Rezension Rezension (5/5*) zu Ein einfaches Leben: Roman von Min Jin Lee.

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7. Juni 2017
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Buchinformationen und Rezensionen zu Ein einfaches Leben: Roman von Min Jin Lee
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Ein Roman über das Schicksal der koreanischen Minderheit in Japa

Die Autorin Min Jin Lee wurde 1968 in Korea geboren. Sie immigrierte als Kind mit ihren Eltern in die USA und arbeitet dort als Anwältin. In ihrem 2017 in den USA erschienen Erstlingsroman mit dem Titel " Pachinko" erzählt sie von der Geschichte der koreanischen Minderheit in Japan (hier in Deutschland erschien der Roman 2018 mit dem Titel: "Ein einfaches Leben"). In ihrer Danksagung erfahren wir, dass sie sich viele Jahre mit diesem Romanprojekt beschäftigt und dabei mit duzenden koreanisch-stämmigen Japanern gesprochen hat. Diese Berichte wiederum fanden teilweise Eingang in ihren Roman.
Das Schicksal der koreanischen Minderheit in Japan ist zumindest im Westen wenig bekannt. Es ist sicher ein Anliegen des Romans, die Geschichte der Ausbeutung und Diskriminierung dieser Minderheit bekannter zu machen. Ein berechtigtes Anliegen.

Korea war von 1910 bis 1945 japanische Kolonie. In dieser Zeit wanderten hundertausende von Koreanern nach Japan aus. Teils "freiwillig" da Korea unter der Herrschaft von Japan verarmte. In den Kriegsjahren wurden Koreaner zwangsrekrutiert als Soldaten und Minenarbeiter (in diesem Zusammenhang sind die sogenannten " Trostfrauen" bekannt). Nach Kriegsende kehrten nicht alle Koreaner in ihre Heimat zurück, ca. 800 000 blieben in Japan und waren dort im Prinzip staatenlos, hatten nur Aufenthaltsrechte, die ihnen jederzeit entzogen werden konnten. Den Koreanern war von Anfang an der Zugang zu ehrenwerten Berufen wie z.B. Lehrer oder Anwalt, verwert. So wurden sie in sozial verachtete Bereiche wie das Betreiben von Glückspielhallen (Pachinko- Spielhallen) gedrängt oder gar in die Kriminalität (Yakuza). Ungerechterweise galten deshalb Koreaner in der japanischen Gesellschaft als grob, ungebildet und kriminell. Mechanismen der Ausgrenzung, die wir auch aus Deutschland kennen.

Eine bewährte Methode, die Geschichte einer Personengruppe zu erzählen ist es, sie anhand einer Familiensaga lebendig werden zu lassen. Diesen Weg geht auch Min Jin Lee. Ihr Roman beginnt im Jahr 1883 in Korea, wo wir die Vorfahren der zentralen Romanfigur, Sunja, kennen lernen. Sunja folgt einem koreanischen Priester nach Japan um der Schande zu entgehen, die die bevorstehende Geburt eines unehelichen Kindes bedeuten würde .Der Bogen der Famiiensaga spannt sich dann über mehre Generationen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Hier zeigt sich am Schicksal von Sunjas Enkelsohn Solomon, dass es auch dann noch fast unmöglich war, als koreanisch-stämmiger Japaner in die angesehene Gesellschaft Japans aufgenommen zu werden.
Entsprechend der realen Geschichte muss die Autorin über traurige bis grausame Ereignisse berichten, die berühren. Anderseits verweilt sie nie lange bei einer Person, so dass eine gewisse Distanz zu den Protagonisten bestehen bleibt. Es gelingt Min Jin Lee, ihre Romanfiguren nicht nur als Opfer zu beschreiben. Sie lässt den Protagonisten ihre Würde beim Kampf mit den widrigen Lebensumständen. Anschaulich wird auch der innere Kampf dargestellt, den die einzelnen Personen mit sich ausfechten. Sie sind zerrissen zwischen der Sehnsucht nach der Heimat und dem Wunsch, sich in Japan einzugliedern. Zwischen der Versuchung Geld aus kriminellen Kreisen anzunehmen und dem Wunsch ein ehrliches Leben zu führen.

Cover, Titel und Klappentext der deutschen Ausgabe suggerieren, dass es in dem Buch ausschließlich um Sunja und ihre beiden Söhne geht. Dies stimmt so nicht ganz. Es handelt sich um einen viel breiter angelegten Gesellschaftsroman mit zahlreichen Romanfiguren aus dem Umfeld von Sunjas Familie.

Insgesamt ein sehr lehrreiches Buch, das zudem noch gut als Roman funktioniert. Unbedingt lesenswert!



 
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