Rezension Rezension (4/5*) zu Mit der Faust in die Welt schlagen: Roman von Lukas Rietzschel.

ulrikerabe

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14. August 2017
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Wien
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Trostlos und wehleidig, ein Sittenbild unserer Zeit

Philipp und Tobias wachsen in einer kleinen sächsischen Gemeinde auf. Es ist nach der Wende, die Eltern können sich den Traum von einem eigenen Haus erfüllen. Der Vater ist Elektriker, die Mutter Krankenschwester. Für die Kinder ist wenig Zeit und liebevolle Zuneigung vorhanden. Die Brandnarben in Hoyerswerda, 9/11, der Selbstmord von Vaters Kollegen, dem man eine Stasivergangenheit nachsagt wird, die Kinder haben Fragen, die unbeantwortet bleiben.
Es sind sehr einsame Kinder, die wenigen Freundschaften die sie bilden, sind unheilvoll. Schmierereien mit Hakenkreuzen sind nur der Anfang. Während einer der Brüder immer mehr in einer Lethargie versinkt, entwickelt sich der andere zum Wutbürger.
Die Geschichte ist brandaktuell. Trostlosigkeit, Perspektivenlosigkeit, Angst vor dem und den Fremden, ungefilterte Wut: alles Schlagworte unserer Zeit. Der Autor fährt wie mit einer Kamera über die Menschen, beobachtet, beschreibt, interpretiert nicht, wertet nicht. Diese Emotionslosigkeit spiegelt auch das Fehlen positiver Gefühle im Leben der Menschen in dieser Geschichte wider. Mich frustrieren solche Geschichten immer, wen soll dieses Buch erreichen? Es kann niemanden „bekehren“. Menschen, die glauben, dass ihnen mehr zusteht als sie haben, die den „Flüchtling‘ für ihre Nöte verantwortlich machen, ihnen neidet, was sie als Unterstützung bekommen, werden sich durch die Schilderungen in diesem Buch doch noch eher bestätigt fühlen. „Ist doch so!“, wird es heißen. Wehleidigkeit ist keine Erfindung der Sachsen, des Ostens Deutschlands, es ist ein Trend in ganz Mittel- und Westeuropa. Dabei geht es den Brüdern Philipp und Tobias in der Geschichte gar nicht mal so übel, beide haben einen Lehrberuf, beide Jobs. Scheidung, finanzielle Nöte gibt und gab es immer schon in unserer Zeit. Nur ist es heute ist wieder salonfähig, für die eigene Unzulänglichkeit Sündenböcke zu nennen, und dabei von den rechten Parteien Unterstützung erfährt. Der Roman, der Autor bietet keine Antworten, keine Lösung, wie könnte er auch.


 

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