Rezension Rezension (5/5*) zu Winterjournal von Paul Auster.

MRO1975

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Buchinformationen und Rezensionen zu Winterjournal von Paul Auster
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Atypische Autobiografie


Winterjournal ist eine überraschende, weil stilistisch unkonventionelle Autobiografie.

Der 64jährige Auster blickt zurück und schildert Erinnerungen und Episoden aus seinem Leben. Dabei folgt er nicht wie üblich dem zeitlichen Ablauf. Erinnerungsfetzen, Gedanken und Anekdoten kommen fast zufällig daher, so als ob der Autor sie in der Reihenfolge ihres Auftauchens an die Oberfläche seines Bewusstseins in ein Tagebuch geschrieben hätte. Weil dabei fast immer ein Gedanke zum nächsten führt, sind die Erinnerungen thematisch verknüpft und erhalten so ihren roten Faden. Beispielsweise schildert Auster woher die Narben an seinem Körper stammen, welche Schwächen er hat, welche Frauen er geliebt hat, unter welchen Adressen er gewohnt hat und welche Erinnerungen er mit diesen Orten verbindet sowie welche Begegnungen mit dem Tod er hatte.

Die präsentierten Lebenserinnerungen bleiben aufgrund der Darstellungsform notwendigerweise bruchstückhaft. Dem Leser wird keine vollständige Biografie und Selbstreflektion geboten. Die Lücken lassen vielmehr Raum, sich ein eigenes Bild von dem Menschen Paul Auster zu machen. Die ungewöhnliche Art der Schilderung regt zudem dazu an, sich mit dem eigenen Leben in ähnlicher Weise zu beschäftigen.

Außergewöhnlich ist auch die Erzählweise. Auster schreibt nicht in der Ich-, sondern in der Du-Form. Es gibt keine Kapitel, sondern nur Absätze. Dadurch bekommt das Ganze den Charakter eines intimen Gesprächs, wobei nicht immer klar ist, ob Auster mit sich selbst oder mit dem Leser spricht.

Für alle Auster-Fans, die sich fragen, wieviel Autobiografisches in den Werken des Autors steckt, ist das Buch ein Muss. In der gewohnten lockeren Art offenbart Auster nicht nur Daten und Fakten, sondern gewährt auch intime Einsichten. Am Ende hatte ich das Gefühl, dem Menschen Paul Auster sehr nahe gekommen zu sein.












 
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Literaturhexle

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Winterjournal ist eine überraschende, weil stilistisch unkonventionelle Autobiografie.

Der 64jährige Auster blickt zurück und schildert Erinnerungen und Episoden aus seinem Leben. Dabei folgt er nicht wie üblich dem zeitlichen Ablauf. Erinnerungsfetzen, Gedanken und Anekdoten kommen fast zufällig daher, so als ob der Autor sie in der Reihenfolge ihres Auftauchens an die Oberfläche seines Bewusstseins in ein Tagebuch geschrieben hätte. Weil dabei fast immer ein Gedanke zum nächsten führt, sind die Erinnerungen thematisch verknüpft und erhalten so ihren roten Faden. Beispielsweise schildert Auster woher die Narben an seinem Körper stammen, welche Schwächen er hat, welche Frauen er geliebt hat, unter welchen Adressen er gewohnt hat und welche Erinnerungen er mit diesen Orten verbindet sowie welche Begegnungen mit dem Tod er hatte.

Die präsentierten Lebenserinnerungen bleiben aufgrund der Darstellungsform notwendigerweise bruchstückhaft. Dem Leser wird keine vollständige Biografie und Selbstreflektion geboten. Die Lücken lassen vielmehr Raum, sich ein eigenes Bild von dem Menschen Paul Auster zu machen. Die ungewöhnliche Art der Schilderung regt zudem dazu an, sich mit dem eigenen Leben in ähnlicher Weise zu beschäftigen.

Außergewöhnlich ist auch die Erzählweise. Auster schreibt nicht in der Ich-, sondern in der Du-Form. Es gibt keine Kapitel, sondern nur Absätze. Dadurch bekommt das Ganze den Charakter eines intimen Gesprächs, wobei nicht immer klar ist, ob Auster mit sich selbst oder mit dem Leser spricht.

Für alle Auster-Fans, die sich fragen, wieviel Autobiografisches in den Werken des Autors steckt, ist das Buch ein Muss. In der gewohnten lockeren Art offenbart Auster nicht nur Daten und Fakten, sondern gewährt auch intime Einsichten. Am Ende hatte ich das Gefühl, dem Menschen Paul Auster sehr nahe gekommen zu sein.
Ich habe erst einen Auster gelesen: den Dicksten, nämlich 4321.
Demnächst starten wir eine kleine Leserunde zu
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Darauf freue ich mich schon. Auster ist auch einer der Autoren, bei dem es nicht schadet, sich austauschen zu können.
 

MRO1975

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Ich habe erst einen Auster gelesen: den Dicksten, nämlich 4321.
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Darauf freue ich mich schon. Auster ist auch einer der Autoren, bei dem es nicht schadet, sich austauschen zu können.

4321 habe ich vor kurzem auch gelesen und es hat mir sehr gut gefallen; habe es im Urlaub in 8 Tagen verschlungen. Das Buch war der Anlass, dass ich unbedingt eine Biografie von Auster lesen wollte und aus meiner Sicht, hat sich das gelohnt.

Neben den Geschichten an sich gefällt mir vor allem Austers Schreibe. Seine Sätze lesen sich einfach schön. Aus dem gleichen Grund mag ich auch John Irving gern. Hast Du von ihm schon mal etwas gelesen?

Stadt aus Glas habe ich vor längerer Zeit im Rahmen der New York Trilogie gelesen. Das ist eines der Bücher, die ich auf jeden Fall noch einmal lesen will. Danke für den Tipp mit der Leserunde!
 

Literaturhexle

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Neben den Geschichten an sich gefällt mir vor allem Austers Schreibe. Seine Sätze lesen sich einfach schön. Aus dem gleichen Grund mag ich auch John Irving gern. Hast Du von ihm schon mal etwas gelesen?
Die Schreibe ist wirklich super! 4321 fand ich auch gut, ich hatte es in einem 14 tägigen Badeurlaub mit und könnte dran bleiben. Da ich aber (leider) nicht schnell lese, empfand ich manche Teile doch als Wiederholung und damit etwas langatmig. Aber bei 1200 Seiten ist das wohl auch kein Wunder.

Was den Irving betrifft: ich liebte einst sein Zirkuskind (Das werde ich zusammen mit @Querleserin gegen Jahresende noch einmal lesen, du darfst dich natürlich gerne einklinken) und "Gottes Werk und Teufels Beitrag".

Abgebrochen habe ich vor allem Garp. Ebenso das Hotel New Hampshire (dem würde ich aber vielleicht eine neue Chance geben, wenn ich sonst nichts zu lesen da hätte ;)). Witwe für ein Jahr steht auch noch hier rum.
Fest vorgenommen habe ich mir noch Owen Meany. Er soll zum Zirkuskind passen. Er steht auf meinem Reader bereit.
Ich mag diese latenten sexuellen Anspielungen nicht. Diese 11 jährigen Jungs, die sich detailliert mit Masturbation beschäftigen und jedem Rock hinterher hecheln... Das macht Irving (wie viele amerikanische Autoren auch). So etwas stört mich.


Die Querleserin kann da drüber weggehen und lachen. Mich nervts (vielleicht weil ich zu langsam bin?)
 

MRO1975

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Die Schreibe ist wirklich super! 4321 fand ich auch gut, ich hatte es in einem 14 tägigen Badeurlaub mit und könnte dran bleiben. Da ich aber (leider) nicht schnell lese, empfand ich manche Teile doch als Wiederholung und damit etwas langatmig. Aber bei 1200 Seiten ist das wohl auch kein Wunder.

Was den Irving betrifft: ich liebte einst sein Zirkuskind (Das werde ich zusammen mit @Querleserin gegen Jahresende noch einmal lesen, du darfst dich natürlich gerne einklinken) und "Gottes Werk und Teufels Beitrag".

Abgebrochen habe ich vor allem Garp. Ebenso das Hotel New Hampshire (dem würde ich aber vielleicht eine neue Chance geben, wenn ich sonst nichts zu lesen da hätte ;)). Witwe für ein Jahr steht auch noch hier rum.
Fest vorgenommen habe ich mir noch Owen Meany. Er soll zum Zirkuskind passen. Er steht auf meinem Reader bereit.
Ich mag diese latenten sexuellen Anspielungen nicht. Diese 11 jährigen Jungs, die sich detailliert mit Masturbation beschäftigen und jedem Rock hinterher hecheln... Das macht Irving (wie viele amerikanische Autoren auch). So etwas stört mich.


Die Querleserin kann da drüber weggehen und lachen. Mich nervts (vielleicht weil ich zu langsam bin?)

Zirkuskind war mein erster Irving und hat mich überzeugt! Ich habe das Buch gerade Anfang dieses Jahres noch einmal gelesen und fand es immer noch schön. Meine weiteren Favoriten sind Owen Meany, Gottes Werk, Witwe für ein Jahr und Die vierte Hand. Garp habe ich mehrfach angefangen und abgebrochen. Das Hörbuch habe ich dann geschafft und fand es am Ende ok. Ich verstehe allerdings nicht, warum ausgerechnet Garp eines seiner am meisten gefeierten Werke sein soll. Es gibt übrigens auch eine, jetzt schon ältere Verfilmung mit Robin Williams, die ich ganz gelungen fand.

Die expliziten sexuellen Beschreibungen sind auch nicht meine Sache, aber ich lese sie halt mit. Ausufernd fand ich sie nur bei In einer Person - so genau wollte ich das alles nicht wissen....
 

Querleserin

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Die expliziten sexuellen Beschreibungen sind auch nicht meine Sache, aber ich lese sie halt mit. Ausufernd fand ich sie nur bei In einer Person - so genau wollte ich das alles nicht wissen....
Ich habe bisher "In einer Person" gelesen - und da waren die sexuellen Ausschweifungen sehr intensiv, genau wie bei "Bis ich dich finde" - aber wie @Literaturhexle richtig bemerkt hat, kann ich da "drüber" lesen, weil ich Irvings ironischen Stil so sehr mag. Er kann einfach erzählen...Die vierte Hand habe ich gehört - sehr skurrile Idee und "Die Straßen der Wunder" fand ich richtig gut. Jetzt freue ich mich im Dezember auf "Zirkuskind"!
 
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Zirkuskind war mein erster Irving und hat mich überzeugt!
Da haben wir wieder eine Gemeinsamkeit!
Garp habe ich mehrfach angefangen und abgebrochen.
Endlich jemand, der mich versteht! Das ist doch der Skurrilität zu Viel!
das freut mich natürlich, dass ich dich hierher geführt habe!
Ja, ich Glaube, das war eine wahrlich gute Tat von dir! Eine neue Schwester im Geiste:rolleyes:
 

MRO1975

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Ich habe bisher "In einer Person" gelesen - und da waren die sexuellen Ausschweifungen sehr intensiv, genau wie bei "Bis ich dich finde" - aber wie @Literaturhexle richtig bemerkt hat, kann ich da "drüber" lesen, weil ich Irvings ironischen Stil so sehr mag. Er kann einfach erzählen...Die vierte Hand habe ich gehört - sehr skurrile Idee und "Die Straßen der Wunder" fand ich richtig gut. Jetzt freue ich mich im Dezember auf "Zirkuskind"!

Das ist auch mein Eindruck. Bei In einer Person steht die sexuelle Orientierung und Praxis des Protagonisten sehr im Vordergrund. Bis ich dich finde fing ähnlich an; das habe ich aber nicht zu Ende geschafft. Die älteren Irvings sind in dieser Hinsicht „neutraler“, die Personen und Geschichten aber wunderbar schräg.

Ich mag auch die Bezüge zwischen den Büchern. Manche Themen (Ringen, Bären) tauchen wiederholt auf. Selbst einzelne Anekdoten tauchen aus verschiedenen Blickwinkeln mehrfach auf. Ich meine, bei Witwe für ein Jahr ist mir das am meisten aufgefallen.
 

Literaturhexle

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Witwe für ein Jahr habe ich begonnen, es nahm aber keine Fahrt auf....
Wenn ihr mir doch eine Empfehlung gebt, könnte ich mir vorstellen, es mal bei Audible zu hören. Dort gibt es die ungekürzte Fassung und die Auswahl fällt mir eh immer schwer.
 

MRO1975

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Witwe für ein Jahr habe ich begonnen, es nahm aber keine Fahrt auf....
Wenn ihr mir doch eine Empfehlung gebt, könnte ich mir vorstellen, es mal bei Audible zu hören. Dort gibt es die ungekürzte Fassung und die Auswahl fällt mir eh immer schwer.

Es ist schon ein paar Jahre her, dass ich das Buch gelesen habe, ich habe aber immer ein gutes Gefühl, wenn ich daran zurückdenke. Vllt. sollte ich es mal wiederkramen.
 
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