2. Leseabschnitt: S. 102 bis S. 176

Anjuta

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8. Januar 2016
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Die Geschichte verlagert sich nach Japan (Osaka) und nimmt die Schicksale von Koreanern in Japan in den Blick. Sie leben in einer ghettoartigen Umgebung und bei jeder Begegnung mit Japanern und dem Japanischen ist der Fremdcharakter dieser Begegnung herausgestellt. Was aber daran wirklich so fremd ist, außer der Sprachbarriere vielleicht, erschließt sich mir noch nicht so ganz. Armut als Folge der Fremdheit ist ein Thema,
  • "gab es niemanden, der keine Geldsorgen hatte oder den nicht die schreckliche Frage plagte, wie er seine Familie in diesem befremdlichen und schwierigen Land ernähren sollte."
ohne dass mir aber der Abstand zu der "Normalgesellschaft" der Japaner wirklich vor Augen geführt erscheint. Dieses Befremdliche und Schwierige des Landes - darüber würde ich gern mehr erfahren und es besser verstehen. Aber dafür hat das Buch ja noch eine Menge Seiten! Ich lese gern weiter in diesem ruhigen, sanften Sprachfluss.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Was aber daran wirklich so fremd ist, außer der Sprachbarriere vielleicht, erschließt sich mir noch nicht so ganz.
Das stimmt schon. Allerdings ist eine Sprachbarriere ziemlich viel: sie macht doch hilflos in normalen Alltagssituationen und lässt einen dumm und unterlegen wirken. Durch die fehlende Landessprache fällt Integration schwer. Zudem scheinen sich alle Japaner den Koreanern heillos überlegen zu fühlen, sie schauen regelrecht auf sie herab. Für die Frauen ist es klar, dass sie koreanische Händler bevorzugen, sie gehen damit auch Konflikten aus dem Weg.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Sehr schön beschrieben ist die Freundschaft zwischen Khunglee und Sunja. Auch die beiden Brüder erfreuen sich daran, was ich nicht für selbstverständlich erachte in diesem patriarchischen Umfeld. Besonders deutlich, als Yoseb in seiner Ehre getroffen ist, weil Sunja mit dem Verkauf ihres einstigen Liebespfandes seine Schulden bezahlt. Toll, wie Sunja mit dem Pfandleiher verhandelt! Hier kann sie ihre Selbständigkeit, die sie im männerlosen Zusammenleben mit ihrer Mutter gelernt hat, unter Beweis stellen. Herrlich, wie entspannt Isak auf den Vorgang reagiert und eine Versöhnung erwirkt. Hinzu kommt die Geburt des gesunden Kindes, dem Isak dann auch den Namen geben darf.

Die Geschichte verläuft in so herrlich ruhigen Bahnen. Die Menschen sind zwar arm, aber zufrieden. Es gibt viel gegenseitige Wertschätzung. Ich bin gespannt, ob der Kimchi-Stand noch realisiert wird oder ob der Stolz des "Mannes und Ernährers" dies vereitelt.

Nun beginnt Buch II und ich befürchte, es wird früher oder später ein Sturm aufziehen. Bis jetzt wurde das Buch von viel Harmonie in den Beziehungen getragen. Wahrscheinlich bleibt das nicht so.
 

Xanaka

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12. Juli 2015
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Das stimmt schon. Allerdings ist eine Sprachbarriere ziemlich viel: sie macht doch hilflos in normalen Alltagssituationen und lässt einen dumm und unterlegen wirken. Durch die fehlende Landessprache fällt Integration schwer. Zudem scheinen sich alle Japaner den Koreanern heillos überlegen zu fühlen, sie schauen regelrecht auf sie herab. Für die Frauen ist es klar, dass sie koreanische Händler bevorzugen, sie gehen damit auch Konflikten aus dem Weg.
Interessant in dem Zusammenhang finde ich die Bedeutung des weißen Reis. Es scheint für uns so banal zu sein und war damals offensichtlich eine absolute Delikatesse.
 

Anjuta

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Allerdings ist eine Sprachbarriere ziemlich viel:
Ich komme nochmal auf die Unterschiede von Japanern und Koreanern zurück, die wirklich eigentlich sehr gering sind und eher in Äußerlichkeiten festzumachen sind, denn wenn ein Koreaner gut Japanisch spricht und sich schick kleidet (das Geld dazu hat), dann - dazu gibt es verschiedene Stellen im Text - ist er im Grunde nicht mehr als Koreaner zu erkennen und dennoch bleibt der Unterschied bestehen und der Zugang zur echten Japanischen Welt bleibt ihm/ihr versperrt. Da wirken Abgrenzungsmechanismen, die enorme Tragweite und Kraft haben. Interessante Einblicke liefert dazu das Buch!
 

Leseglück

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7. Juni 2017
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denn wenn ein Koreaner gut Japanisch spricht und sich schick kleidet (das Geld dazu hat), dann - dazu gibt es verschiedene Stellen im Text - ist er im Grunde nicht mehr als Koreaner zu erkennen
Das hat mich sehr überrascht. Chinesische Kollegen meines Mannes haben dagegen gesagt, dass sie an der Physiognomie erkennen könnten wer Japaner, Chinese oder Koreaner ist.
Ich gehe aber davon aus, dass die Autorin Recht hat und rein vom Äußeren (abgesehen von der Kleidung) kein Unterschied zu erkennen ist. Nur am Akzent, an der Sprache und was ganz bestimmt der Fall sein wird: am Namen.
Ich bin bespannt wie Sunjas Söhne mit der Situation umgehen werden. Werden sie sich als Japaner ausgeben, wollen sie das oder geht das gar nicht?

Für uns Europäer ist zunächst mal nicht nachvollziehbar, warum die Japaner die Koreaner so verachten. Aus dem Buch erfahren wir, dass Japaner zu der Zeit offensichtlich viel fortschrittlicher und reicher waren und sie waren Besatzungsmacht. Vielleicht fühlen sie sich auch traditionell von ihrer Kultur her überlegen.
 

Xanaka

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Für uns Europäer ist zunächst mal nicht nachvollziehbar, warum die Japaner die Koreaner so verachten. Aus dem Buch erfahren wir, dass Japaner zu der Zeit offensichtlich viel fortschrittlicher und reicher waren und sie waren Besatzungsmacht. Vielleicht fühlen sie sich auch traditionell von ihrer Kultur her überlegen.

Nur so kann ich es mir vorstellen. Die Lebensart und -weise, ihre Traditionen sind ja auch heute noch für uns rätselhaft und zum Teil nicht nachvollziehbar.
 
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Xanaka

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Das hat mich sehr überrascht. Chinesische Kollegen meines Mannes haben dagegen gesagt, dass sie an der Physiognomie erkennen könnten wer Japaner, Chinese oder Koreaner ist.
Ich gehe aber davon aus, dass die Autorin Recht hat und rein vom Äußeren (abgesehen von der Kleidung) kein Unterschied zu erkennen ist. .

Ich denke die Kollegen Deines Mannes haben Recht. Den Asiaten geht es mit uns Europäern ähnlich. Wir sehen für sie alle gleich aus, obwohl wir doch schon Unterschiede erkennen können.
 
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Xanaka

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Wisst ihr, was mir an diesem Abschnitt am besten gefallen hat? Es war die Situation, als die Geldverleiher plötzlich vor der Tür standen um die Schulden einzutreiben. Kyunghee, die an sich so selbstbewusst und souverän ist, kann mit dieser Situation gar nicht umgehen. Sunja dagegen reagiert so gefasst, geradezu cool und schickt die Männer erst einmal weg. Aber dann wird es ja noch besser. Es gelingt ihr die Uhr dem Pfandleiher zu verkaufen, sie lässt sich nicht beirren, verhandelt geschickt und erreicht ihr Ziel. Ich glaube ihr war in dem Moment auch nicht bewusst, wie stark sie eigentlich ist. Auch wenn sie aus einem kleinen Ort kam, hat sie dort und durch die Mitarbeit im Logierhaus viel fürs Leben gelernt.
 

Leseglück

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Mir hat es auch Spaß gemacht zu lesen, wie sich Sunja gegenüber den Schuldeneintreibern und gegen den Pfandverleiher selbstbewusst durchgesetzt hat @Literaturhexle und @Xanaka.
Ihr Verhalten ist wirklich die Frucht ihrer Erziehung. Als geliebtes Kind der Mutter und des Vaters hat sie ein gesundes Selbstwertgefühl und noch dazu hatte sie im Vater aber besonders in der Mutter ein Vorbild dafür, wie man sich in der Geschäftswelt verhält.
Schade fand ich, dass Yoseb so negativ darauf reagiert. Statt die Schwägerin zu loben wird er wütend - eigentlich absurd. Er besteht darauf, alles selbst zu finanzieren, weil ihm das auch Macht und Überlegenheitsgefühle bringt. Er hat ein sehr traditionelles Frauen und Familienbild.

Interessant in dem Zusammenhang finde ich die Bedeutung des weißen Reis. Es scheint für uns so banal zu sein und war damals offensichtlich eine absolute Delikatesse.
Ich hatte heute Reis als Beilage zum Mittagessen und musste an unser Buch denken. Weißer Reis! Hat tatsächlich köstlich geschmeckt, was ich sonst wohl nicht so registriert hätte:)
 

Literaturhexle

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Schade fand ich, dass Yoseb so negativ darauf reagiert. Statt die Schwägerin zu loben wird er wütend - eigentlich absurd.
Völlig richtig! Ich befürchte, dass es auch heute noch viele Orte in der Welt gibt, wo der MANN so reagiert hätte!
Es war ja schon abstrus, dass Yoseb überhaupt die Schulden aufgenommen hatte: Er wollte dem jüngeren Bruder die Reise finanzieren, auch aus Gründen der Familientradition. Da hätte Schlimmes raus gedeihen können bei den Wucherzinsen...
 

Mikka Liest

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Die Geschichte verlagert sich nach Japan (Osaka) und nimmt die Schicksale von Koreanern in Japan in den Blick.

Mir wird im Moment bewusst, wie wenig ich über die Thematik weiß!

Ich kann mich erinnern, mal etwas über die "Trostfrauen" gelesen zu haben, die von der japanischen Armee zwangsprostituiert wurden, um die Soldaten zu "versorgen", und da waren auch viele Koreanerinnen dabei. Aber ansonsten glaube ich nicht, über die gesellschaftlichen Konflikte zwischen Japan und Korea schon einmal etwas gelesen zu haben.
 

Mikka Liest

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Besonders deutlich, als Yoseb in seiner Ehre getroffen ist, weil Sunja mit dem Verkauf ihres einstigen Liebespfandes seine Schulden bezahlt.

Ich war überrascht, wie gut er es dann doch wegsteckt, ich glaube, das ist seiner Liebe zu seinem Bruder geschuldet. Aber ich glaube, wenn Yoseb wüsste, dass ihr die Uhr von einem Liebhaber geschenkt wurde, der auch noch der leibliche Vater ihres Kindes ist, würde das anders aussehen!

Ich bin gespannt, ob der Kimchi-Stand noch realisiert wird oder ob der Stolz des "Mannes und Ernährers" dies vereitelt.

Ich habe mich gefragt, ob den Männern vielleicht etwas zustößt, so dass die Frauen gezwungen sind, selber für sich zu sorgen!
 
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Mikka Liest

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Das hat mich sehr überrascht. Chinesische Kollegen meines Mannes haben dagegen gesagt, dass sie an der Physiognomie erkennen könnten wer Japaner, Chinese oder Koreaner ist.

Eine Studienfreundin von mir ist Indonesierin, aber einer ihrer Vorfahren war Chinese. Wenn sie zwischen einer Chinesin und einer Indonesierin steht (in unserem Studiengang gab es Studentinnen beider Länder), seht ich ganz klare Unterschiede zwischen ihr und der Chinesin, aber keine offensichtlichen Unterschiede zwischen ihr und der anderen Indonesierin. Aber sie erzählte mir, dass ihr in Indonesien Schulkinder hinterherlaufen, sie beleidigen und sich dabei mit den Fingern "Schlitzaugen" ziehen. Für einen Indonesier ist der Unterschied also ganz klar zu sehen. (Wobei ich auch da nicht nachvollziehen kann, warum das so ein Grund für Verachtung ist.)

Insofern kann ich mir auch sehr gut vorstellen, dass ein Chinese Unterschiede zwischen Chinesen, Japanern und Koreanern sehen, die wir gar nicht wahrnehmen würden.
 

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Wisst ihr, was mir an diesem Abschnitt am besten gefallen hat? Es war die Situation, als die Geldverleiher plötzlich vor der Tür standen um die Schulden einzutreiben. Kyunghee, die an sich so selbstbewusst und souverän ist, kann mit dieser Situation gar nicht umgehen. Sunja dagegen reagiert so gefasst, geradezu cool und schickt die Männer erst einmal weg. Aber dann wird es ja noch besser. Es gelingt ihr die Uhr dem Pfandleiher zu verkaufen, sie lässt sich nicht beirren, verhandelt geschickt und erreicht ihr Ziel. Ich glaube ihr war in dem Moment auch nicht bewusst, wie stark sie eigentlich ist. Auch wenn sie aus einem kleinen Ort kam, hat sie dort und durch die Mitarbeit im Logierhaus viel fürs Leben gelernt.

Ja, das fand ich auch toll! Das hat sie wirklich sehr gut gemeistert, ich hoffe, dass das ihrem Selbstbewusstsein gut tut.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Der Abschnitt war schnell gelesen, was wohl eindeutig an der leichten Art der Autorin liegt.
Sunja meistert die Situation wirklich gut. Wenn man bedenkt, dass sie vorher nichts anderes kennengelernt hat, ist sie doch offen und fügt sich in ihre neue Rolle. Vieles ist dann bei näherer Betrachtung g auch nicht gravierend anders, sie kümmert sich mit ihrer Schwägerin um Dinge, die sie früher mit ihrer Mutter bereits getan hat.
Isak kommt nun auch im wahren Leben an. Es war erschreckend für ihn, als ihm bewusst wurde, dass sein mageres Gehalt vorne und hinten nicht für eine Familie reichen wird. Momentan schleicht sich häufiger der Gedanke bei mir ein, dass Sunja einen Weg finden wird, dass Einkommen aufzubessern. Isak würde ihr da sicher keine Vorwürfe machen.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Umgekehrt gilt dies auch. Die Mutter eines Schulfreundes meiner Kinder sagte mal, dass wir Deutschen für sie alle gleich aussehen. Als ich dann anführte, dass mir das mit Asiaten auch so geht, konnte sie das gar nicht verstehen.
 

MRO1975

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11. August 2018
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Ich war von diesem Abschnitt positiv überrascht. Irgendwie hatte ich wohl aufgrund des Klappentextes angenommen, dass Sunja in Osaka nur Elend und Armut findet. Stattdessen wird Sunja von der Familie ihres Mannes nett aufgenommen und findet in Kyunghee eine Freundin. Das hat mich für sie gefreut.

Streckenweise habe ich mich gefragt, warum die Koreaner nach Japan gehen, wenn sie dort nur verachtet werden und alles so viel teurer ist als zu Hause. Dann habe ich realisiert, wie arm die Zurückgebliebenen sein müssen, wenn sich all der Aufwand und die Demütigungen dennoch lohnen...
 

MRO1975

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11. August 2018
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Was aber daran wirklich so fremd ist, außer der Sprachbarriere vielleicht, erschließt sich mir noch nicht so ganz.
Das mag auch daran liegen, dass vom Leben der Japaner nicht viel erzählt wird. Die Erzählung spielt sich ja überwiegend innerhalb des Ghettos ab. Bei den Begegnungen mit Japanern wird zwar betont, dass diese sich oft überheblich benehmen, aber dass ist nur ein äußerer Befund und erklärt noch nicht, warum das so ist.