Rezension Rezension (3/5*) zu Im Morgengrauen von Tom Bouman;Anke Caroline Burger (Übersetzerin);Anna-Christ.

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Buchinformationen und Rezensionen zu Im Morgengrauen von Tom Bouman;Anke Caroline Burger (Übersetzerin);Anna-Christin Kramer (Übersetzerin)
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Zu zerfasert, um wirklich spannend zu sein!

Der Sommer hält Einzug in die tiefen Wälder von Wild Thyme, Pennsylvania, und für Officer Farrell hat er nichts als Ärger im Gepäck. So muss er sich in dieser vom industriellen Niedergang schwer gezeichneten Region nicht nur mit kleinkriminellen Mitbürgern und den zerstörerischen Auswirkungen des grassierenden Heroinhandels auseinandersetzen, sondern auch die spurlos verschwundene Penny Pellings finden, eine drogenabhängige Mutter, die mit ihrem Freund in einem heruntergekommenen Wohnwagen hauste. Henry Farrell startet eine groß angelegte Suchaktion, und bald wird in Tioga County ein Toter entdeckt – Pennys Dealer? Mit der Ruhe des Jägers begibt sich Farrell in die Schattenwelt eines zum Albtraum gewordenen american dream, doch der Vermisstenfall entwickelt sich mehr und mehr zu einem Labyrinth aus Geheimnissen, deren Aufdeckung die ganze Region erschüttern wird.

Also eines gleich einmal vorweg: wenn ich jemals in die USA reisen sollte - die Gegend um Wild Thyme in Pennsylvania werde ich jedenfalls großräumig umfahren. Eine sterbende Region, so schildert Tom Bouman Land und Leute - viel Armut, Drogenprobleme, Sümpfe, und Fracking mit entsprechender Umweltverseuchung. Die Atmosphäre, die der Autor durch seine feingliedrigen Schilderungen erzeugt, ist unglaublich dicht und nahezu greifbar. Es gibt auch schöne Ecken in diesem Landstrich, dichte Wälder, idyllische Seen, einsame Berge, tiefste Natur - doch die Bedrohung all dessen ist unleugbar auf dem Vormarsch.

Entsprechend resigniert sind viele der dort lebenden Menschen, leben oft von der Hand in den Mund oder aber von der Illegalität. Dem kann Officer Henry Farrell als einziger Polizist von Wild Thyme wenig entgegensetzen - und will das auch gar nicht. Leben und leben lassen ist eher seine Devise, und gerne zieht er selbst einmal an einem Joint und trinkt vor dem Heimweg auch das ein oder andere Bier. Eine Heldengeschichte ist dies also keinesfalls, denn Schwarz-Weiß-Malereien erwartet man hier vergeblich - viele Grautöne gibt es da aber, passend zur deprimierenden Perspektive vieler Bewohner.

Doch Farrell hat auch etliches zu tun - nicht zuletzt soll er Penny Pellings finden, die verschwunden ist. Blutspuren lassen vermuten, dass sie einem Verbrechen zum Opfer fiel, doch weshalb - und wo ist die Leiche und wer ist der Täter? Wer jetzt den Kriminalroman erwartet, der auf dem Cover angekündigt ist, wird wohl enttäuscht werden. Denn die Ermittlungen sind schwierig, laufen sporadisch an und werden dann wieder liegen gelassen. Stattdessen entwirft Tom Bouman ein großartiges Panorama von Land und Leuten - allerdings von vielen Leuten.

Auch wenn ich die langsame Erzählweise des Romans zu schätzen wusste und die Charakterschilderung des Henry Farrell sehr eindrücklich und authentisch fand, störte mich die Vielzahl der auftauchenden Personen doch zunehmend, zumal sie für den eigentlichen Fall oft kaum oder gar nicht wesentlich waren. All dies vermittelte ein gründliches Bild der Lebensumstände der dort lebenden Personen, auch der vielfältigen Aufgaben des Officers, doch bewirkte dies doch ein zu großes Zerfasern der Handlung. Diese Art der Erzählung kommt der Atmosphäre zugute, geht aber doch deutlich zulasten der Spannung, die ich mir von einem Kriminalroman eigentlich verspreche.

So lässt mich der Roman ambivalent zurück. Einerseits habe ich die Lektüre durchaus genossen, andererseits kann ich die Bezeichnung 'Kriminalroman' kaum bestätigen. Ja, es geht um einen Vermisstenfall, und Leichen gibt es hier mehr als genug, doch siegt letztlich die Verwirrung bei mir und ein wenig Überraschung angesichts des Endes. Die Drogenproblematik und das Fracking versprachen hinsichtlich des Krimis ein großes Potential, doch die zahlreichen Nebenschauplätze haben dieses doch sehr verwässert. Die Spannung zog erst ganz am Schluss etwas an, doch reichte es da bei mir nur noch zu einem Achselzucken.

Spannungsmäßig hatte ich mir mehr erhofft, aber Tom Bouman hat auch bewiesen, dass er schreiben kann. Deshalb werde ich gerne nach der ersten Folge der Reihe um Henry Farrell Ausschau halten, die doch deutlich bessere Bewertungen erhalten hat als dieser zweite Band.


© Parden

 

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