Rezension (5/5*) zu In meinen Träumen läutet es Sturm von Mascha Kaléko

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Berühmt - und doch unbekannt...

Hand aufs Herz - Mascha Kaléko? Wer von uns hat zuvor schon etwas von dieser Frau gehört oder gelesen? Nun, ich kann natürlich nur für mich schreiben, und ich muss gestehen: ich nicht...

Mascha Kaléko. Dieser Name tauchte zuerst um 1930 in Berlin auf - sie schrieb "Zeitungsgedichte", vom Alltag für den Alltag, und diese Art der pointierten Großstadtlyrik liebte man in den dreißiger Jahren ganz besonders. Kaléko gehörte in Berlin zum Kreis der schöpferischen Boheme, saß, dichtete und diskutierte im "Romanischen Café" mit Größen wie Tucholsky, Ringelnatz und Kästner. Die erste Auflage ihres Buches "Das lyrische Stenogrammheft" war schnell vergriffen - doch als Ernst Rowolt die zweite Auflage druckte und auch ihr zweites Werk "Kleines Lesebuch für Große", wurden beide Bücher noch in der Druckerei beschlagnahmt. Mascha Kaléko war Jüdin.

"Berühmt - und doch unbekannt: der Schnittpunkt dieser beiden Komponenten weist auf ein deutsch-jüdisches Schicksal, markiert den Sturz ins Vergessenwerden, signalisiert das Verdammtsein ins Echolose, zur totalen Heimatlosigkeit."

Das lebenslängliche Gefühl von Heimweh und Ausgeliefertsein, Emigrantin von Kind auf, Schicksalsschläge und Einsamkeit - all dies prägt die Lyrik von Mascha Kaléko.


" Wie in der kranken Auster nur
sich eine Perle rundet
so formt sich auch des Dichters Lied
im Herzen, das verwundet."

(Aus "Sublimiertes Wehweh")

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Oftmals sind die Gedichte Ausdruck der Überzeugung oder der Gefühle der Autorin. Es finden sich Werke zu Freundschaft, Zivilcourage, Umgang mit Schicksalsschlägen - und immer wieder Einsamkeit. Und Kaléko bringt es derart auf den Punkt, dass die Gedichte für sich sprechen und keiner Interpretation bedürfen.
Alleine um sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen - für mich - stelle ich hier nun noch zwei der Gedichte ohne weiteren Kommentar vor.


Der Eremit

Sie warfen nach ihm mit Steinen.
Er lächelte mitten im Schmerz.
Er wollte nur sein, nicht scheinen.
Es sah ihm keiner ins Herz.

Es hörte ihn keiner weinen,
Er zog in die Wüste hinaus.
Sie warfen nach ihm mit Steinen.
Er baute aus ihnen sein Haus.

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Take it easy!

Tehk it ih-sie, sagen sie dir.
Noch dazu auf englisch.
"Nimm´s auf die leichte Schulter!"

Doch, du hast zwei.
Nimm´s auf die leichte.

Ich folgte diesem populären
Humanitären Imperativ.
Und wurde schief.
Weil es die andere Schulter
Auch noch gibt.

Man muss sich also leider doch bequemen,
Es manchmal auf die schwerere zu nehmen.

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Es ist nicht immer die Zeit für Gedichte. Aber wenn die Zeit passend ist, ist dieses Buch eine Bereicherung.
Von mir eine klare Empfehlung!


© Parden