2. Leseabschnitt: Kapitel 7 bis 14 (S. 81 - 160)

MRO1975

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So, ich habe jetzt auch schon den zweiten Abschnitt beendet. Der Roman wird langsam besser verdaulich.

Shylock ist doch keine Einbildung von Strulovitch (er stellt ihn seiner Tochter Beatrice vor). Obwohl Shylock also real ist, ist er gleichzeitig der Shylock aus dem Stück. Dies wird im 2. Abschnitt durch eindeutige Bezugnahmen auf das Stück klar. So diskutieren Strulovitch und Shylock rückblickend über den Prozess und den Handel über das Pfund Fleisch. Wie wirken diese Passagen auf diejenigen, die das Stück nicht kennen?

Warum Shylock Shylock und gleichzeitig real sein kann, wird nicht erklärt. Ist vllt. auch nicht nötig?

Weitere Parallelen tun sich auf. Strulovitch scheint die gleichen Fehler wie Shylock zu machen. Er bevormundet seine Tochter Beatrice und diese zieht von zu Hause aus. Es zeichnet sich ab, dass Strulovitch mit D‘Anton einen Handel über ein Bild abschließen soll. Worin die Gegenleistung bestehen soll, ist aber noch offen. Ich hatte bislang irgendwie vermutet, dass Strulovitchs Tochter und die Beschneidung ihres Freundes auf den Handel anspielen. Das scheint sich nicht zu bewahrheiten und wäre auch irgendwie seltsam gewesen.

Die Gespräche zwischen Strulovitch und Shylock über das Jüdischsein setzen sich fort. Aus der Haltung von Strulovitch zu den Themen Speisegesetze und Beschneidung wird deutlich, wie gespalten Strulovitch ist. Einerseits hält er sich nicht für spirituell, andererseits möchte er nicht, dass seine Tochter mit einem Nicht-Juden zusammen ist.

Ich bleibe auf jeden Fall dran, werde in den nächsten Tagen aber nicht mehr so viel lesen können.
 

Renie

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Jetzt hat mich das Buch gepackt. Die anfängliche Düsternis ist verschwunden. Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass der Roman ein steter Wechsel zwischen existenziellen Fragen um das Judentum und einer Slapstick-Komödie ist. Die Diskussionen zwischen Shylock und Strulovitch, also Gelegenheits- und Hardcore-Jude, finde ich genial. Genauso wie ich den Slapstick-Humor liebe. Es gibt Stellen, da habe ich schallend gelacht - sehr zur Irritation meiner Strandkorb-Nachbarn :p .
Warum Shylock Shylock und gleichzeitig real sein kann, wird nicht erklärt. Ist vllt. auch nicht nötig?
Damit ist meines Erachtens der "Irrwitz" dieses Romanes gemeint. Aber trotzdem frage ich mich, ob es am Ende eine logische Erklärung für den jahrhundertealten Shylock geben wird. Ich bin gespannt.

Für mich thematisiert der Autor nicht nur den jüdischen Gewissenskonflikt sondern er macht sich auch über die englische Upperclass und denjenigen, die dazu gehören wollen, lustig. Wer nennt sein Kind schon Plurabelle-Cleopatra-Eine Schönheit ist eine ewige Freude-Christine. Aber der Name ist Programm: damit die Schönheit zur ewigen Freude wird, tut die gute Plury ja einiges.:D Und diese ganzen Neureichen und C-Promis wirken schon ziemlich dümmlich und banal auf mich. Herrlich :)
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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In diesem Abschnitt bekommen die Figuren eine Verbindung zueinander, auch wenn sie nicht immer offensichtlich, den Figuren nicht immer allzu bewusst ist.
Der Autor bringt für mich alle erdenklichen Kontroversen auf den Tisch, er spart andere Religionen dabei nicht aus. Auf Seite 114 wird in einem Gespräch dieser Satz geäußert: "Ja, und Muslime, aber die sind ganz für sich und liegen mit aller Welt im Streit, nur mit sich nicht. Und sieh dich an, wie zerrissen du bist. Der Islam kennt die Schizophrenie nicht, die dich quält. Wenn ein Muslim den alten Vorschriften lauscht, tut er es mit seinem ganzen Ich und findet so etwas wie Frieden darin." Der Roman regt zwischen den Zeilen stellenweise wirklich zum nachdenken an.
 

Leseglück

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Für mich thematisiert der Autor nicht nur den jüdischen Gewissenskonflikt sondern er macht sich auch über die englische Upperclass und denjenigen, die dazu gehören wollen, lustig
Ja, genau. Diese Stellen finde ich auch witzig. Da muss man als Autor schon dick auftragen, denn die Wirklichkeit ist ja schon krass genug (z.B. Kardashian Clan).
Was die Wahl der Namen betrifft: Denkt ihr bei Grantan Howsome auch an awesome (toll, genial)?
Im zweiten Abschnitt gibt es auch Seitenhiebe auf das moderne Kunstverständnis. Z.B. auf S. 104. Hier macht sich der Autor gekonnt über die Performance Künstler lustig.


Wie wirken diese Passagen auf diejenigen, die das Stück nicht kennen?

Bei dieser Passage (Sherlock und Strulovic unterhalten sich über den Prozess) wird zum ersten Mal eindeutig klar, dass unser Sherlock gleichzeitig der Sherlock aus Shakespeares Stück ist. Von daher ist dieser Dialog schon wichtig. Ich habe bei der Stelle gedacht, dass es doch nicht ratsam ist, diesen Roman zu lesen ohne das Vorbild zu kennen.

Im Original will Sherlock noch das Herz des Christen haben, hier begnügt er sich mit der Vorhaut (er gibt Strulovic einen entsprechenden Rat) Das ist auch ein witziger - oder irrwitziger - Einfall.

Strulovic ist modern, ein nicht praktizierender Jude. Trotzdem spürt er noch die Verbundenheit mit dem Judentum bei der Frage wen seine Tochter heiraten soll. Vom Verstand her sieht er ein, dass das falsch ist - schließlich wurde er selbst von seinem Vater wegen der Heirat einer Christin verstoßen - aber sein Gefühl spricht eine andere Sprache. Deshalb braucht er den Sherlock aus dem 17. Jahrhundert. Er soll Argumente liefern für das antiquierte Verbot, außerhalb des Judentums zu heiraten.

Wenn ich Sherlocks Meinungen und Argumente lese habe ich jetzt im zweiten Abschnitt doch ein bisschen Bauchgrimmen. Diese Klischees, wenn er von d e n Juden, d e n Christen und d e n Moslems spricht.
Dieses Betonen des Wir (die Juden) im Gegensatz zu Denen (die Nicht-juden). Dieses Denken sollte eigentlich wirklich in der Vergangenheit bleiben wo es hingehört.
 

Sassenach123

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Wenn ich Sherlocks Meinungen und Argumente lese habe ich jetzt im zweiten Abschnitt doch ein bisschen Bauchgrimmen. Diese Klischees, wenn er von d e n Juden, d e n Christen und d e n Moslems spricht.
Dieses Betonen des Wir (die Juden) im Gegensatz zu Denen (die Nicht-juden). Dieses Denken sollte eigentlich wirklich in der Vergangenheit bleiben wo es hingehört.

Da stimme ich dir zu. Will der Autor damit die größtmögliche Anlehnung an das Original schaffen?
In diesem Zusammenhang wundere ich mich immer wieder, dass der Roman in der heutigen Zeit spielt. Gefühlt hätte ich ihn einige Jahre eher angesiedelt.
 
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MRO1975

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11. August 2018
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Wenn ich Sherlocks Meinungen und Argumente lese habe ich jetzt im zweiten Abschnitt doch ein bisschen Bauchgrimmen. Diese Klischees, wenn er von d e n Juden, d e n Christen und d e n Moslems spricht.
Dieses Betonen des Wir (die Juden) im Gegensatz zu Denen (die Nicht-juden). Dieses Denken sollte eigentlich wirklich in der Vergangenheit bleiben wo es hingehört.

Shylock kommt ja offenbar aus der Vergangenheit und daher kann er antiquierte Ansichten vertreten. Strulovitch ist offenbar der moderne Gegenpart. Seine Gegenargumente, bspw. zu den Essensvorschriften, fand ich jetzt zwar noch nicht so stark, vllt. wird er ja noch besser. Mal sehen, wo Strulovitch sich hinentwickelt. Am Ende ist er bei seinen Geschäftsabschlüssen vllt. doch gnädiger als Shylock und fordert das Pfund Fleisch nicht ein.

Ich bin nach wie vor nicht sicher, ob die Beschneidung von Gratan hier für das Pfund Fleisch stehen soll ... Das wäre ein seltsamer Deal (Tochter gg. Beschneidung bzw. Konversion statt Geld gg. Fleisch). Die Tochter kann man doch nicht mit Geldverleih gleichsetzen und ein religiöses Bekenntnis nicht mit Fleisch.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ihr habt schon so viel zusammen getragen! Ich kann mich da nur anschließen und werde mal schauen, was ich noch beisteuern kann.

Die religiösen Konflikte und Stereotype durchziehen den gesamten Text. Das ist mir zuviel "wir" und "die"... Wie schon gesagt, haben wir das doch (hoffentlich) überwunden. Wobei natürlich JEDE extrem gelebte Religion ihre Mitglieder beschränkt und zuweilen geißelt. In diesen Gegenden mögen Vorurteile noch präsenter sein?

Es bestehen "ewiges Misstrauen und ewige Feindschaften", wir erfahren alle möglichen Schimpfworte. Selbst zwischen den Juden Strulovitch und Shylock gibt es Konflikte um die Glaubenstreue. Dabei ist mir erst in diesem Abschnitt klar geworden, dass Shylock eher ein Geist ist. Da hatten manche schon früher den 7. Sinn ;)

Toll fand ich auch die von Sassenach zitierte Textstelle über das Verhältnis der christlich/jüdischen Religion zum Islam. Da muss man drüber nachdenken. Schließlich könnte was Wahres dran sein: die zunehmende Religionsverdrossenheit bei uns könnte das Rückgrat der christlichen Kultur schwächen und religiösen Demagogen ein leichteres Spiel machen.

Dass Strulovitch sich Gedanken um seine Tochter macht, kann man mehr als verstehen. Für heutige Verhältnisse erscheint sie frühreif, erwirbt keine "ordentliche" Ausbildung und hängt mit den falschen Freunden ab. Die Wahl seiner Mittel sind jedoch höchst zweifelhaft. Als allein erziehender, viel beschäftigter Vater fühlt er sich der Sache nicht gewachsen und überlässt seinem Kontrollwahn und seinem patriarchalen Anspruch das Feld - ein Schuss, der nach hinten loszugehen scheint...

Überall jetzt Anspielungen auf das Original: Namen, Schauplätze, Zitate,....
Man müsste das Original bestimmt genau kennen, um daraus etwas ziehen zu können. Ebenso gut kann man es gewiss auch anschließend (bei Bedarf) lesen.

Eine offene Frage habe ich: Welche Bedeutung haben die Affen im Original? Sie und ihr Geruch tauchen immer wieder auf- hier für mich fast ohne Zusammenhang. Warum sollte ein junges Mädchen z.B. einen Affen kaufen ?!?

Der Zugang zum Buch ist nun auch bei mir hergestellt. Dennoch befremdet es mich. Es ist mir zuviel der Religion und der Vorurteile für die heutige Zeit.
Den ersten Teil musste ich ein zweites Mal quer lesen, um alle Fäden wieder in der Hand zu halten. Das hätte ich ohne diese Leserunde nicht getan, sondern es weg gelegt.

Aber das Hogarth Projekt ist ein interessantes Experiment, das ich gerne kennenlernen wollte. Insofern freue ich mich, diese kritische Phase überwunden zu haben und lese den letzten Teil.
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Anfangs war ich nicht sicher, ob Shylock real ist, aber ich denke auch, er ist eine "körperliche" Person, wenn auch aus der Vergangenheit. Strulovitch spricht ihn ja auch öfters darauf an.
Ihre Diskussionen drehen sich um das Judentum, das Strulovitch verteidigt, vielleicht deshalb auch so eifrig, weil er selbst eher lau die Pflichten seiner Religion nimmt. Er hält sich weder an die Feiertage, noch an die Speisevorschriften. Diese Diskussionen um die Religionen finde ich sehr spitzzüngig und sie gefallen mir.

Strulovitchs Liebe zu seiner Tochter drückt er auf eine sehr eifersüchtige und einengende Art aus. Kein Mann soll in ihrem Leben eine wichtigere Rolle spielen als er, der Vater. Deshalb ist ihm auch keiner ihrer Freunde ist ihm gut genug.

Während Shylock den Verlust der Tochter anders betrauert, es ist ihre Loslösung vom Judentum und die Verdammung, die er daraus folgert.

In den Gesprächen mit Shylock reflektiert sich Strulovitch, so würde ich das interpretieren.

D'Anton, der alles für Plury tut, erfüllt ihr auch den Wunsch für Grantam eine jüdische Freundin zu besorgen, er wählt Beatrice, damit schadet er Strulovitch. Aber gleichzeitig versucht er ein Bild von ihm zu kaufen, das Barnaby (=Bassano?) unbedingt haben will.

Übrigens gefällt mir der Sprachwitz immer noch sehr. Besonders wenn Strulovitch spricht.
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Die Gespräche zwischen Strulovitch und Shylock über das Jüdischsein setzen sich fort. Aus der Haltung von Strulovitch zu den Themen Speisegesetze und Beschneidung wird deutlich, wie gespalten Strulovitch ist. Einerseits hält er sich nicht für spirituell, andererseits möchte er nicht, dass seine Tochter mit einem Nicht-Juden zusammen ist.

Das ist ganz besonders auffallend, vielleicht sucht er noch seinen Platz in seiner Religion. Was mir auch bei der kurzen Szene deutlich wurde, als seine erste Frau ihn auf die (inneren) Narben der Beschneidung ansprach.
 
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Bibliomarie

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10. September 2015
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Jetzt hat mich das Buch gepackt. Die anfängliche Düsternis ist verschwunden. Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass der Roman ein steter Wechsel zwischen existenziellen Fragen um das Judentum und einer Slapstick-Komödie ist. Die Diskussionen zwischen Shylock und Strulovitch, also Gelegenheits- und Hardcore-Jude, finde ich genial. Genauso wie ich den Slapstick-Humor liebe. Es gibt Stellen, da habe ich schallend gelacht - sehr zur Irritation meiner Strandkorb-Nachbarn :p .

Damit ist meines Erachtens der "Irrwitz" dieses Romanes gemeint. Aber trotzdem frage ich mich, ob es am Ende eine logische Erklärung für den jahrhundertealten Shylock geben wird. Ich bin gespannt.

Für mich thematisiert der Autor nicht nur den jüdischen Gewissenskonflikt sondern er macht sich auch über die englische Upperclass und denjenigen, die dazu gehören wollen, lustig. Wer nennt sein Kind schon Plurabelle-Cleopatra-Eine Schönheit ist eine ewige Freude-Christine. Aber der Name ist Programm: damit die Schönheit zur ewigen Freude wird, tut die gute Plury ja einiges.:D Und diese ganzen Neureichen und C-Promis wirken schon ziemlich dümmlich und banal auf mich. Herrlich :)

Ja, das wird deutlich wenn es auf S. 81 heißt: Plurabelle, die um ihrer selbst willen geliebt werden wollte und nicht für das was sie war und hatte, aber das was sie hatte, bestimmte was sie war (ich habe jetzt gekürzt und zusammengefasst)
 

Bibliomarie

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Ich bin nach wie vor nicht sicher, ob die Beschneidung von Gratan hier für das Pfund Fleisch stehen soll ... Das wäre ein seltsamer Deal (Tochter gg. Beschneidung bzw. Konversion statt Geld gg. Fleisch). Die Tochter kann man doch nicht mit Geldverleih gleichsetzen und ein religiöses Bekenntnis nicht mit Fleisch.

Das wäre aber nur dann so, wenn Strulovitch mit Shylock gleichgesetzt würde.
 
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30. Dezember 2015
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Wadern
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Mit Interesse verfolge ich eure Beiträge, auch bei mir hat sich inzwischen ein Lesefluss eingestellt, die Figuren treten in Beziehung zueinander und es ist eine klare Handlung erkennbar. Ich ärgere mich, dass ich das Original vorher nicht mehr gelesen habe, so bleiben viele Vergleiche diffus. Es sind wohl auch einige direkte Zitate aus dem Drama eingebunden. Strulovitch scheint das moderne Ego von Shylock zu sein. Ihre Diskussionen über das Jüdischsein sind sehr interessant. Dadurch, dass er DIE Juden DEN Christen gegenüberstellt will er vielleicht genau auf diesen Fehler der Betrachtungsweise aufmerksam machen. Bestimmt wirklich nur die Religion unsere Eigenschaften als Mensch?
 

Leseglück

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Ich bedaure immer mehr, dass ich das Stück von Shakespeare nicht vorher gelesen habe. Ist es nicht so, dass dieses Stück sowohl als ein antisemitisches Theaterstück als auch ein Stück gegen Antisemitismus gelesen werden kann?
Ein wesentlicher Punkt schein ja die Boshaftigkeit des Juden Shylock zu sein, der - obwohl man ihm Geld angeboten hatte - auf das Pfund Fleisch von Antonio besteht.

Strulovic (oder der Autor) möchte nun genau wissen, was in Shylock damals vorgegangen ist, als er die Entscheidung getroffen hat, ein Pfund Fleisch zu fordern. Wollte er wirklich das Herz oder den Penis? War vielleicht alles nur als Spaß, als Provokation gemeint, ohne dass Shylock vorhatte, das alles tatsächlich auszuführen?
Shylock antwortet nicht eindeutig. Aber dadurch, dass er seine innere Haltung erklären kann, wird er menschlicher und wirkt weniger boshaft.
Besonders wenn er mit seiner Frau spricht, wirkt er auf mich weniger streng und unversöhnlich( obwohl er natürlich immer ein strenggläubiger Jude bleibt).

Aber egal wie man es interpretiert. Die Dialoge Shylock/Strulovich sind immer interessant zu lesen. Über diese Passagen muss ich eher nachdenken. Das übrige Personal im Roman ist ja (abgesehen von D` Anton ) total oberflächlich. Eher Figuren, die aus TV Reality Shows stammen könnten. Dafür sind diese Stellen dann aber sehr witzig zu lesen.

Es sind wohl auch einige direkte Zitate aus dem Drama eingebunden.

Eine zeitlang dachte ich, dass alle kursiv geschriebenen Stellen direkte Zitate sind. Aber da bin ich mir inzwischen nicht mehr so sicher.

Dadurch, dass er DIE Juden DEN Christen gegenüberstellt will er vielleicht genau auf diesen Fehler der Betrachtungsweise aufmerksam machen. Bestimmt wirklich nur die Religion unsere Eigenschaften als Mensch?

Ja, das könnte so sein. Ich denke auch, dass der Autor auf keinen Fall einen Keil zwischen Juden und Christen treiben möchte - im Gegenteil.
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Ja, das könnte so sein. Ich denke auch, dass der Autor auf keinen Fall einen Keil zwischen Juden und Christen treiben möchte - im Gegenteil.
Davon bin ich natürlich auch überzeugt. Dennoch ist meine Freude beim Lesen durch die beständigen Stereotype und religiösen Gespräche eingeschränkt...
Leseglück, du kannst das Original doch auch als " Nachtisch" verzehren ;)
 
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MRO1975

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11. August 2018
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Eine zeitlang dachte ich, dass alle kursiv geschriebenen Stellen direkte Zitate sind. Aber da bin ich mir inzwischen nicht mehr so sicher.

Ich habe ein paar der kursiven Dialoge geprüft. Im Rahmen der Diskussionen zw. Strulovitch und Shylock, vor allen dort wo sie über den Prozess reden, stammten die Aussagen wörtlich aus dem Stück.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Shylock und Strulovitch werden immer deutlicher zu zwei Seiten einer Medaille, die in diesem Kontext "der Jude" heißt. Die beiden kommen zusammen und verkörpern den weltlichen und den gläubigen Juden und sollen wohl nach dem Willen des Autors so eine Gesamtheit verkörpern, die in einer Person nicht für ihn darstellbar wäre. Das ist für mich, ehrlich gesagt, ein schwieriges Konzept, dem ich mich als Leser nur schwer öffnen kann. Zumal das ganze auch noch dadurch kompliziert wird, dass beide Personen zeitlich inkompatibel sind. Denn während immer klarer wird, dass Shylock der irgendwie aus der Zeit gesprungene literarisch-historische Shylock des Shakespeare ist, ist Strulovitch ein Zeitgenosse aus dem Norden Englands. So wird auch klar, warum schon in den Beiträgen zum ersten Teil die Frage aufkam, ist Shylock überhaupt real? Ja und nein. Ist nun die Antwort. Hm. Das macht mich auch nicht so richtig glücklich, muss ich sagen.
Der Fleischpfand, den Shylock bei Shakespeare von Antonio fordert, wird in den Diskussionen zwischen Shylock und Strulowitch immer mehr zu einer eher metaphorischen Forderung nach Beschneidung, sprich nach der Konvertierung zum Judentum. Diesen Gedanken muss ich erstmal in mir wirken lassen.
Und zudem wird der Fleischpfand in ihren Gesprächen immer mehr zu einer Metapher für die Frage: Sind Juden die gegebenen Opfer, oder können sie auch zu Tätern werden, bzw. müssen sie das sogar, um aus der Opferrolle herausbrechen zu können? Auch das ein Denkanstoß, den ich erst weiterverfolgen muss.
Mein insgesamter Leseeindruck bleibt auch nach Teil 2 eher mäßig beeindruckt. Ich muss inzwischen auch stark für mich in Frage stellen, ob das Konzept der Neuerzählung einer alten, bekannten Geschichte dem Lesegenuss förderlich ist, oder eher hinderlich. Oftmals beim Lesen ist es für mich leider hinderlich. Ich möchte mich gar nicht so sehr fragen, was entspricht Diesem und Jenem bei Shakespeare? Viel lieber würde ich unvoreingenommen eine neue, interessante Geschichte kennen lernen. So mein Zwischenfazit. Aber vielleicht ändert sich das noch zum Ende hin. Ich halte durch!
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Oftmals beim Lesen ist es für mich leider hinderlich. Ich möchte mich gar nicht so sehr fragen, was entspricht Diesem und Jenem bei Shakespeare?

Das stimmt, man muss sich davon freimachen. Aber das ist nicht ganz so einfach, bei Shylocks Erklärung zur Forderung seines Pfunds ist die Anlehnung ans Original wieder sehr stark.
 
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