropen-Verlag noch nie enttäuscht.
Seine Bücher sind nicht nur optisch immer sehr ansprechend – mit Titelbildern, die dezent und dennoch ausdrucksstark daherkommen –, sondern haben auch inhaltlich viel zu bieten.

An ihnen ist stets etwas wahrhaft Einmaliges und Besonderes, und das auf unterschiedlichste Art und Weise: mal ist es der Schreibstil, mal die gesellschaftspolitisch hochaktuelle Thematik, dann wiederum die prägnanten Charaktere… Die Bücher sind in den unterschiedlichsten Genres angesiedelt – und setzen sich dabei durchaus manchmal über Genregrenzen hinweg.

Auch “Der Blumensammler”konnte sich mühelos in die Reihe meiner Lieblingsbücher einreihen.

Die Geschichte ist wunderbar originell und erstreckt sich über mehrere Zeitebenen, die mit üppigen Details farbenfroh heraufbeschworen werden.

Einmal folgen wir dem unscheinbaren Reinigungsfachmann Peter Manyweathers, der sich eingerichtet hat in seinem von Ordnung bestimmten Leben – und dem durch Zufall ein Liebesbrief in die Hand fällt, der alles verändert. Denn dieser Brief ist nicht nur herzzerreißend romantisch, sondern enthält auch Beschreibungen von Blumen, die so außergewöhnlich sind, dass sie einem Märchen entsprungen sein könnten.

Diese Blumen lassen Peter nicht mehr los, bis er schließlich sogar loszieht auf abenteuerliche – und gefährliche – Expeditionsreisen.

Zum ersten Mal in seinem Leben ist besagtes Leben wirklich lebendig. Aber zum ersten Mal in seinem Leben ist besagtes Leben auch in Gefahr.

Die zweite Handlungsebene spielt etwa dreißig Jahre später, und hier folgt die Geschichte dem jungen Dove Gale, der als Findelkind einen schlechten Start ins Leben hatte und sich auch als Erwachsener immer noch mehr schlecht als recht über Wasser hält. Dove arbeitet in einem Notruf-Callcenter, aber in letzter Zeit ereilen ihn immer wieder heimtückische Migräneattacken.

Während dieser Attacken suchen ihn Erinnerungen an ein Leben heim, das nicht seines ist. Und aus diesen Erinnerungen erwächst ein umfangreiches Wissen – über Blumen.

Überhaupt sind die Blumen das Leitmotiv des Buches, und man erfährt auch viel über sie.

Ich habe nach wenigen Kapiteln misstrauisch gegoogelt, ob es diese Arten wirklich gibt, weil sie dermaßen fantastisch klingen – aber ja, es gibt tatsächlich Blumen, die 2.000 Jahre alt werden können, oder Blumen, die Schafe fressen.

Aber zurück zur Handlung.

Der Dritte im Bunde, allerdings mit dem kleinsten Anteil an der Geschichte, ist Professor Jeremiah Cole. Das Buch beginnt hochdramatisch damit, dass ein Wal ihm das Leben rettet – indem er stirbt. Und im Bauch das unglückseligen Wals findet sich der Flugschreiber eines verschollenen Flugzeugs.

Wie diese drei Handlungsstränge zusammenlaufen, das fand ich sehr gut konstruiert.

Man kann einiges zwar schnell erahnen, aber erst ganz am Schluss fällt das letzte Puzzleteilchen wirklich an seinen Platz. Ich fand das sehr spannend, und die Spannung wird in Peters Handlungsstrang auch noch durch einen hinterlistigen Widersacher gesteigert, der sich zunehmend als egozentrisch, selbstsüchtig und gefährlich herausstellt.

Interessant fand ich auch, dass der Autor hier und dort Sätze einbaut, die man als Kritik an unserer schnelllebigen Zeit und besonders unserem Medienverhalten verstehen könnte.

“Sie bleibt stehen, um das Bild ins Internet zu stellen, wo es bis in alle Ewigkeit weiterexistieren wird – eine unauslöschliche Erinnerung an nichts Besonderes.”

(Zitat)
Die Charaktere, gute und böse, konnten mich gleichermaßen überzeugen.

Besonders Peter Manyweather hat mich bezaubert – wie dieser bescheidene, etwas ängstliche Mann über sich hinauswächst und ein unglaubliches Abenteuer erlebt, ist in meinen Augen eine grandiose Geschichte.

“Der Blumensammler” erzählt eine bewegende Geschichte, die zwar fantastische Elemente hat, sich aber dennoch vor allem mit grundlegenden menschlichen Emotionen befasst. Auch die Liebesgeschichte konnte mich berühren, und das ohne triefenden Kitsch.

Der allergrößte Pluspunkt an diesem Roman ist für mich allerdings der Schreibstil.

“Doch dort, eingebettet inmitten der Blätter, entdeckte er eine kleine, hin und her schwankende, wundervoll detaillierte zweilappige Blüte. Aus der Ferne wirkte sie weiß, doch bei näherem Hinsehen war sie eine ätherische Explosion aus Farben, die gleich einer Meereswoge über die Blütenblätter brandeten, in allen nur erdenklichen Rosé- und Violett-Tönen. Zart und elegant. Und es war ihr gelungen, hier zu überleben, wie ein einsamer Leuchtturm, von Wind und Wellen gebeutelt. Eine leuchtende Kerze inmitten eines Gewitters.“
(Zitat)

Ich habe unzählige Stellen angestrichen, die mir aufgrund der verwendeten Bilder und Metaphern denkwürdig erschienen.

FAZIT

Der Roman folgt in drei Handlungssträngen den Leben verschiedener Charaktere in verschiedenen Zeiten. Wie ein roter Faden ziehen sich Blumen als verbindendes Element durch diese Geschichte, deren Genre ich am ehesten als Gegenwartsliteratur mit mystischen Elementen und einem Hauch Drama bezeichnen würde.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator: