Rezension Rezension (5/5*) zu Der Club von Takis Würger.

Anjuta

Bekanntes Mitglied
8. Januar 2016
1.635
4.771
49
62
Essen
Buchinformationen und Rezensionen zu Der Club von Takis Würger
Kaufen >
Die Schmetterlinge sind los

Takis Würger ist im Hauptberuf Redakteur beim Spiegel, also durchaus gewohnt sich auszudrücken und zu schreiben. Mit „Der Club“ hat er sich aber erstmals als Schriftsteller betätigt und auf die riesengroße Schatzkiste der Möglichkeiten beim fiktiven Erzählen zurückgreifen können. So äußerte er sich zur Motivation zu dem Roman einmal in einem Fernsehinterview mit Dennis Scheck.
In diese Schatzkiste hat er tief hineingegriffen und für uns eine Geschichte herausgeholt, die die Eliten an der britischer Universität Cambridge demaskieren und auf Traditionen gestütztes unverzeihliches Handeln aufdeckt. Kann sich der Autor, der selbst eine Zeit seines Lebens an dieser Universität verbrachte, nun noch dort blicken lassen? So eine spannende Frage von Dennis Scheck. Da der Roman ja noch nicht übersetzt sei, sehe er erstmal kein Problem darin, so der Autor etwas naiv hoffnungsvoll.
Doch worum geht es konkret?:
Hans, ein sozial wenig aufgeschlossenes Waisenkind aus dem deutschen Norden, bekommt über eine entfernte und ihm wenig bekannte Tante die Möglichkeit, an der Universität von Cambridge ein Studium aufzunehmen. Die Tante verbindet dies mit der Aufgabe, dass er parallel zum Studium dort auch ein Verbrechen aufzuklären hätte. Um was es sich dabei handelt, bleibt nicht nur Hans, sondern auch dem Leser zunächst für eine lange Zeit unklar. Über diese Zeit hinweg lebt sich Hans in den Kreisen an der Universität ein und erhält – über die Vermittlung der Tante – auch Zugang zum einflussreichsten Club an der Universität – dem Pitt-Club. Seinen mangelnden familiären einflussreichen Hintergrund – eigentlich Zugangsvoraussetzung in diese Kreise – macht er wett durch herausragende Boxleistungen, die hier besonders geschätzt werden. So bringt er es sogar in einen innerhalb des Pitt-Clubs noch existierenden Topclub, der in der Abgeschlossenheit des Pitt-Clubs noch einmal ein weit verborgeneres Schattendasein als der Club selber führt. Absolut geheim und im Verborgenen existiert dieses Männer-Netzwerk, das ein ganz perfides Aufnahmeritual zelebriert. Und hier nun kommt das oben schon angesprochene, von Hans aufzuklärende Verbrechen ins Spiel. Ein Verbrechen im Übrigen, dem - so erschließt es sich schrittweise dem Leser - sowohl die Tante als auch die in der Universität gefundene Freundin, Charlotte, schon zum Opfer gefallen sind. Hans Aufenthalt in Cambridge entspringt demnach dem Wunsch nach Rache seiner Tante. Hans, dem Außenseiter ohne familiäre Bindungen, gelingt es, diese Rituale aufzudecken. Und er kann/muss so der Freundin Charlotte die Augen dafür öffnen, wer und was hinter diesem Ritual steckt. Aber hier weiter zu erzählen, wäre übles Spoilern.
Die Geschichte wird von Takis Würger sehr sensibel und mit einer eindringlich packenden Sprache erzählt.
„Was für eine schwarze Geschichte, und wie zart und liebevoll erzählt.“
Diesen Satz vom Klappentext, der von Elke Heidenreich stammt, möchte ich hier nicht unterschlagen, denn er bringt für mich den besonderen Reiz des Buches sehr gut auf den Punkt: das Zusammentreffen von grauenhaften Ereignissen mit einer Sprache, die verzaubert und anrührt. Das zusammen macht das Buch absolut lesenswert und das gerade in unserer Zeit. Denn mit einem Augenzwinkern hat Takis Würger auf ein Beispiel hingewiesen, das zeigt, welchen Einfluss auch heute noch diese elitären Männernetzwerke ausüben können. Denn kann es wirklich nur Zufall sein, dass die beiden „Macher des Brexit“, David Cameron und Boris Johnson, zur gleichen Zeit demselben Universitätsclub in Oxford, der anderen Elitehochburg in Großbritannien, angehörten?
Von mir bekommt „Der Club“ 5/5 Sterne.


 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.250
49.196
49
@Anjuta
Es freut mich, dass dir der Club auch so gut gefallen hat! Deine Bezüge zum Brexit sowie die Verknüpfung der eindringlichen, teils märchenhaften Sprache mit dem brutalen Verbrechen sind interessant. Diesen Zusammenhang habe ich nicht gesehen.

Nun solltest du ZWINGEND das Folgende lesen- sofern noch nicht geschehen. Du wirst es lieben :)
Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.
 
  • Like
Reaktionen: Helmut Pöll

Anjuta

Bekanntes Mitglied
8. Januar 2016
1.635
4.771
49
62
Essen
@Literaturhexle , ich habe den Wells gelesen, aber er hat mich aus irgendeinem Grund (vielleicht war es nur nicht die richtige Stimmung zum Buch) ziemlich unberührt gelassen und mich nicht wirklich gepackt. Ich habe mich auch schon oft darüber gewundert angesichts der großen und vernehmbaren Fangemeinde auch und gerade in unseren Lesekreisen. Weiß auch nicht?!?:(
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.250
49.196
49
@Literaturhexle , ich habe den Wells gelesen, aber er hat mich aus irgendeinem Grund (vielleicht war es nur nicht die richtige Stimmung zum Buch) ziemlich unberührt gelassen und mich nicht wirklich gepackt. Ich habe mich auch schon oft darüber gewundert angesichts der großen und vernehmbaren Fangemeinde auch und gerade in unseren Lesekreisen. Weiß auch nicht?!?:(
Mich hat der Stil von Takis Würger sofort an das Buch von Wells denken lassen, das ich fantastisch fand.
Manchmal ist es so: nicht drüber nachdenken. Es gibt sooooo viele gute Bücher, da muss man sich nicht mit Sachen aufhalten, die einen nicht packen.