Rezension Rezension (5/5*) zu Die Gabe des Himmels: Die Fleury-Serie 4 von Daniel Wolf.

S

Sylli

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Buchinformationen und Rezensionen zu Die Gabe des Himmels: Die Fleury-Serie 4 von Daniel Wolf
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Die dunkle Welt des Mittelalters zum Leben erweckt

Worum es geht
Im Jahre 1346 kehrt der junge Adrien Fleury als Wundarzt in seine Heimatstadt Varennes-Saint-Jacques im Herzogtum Lothringen zurück. In Ausübung seines Berufes, den er mit Hingabe betreibt, lernt er die Heilerin Lea kennen und lieben. Von den Gefühlen der beiden füreinander darf jedoch niemand wissen, da die Ehe zwischen einer Jüdin und einem Christen verboten ist.
Adriens älterer Bruder Cesar, der die Geschäfte führt, hat mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen, woran dessen greiser Vater Josselin nicht unschuldig ist. In Erwartung des göttlichen Strafgerichtes opfert er große Teile des Familienvermögens, ehe er sich in ein Kloster zurückzieht.
Als der Schwarze Tod, gefolgt vom Zug der Flagellanten, Varennes erreicht, relativieren sich alle bisherigen Probleme und stellen die Bewohner der Stadt vor ganz neue Herausforderungen.

Wie es mir gefallen hat
Mit dem 4. Teil der Fleury-Serie hat Daniel Wolf ein beeindruckendes Zeugnis seines Könnens vorgelegt. Die spannende Handlung und viele authentisch wirkende Charaktere haben mich von Anfang an gefesselt, und ließen mich immer tiefer in die ferne und fremde Welt des Mittelalters eintauchen.
Im Mittelpunkt des Geschehens stehen diesmal weder Handel noch Politik, sondern die damaligen medizinischen Kenntnisse, aber auch soziale Konflikte, die sich mit dem Auftreten der Pest dramatisch verschärften.
Gerne bin ich dem sympathischen Wundarzt Adrien bei seinen Krankenbesuchen gefolgt, und habe ihm bei seinen Behandlungsmethoden fasziniert über die Schulter geschaut. Der junge Mann hat es zwar zu keinem Universitätsabschluss gebracht, kann dafür aber mit logischem Denken und einer umsichtigen Handlungsweise punkten. Kritisch hinterfragt er das dogmatisch vermittelte Wissen und scheut auch nicht davor zurück, neue Wege zu gehen. Die Abschnitte, in denen sich der Autor mit dem damaligen medizinischen Wissensstand und dessen Vermittlung befasst, haben mir besonders gut gefallen.
Adriens älterer Bruder, der harte Geschäftsmann Cesar Fleury, untreuer Ehemann und habgieriger Patrizier, macht im Laufe der Geschichte wohl die größte charakterliche Wandlung durch.
Sehr gut wird auch sein Vater Josselin dargestellt, der die Angst des mittelalterlichen Menschen vor dem Fegefeuer und der ewigen Verdammnis glaubwürdig repräsentiert.
Eine äußerst liebenswerte Erscheinung ist Adriens Meister Jacques. Die nuschelnde Sprechweise des alten Wundarztes versteht Johannes Steck, der exzellente Sprecher des Hörbuches, so originell wiederzugeben, dass ich mich darüber trotz des ernsten Themas oft köstlich amüsiert habe.
Mit dem Stadtphysikus Philibert hat Daniel Wolf Adriens Pendant geschaffen. Als Mann der Wissenschaft, folgt er streng den theoretischen Lehren, und ist ängstlich darauf bedacht, seinen Patienten nur niemals zu nahe zu kommen.
Mit Interesse habe ich auch die Flagellantenbewegung verfolgt. Deren Führer ist ein abtrünniger Bewohner Varennes, der die Rolle des Bösewichts glaubhaft verkörpert.
Am wenigsten hat mir die Jüdin Lea gefallen, die einen klischeehaften Frauentypus verkörpert - schön, klug, selbstbestimmt und doch hingebungsvoll.
Ein großer Teil des Romans ist der jüdischen Bevölkerung Varennes gewidmet, und berichtet von deren Leben unter ständigen Anfeindungen und Repressalien.
Es sind aber nicht nur die charakteristischen Eigenheiten der Protagonisten, die die Faszination dieses Romans ausmachen. Daniel Wolf versteht es ganz hervorragend, Stimmungen einzufangen und seinem Publikum zu vermitteln. Detailreich, bildhaft, manchmal sogar poetisch, erzählt der Autor von den Geschicken Varennes und seiner Bewohner.
Da zwischen dem vorliegenden Roman und seinem Vorgängerband rund zwei Generationen liegen, kann dieser Teil ganz unabhängig und ohne Vorkenntnisse genossen werden.
Leider stellt meine Leihbücherei nur die gekürzte Hörbuchfassung mit 21h 55 zur Verfügung. Obwohl ich nicht das Gefühl hatte, Wesentliches versäumt zu haben, würde ich mich bei freier Wahlmöglichkeit für die ungekürzte Variante mit 27h 40 entscheiden.
Eine Fortsetzung soll es angeblich nicht so bald (wenn überhaupt) geben. Daniel Wolf brauche Abstand zu den Fleurys, heißt es; verständlich, wenn man bedenkt, wie viel Herzblut in diesem Werk steckt, wie viel Recherchearbeit, wie viele Zeit und sicher auch Mühe.
Natürlich würde ich mich über einen 5. Band freuen, aber qualitativ hochwertige Arbeit lässt sich nicht am Fließband produzieren. Wie auch immer der Autor sich entscheidet, mit "Der Gabe des Himmels" hat er einem bemerkenswerten Romanzyklus einen krönenden Abschluss verschafft, der weder inhaltlich noch stilistisch Wünsche offen lässt.

 
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