Rezension Rezension (5/5*) zu Beale Street Blues von James Baldwin.

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7. Juni 2017
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Buchinformationen und Rezensionen zu Beale Street Blues von James Baldwin
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Ein Roman wie ein Bues

Ein Blues bringt traurige Stimmung zum Ausdruck. Aber nicht nur. Er transportiert auch Überlebenswillen und Hoffnung auf Erlösung. Diese Mischung findet man auch in James Baldwins Roman: "Beale Street Blues".

Der Roman spielt in New York, genauer in Harlem der 70er Jahre. Die Erzählerin Tish, eine junge Afroamerikanerin, besucht ihre große Liebe (Fonny) im Gefängnis und teilt ihm mit, dass sie schwanger ist. Schon auf den ersten Romanseiten werden wir hineingeworfen in die belastende Lebenssituation der Protagonisten. Im weiteren Verlauf erzählt Tish vom Beginn ihrer Liebe zu Fonny, von ihrer Familie und ihrem Kampf um Fonny und um ihr Baby. Die Erzählzeit verläuft nicht linear, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kreuzen sich. Dadurch entsteht Spannung beim Lessen. Man wartet auf noch offene Erklärungen für Ereignisse oder hat Vorahnungen für zukünftige Entwicklungen. Die Hintergründe für die Inhaftierung Fonnys z.B. erfährt man erst relativ spät im Roman.

James Baldwin schreibt wie immer eine poetische, manchmal fast pathetische Sprache, die aber nie überfrachtet ist. Er kann intensive Gefühle atmosphärisch dicht beschreiben. Beim Lesen spürt man regelrecht die Liebe zwischen Tish und Fonny und auch den engen und liebevollen Zusammenhalt in ihrer Familie. Diese Wärme kontrastiert mit der Kälte und dem Hass, der ihr von der Welt der Weißen entgegen schlägt. So beschreibt Tish die Bedrohung, die von einem rassistischen Polizisten für sie ausgeht: " Wenn dieses Auge (des Polizisten) daoben gezwungen ist, dich zu bemerken, wenn du in dem unsagbar frostigen Winter existierst, der hinter dem Auge lebt, bist du gezeichnet, gezeichnet, gezeichnet wie ein Mann in einem schwarzen Mantel, der auf der Flucht durch den Schnee kriecht."

Rassistische Weiße auf der einen Seite und ihre schwarzen Opfer auf der anderen Seite? Nein, so einfach sieht der Autor die Welt nicht. In seinem Roman gibt es auch Weiße, die Tish unterstützen (z.B. ein Anwalt) und auf der anderen Seite Schwarze, in diesem Fall sogar Verwandte von Fonny, die nicht mit Tish solidarisch sind (diese Verwandten haben hellere Haut als Tish und fühlen sich deshalb überlegen).
Tishs Mutter sucht in Porto Rico nach Entlastungszeugen für Fonny und erlebt, dass Porto Ricaner noch ärmer sind als Afroamerikaner in Harlem. Unvermittelt findet sie sich, als nordamerikanische Lady" auf der anderen Seite wieder.
James Baldwin zeigt in seinem Roman, dass Diskriminierung, die Abwertung von Menschen durch Menschen, nicht nur zwischen Weiß und Schwarz stattfindet, sondern ein grundsätzliches Problem in Gesellschaften ist. Tishs Mutter sagt nach ihrem Besuch in Porto Rico: " Ich kann kein Spanisch, und sie können kein Englisch. Aber wir hocken auf der gleichen Müllhalde. Aus dem gleichen Grund."

Der Roman "Beale Street Blues" von James Baldwin ist ein trauriger Roman, der jedoch Hoffnung zulässt. Ein Roman wie ein Blues.