Rezension Rezension (5/5*) zu Wenn wir wieder leben: Roman von Charlotte Roth.

nicigirl85

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6. Februar 2018
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Buchinformationen und Rezensionen zu Wenn wir wieder leben: Roman von Charlotte Roth
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Wenn eine Liebe nicht sein darf…

Als Fan von Charlotte Roth und ihren Büchern, habe ich gar nicht lange überlegt, sondern mir direkt dieses Buch beschafft und war erfreut, dass es mich an die Ostsee führt, wo ich sehr gerne Urlaub mache.

In der Geschichte geht es um die vier Freunde Gundi, Lore, Erik und Julius, die sich Ende der 20er Jahre kennenlernen und als Band zusammenfinden. Sie genießen das unbeschwerte Leben im Ostseebad Zappot und erlangen auch als Musiker langsam aber sicher Erfolg. Als die Musikgruppe eine Anstellung auf der Wilhelm Gustloff erhält, scheint ihr Glück perfekt. Doch dann bricht der Krieg aus und nichts ist mehr wie es war. Werden die Freunde dieses Schicksal meistern können?

Die Handlung wird uns über einen beobachtenden Erzähler und zwei Handlungsstränge nahegebracht. In den 20ern und während des 2. Weltkrieges begleitet der Leser Gundi und danach ab 1963 Wanda. Bei beiden Frauen handelt es sich um starke Persönlichkeiten, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Erst im Verlauf der Geschichte kristallisieren sich die Verbindungen heraus, was mir gut gefallen hat. Man tappt wirklich lange Zeit im Dunkeln, was die beiden Frauen verbindet und die Auflösung dessen war wirklich geschickt umgesetzt.

Am meisten erfahren wir über Gundi und ihre Freunde. Hierbei gelang es der Autorin sehr gut die Unbeschwertheit der Sommerfrische bis zum Ausbruch des Krieges aufzuzeigen. Den Menschen geht es gut und es mangelt an nichts. Polen und Deutsche leben in Danzig und Umgebung friedlich nebeneinander her. Erst bei Ausbruch des Krieges spitzt sich die Lage zu, was Charlotte Roth für meinen Geschmack ebenfalls sehr gut umgesetzt hat.

Im Fokus steht ganz klar Gundi und trotzdem fand ich, dass man über die Nebencharaktere ausreichend erfährt. Gundi als Protagonistin gefiel mir nur bedingt. Ich mochte sehr, dass sie mit allem so glücklich und auch mit wenig zufrieden ist, allerdings handelt sie ein ums andere Mal recht naiv und auch oft egoistisch. Ich mochte nicht, dass sie unbedarft die Gefühle anderer verletzt und dies scheinbar oft nicht mitbekommt oder nicht sehen möchte. Aber wie soll ihr ein anderes Agieren auch gelingen, wenn sie von der Mutter verlassen und vom Großvater verhätschelt wurde?

Im zweiten Handlungsstrang steht Wanda im Mittelpunkt, die sich auf die Suche nach ihrer Familiengeschichte begibt. Es gehört schon sehr viel Mut dazu erfahren zu wollen, ob die Familie Täter oder Opfer war, viele hätten sich dem Wagnis sicher nicht gestellt. Mit ihr konnte ich mich sehr gut identifizieren, da ich auch immer gern alle Hintergründe kenne. Zudem kam sehr glaubhaft rüber, dass sie eine Mauer des Schweigens durchbrechen muss, denn es war absehbar, dass nach den schrecklichen Ereignissen kaum einer bereit sein wird darüber zu sprechen was erlebt worden ist, verdrängen geht schließlich leichter.

Das Besondere an dem Buch ist zudem die Sprache, denn es wird der Dialekt „Danziger Missingsch“ sehr oft gebraucht, was einen noch besser in die damalige Zeit hinein versetzt und eben auch in diese besondere Gegend. Viele Worte sind deutlich niedlicher und heimeliger als das Hochdeutsche, irgendwie fühlt man sich da mehr von der Sprache umarmt.

Gut gefallen hat mir des Weiteren, dass die Gräueltaten, die in Danzig passiert sind, beleuchtet werden ohne dabei etwas zu beschönigen. Hier war einiges Neues für mich dabei, werden in der Schule und in der Öffentlichkeit eher die Taten in Deutschland aufgezeigt.

Fazit: Ein Buch voller Emotionen, das mich sehr gut unterhalten hat. Gern spreche ich eine Leseempfehlung dafür aus. Wieder einmal klasse!