Michael Chabon: Moonglow

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.835
7.675
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Kapitel 16-20:
Im Vordergrund steht einerseits Sally Springer, die er in seinem Alterswohnsitz in Florida kennen gelernt hat, diejenige, deren Katze er gesucht hat und weswegen er auf Schlangenjagd geht.
Eine neue Liebe? Zumindest versuchen sie sich an einer sexuellen Beziehung.

Im folgenden Kapitel steht zunächst die Mutter des Ich-Erzählers im Fokus, eine alte Kiste offenbart ihre Vorliebe für Pferde und daran knüpfen sich die Erinnerungen an eine besonders schreckliche Halloween-Nacht. Die Großmutter wollte ihr ein Pferdekostüm machen und hat stattdessen einen echten Schädel mit grausamen, schillernden Augen versehen - das gehäutete Pferd. Ein Albtraum für die Mutter des Ich-Erzählers - bis heute. In jener Nacht ist die Großmutter verschwunden und hat sich in ein Kloster zurückgezogen - wie in Frankreich, wo sie als Jüdin mit ihrem Kind Zuflucht gefunden hat. Der Großvater muss sich eingestehen, dass sie psychisch krank ist und dass sie ihre Fernsehkarriere als Vorleserin gruseliger Geschichten aufgeben muss (1948-1952).
Statt dessen wird sie in eine psychiatrische Anstalt gehen müssen.
Ich habe nun auch bis S. 274 gelesen. Das ist irgendwie merkwürdig. Ich mag diesen Schreibstil einerseits, andererseits finde ich ihn unglaublich anstrengend. Nach wenigen Seiten denke ich stets, ich hätte schon furchtbar viel gelesen - und siehe da: nur 6 Seiten oder so. Ich kann aber auch nicht genau festmachen, woran es liegt. Trotz aller Sorgfalt in den Schilderungen Chabons habe ich immer noch kein genaues Bild vom Großvater. Ich hatte immer vor Augen, dass er recht groß und kräftig sei? Und plötzlich ist die Schwester Oberin 8 cm größer und 15 Kilo schwerer? Was ist eigentlich der Unterschied zwischen mitfühlend und mitleidig? Das kam mehrfach vor, und ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht, ob die entsprechenden Gesichtsausdrücke sich unterscheiden. Hm. 1952 und psychiatrische Anstalt - ich hoffe, da warten keine unliebsamen Experimente auf die Großmutter...
 
  • Like
Reaktionen: Querleserin

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.068
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
Unter mitfühlend verstehe ich empathisch, man empfindet das des Gegrnüber mit. Mitleidig hat für mich einen herablassenden Beigeschmack, man ist froh, dass es einem srlbst besser geht, trotzdem tut mir der andere Leid. Es scheint mir eine Frage der inneren Abgrenzung zu sein...
Deine Empfindungen kann ich nachvollziehen es dauert, bis die Figuren greifbar werden. Und ja, der Stil ist amüsant durch die vielen Handlungssprünge aber auch anstrengend.
 
  • Like
Reaktionen: parden

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.835
7.675
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Kapitel 21 führt uns von der Episode mit Sally Springer, zu der der Großvater vor seiner Erkrankung tatsächlich eine sexuelle, freundschaftliche Beziehung aufgebaut hat, wieder zurück in den Krieg. Das Kapitel knüpft an das Kapitel 15, den Fund der V2.
Der Enkel, Chabon, fragt den sterbenden Großvater, wie es seine Veehrung für von Braun in Wut und Hass umschlagen konnte, der soweit ging, dass er noch nicht einmal die Mondlandung ansehen wollte, da von Braun mit am Bau der Apollo beteiligt war. Die folgenden Kapitel offenbaren, dass von Braun Mitglied der SS, KZ-Häftlinge unter menschenverachtenden Bedingungen für sich arbeiten ließ und um diese Umstände wusste.
Der Autor hat sorgfältig recherchiert - die Fakten sind teilweise erst nach dem Tod von Brauns, der in den USA nach dem Krieg eine steile Karriere als Ingenieur in der Raumfahrt gemacht hat. Der Großvater Chabons hat das Mittelwerk, in dem die V2 gebaut wurde, mit eigenen Augen gesehen und dem OSS den entsprechenden Hinweis für die Ergreifung von Brauns geliefert, während er selbst seine geheimen Dokumente gesichert hat. Trotzdem war sein Aufstieg unaufhaltsam, eine Tatsache, die den Großvater immer noch zu belasten scheint.

Kapitel 24 (1957) knüpft wieder an die Verhaftung des Großvaters an, der sich für 20 Monate ins Gefängnis begeben muss. Seine Tochter verbringt die Zeit beim chaotischen Onkel Ray - aus dem Rabbi ist ein Spieler und Betrüger geworden.

Kapitel 25 erzählt von seiner ersten Zeit im Gefängnis, in dem ein Mitinsasse, ein Deutscher als Nazi, der er nicht ist, von den anderen schikaniert wird und der Ich-Erzähler fragt, warum sein Großvater ihm nicht geholfen habe.

Wieder einmal gut zusammengefasst. Ich habe den Abschnitt nun auch beendet und stelle wieder einmal fest, dass mich keiner der Handlungsstränge derart fesselt, dass ich unbedingt wissen muss, wie es nun weitergeht. Weil es eben selten chronologisch weitergeht. Man weiß nie, ob der Strang tatsächlich da weitererzählt wird, wo er vorher aufgehört hat. Aber uninteressant finde ich die Erzählung jetzt auch nicht. Ich mag Romane, bei denen ich mich auf irgendeine Form mit einer der Figuren identifizieren kann, mitfühlen kann. Die gibt es hier nicht. Aber die geschilderten Hintergründe sind trotzdem interessant...
 

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.068
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
bei denen ich mich auf irgendeine Form mit einer der Figuren identifizieren kann, mitfühlen kann. Die gibt es hier nicht.
Das stimmt, aber das macht mir jetzt nicht so viel aus. Ich finde den Ich-Erzähler recht sympathisch, auch wenn wir von ihm selbst recht wenig erfahren.
Da ich in diesem Schuljahr das "Leben des Galilei" im Unterricht besprochen habe, hat mich der Fall Wernher von Braun besonders interessiert. In Brechts Lehrstück geht es nämlich genau um die Verantwortung als Wissenschaftler, wie weit darf die Wissenschaft gehen? Und diese Grenzen hat von Braun definitiv überschritten, indem er seine Faszination für Raketen in den Dienst der Nationalsozialisten gestellt hat, obwohl er wusste, dass die V2-Rakete viele zivile Opfer fordern würde. Des Weiteren hat er sich auch nicht gescheut, Gefangene zu missbrauchen und ihren Tod, der aufgrund der Arbeitsbedingungen unausweichlich gewesen ist, billigend in Kauf genommen. Und trotzdem hat er anschließend Karriere gemacht - die menschlichen Verbrechen wiegen leichter als das Wissen, das er den USA zur Verfügung stellen konnte. Das wirft auf beide Seiten kein gutes Licht...
 
  • Like
Reaktionen: parden

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.835
7.675
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Kapitel 26-28
Zunächst erfährt man, dass der Großvater doch Mitleid mit Dr. Storch, dem deutschen Zahnarzt hat, und sich eine perfide Methode ausdenkt, seinen Peiniger zu "entfernen". Was Zucker und Kaliumnitrat bewirken können, sehr spannend. Per Zufall gerät er an Sam Chabon, den anderen Großvater des Ich-Erzählers, der die Modellrakete, die Mike Chabons Großvater im Gefängnis baut, bewundert und ihn darauf hin einstellt.

Kapitel 29-31
Dieses Kapitel spielt während der Zeit, in der der Großvater im Sterben liegt. Es ist ein Dialog zwischen Mike und seiner Mutter, die ihm ein Album ihrer Mutter zeigen will. Doch die vier Fotos, die sie selbst mit ihrer Mutter und deren Eltern zeigen, sind verschwunden. Stattdessen erzählt sie, was auf den Bildern zu sehen war und wie sie selbst die Zeit bei Onkel Ray empfunden hat. Dass dieser mit ihr geschlafen hat, verwundert nicht, ihre Rache kann man nachvollziehen. Das Kapitel leitet geschickt über zur "wahren" Geschichte der Großmutter, die der Ich-Erzähler erst nach dem Tod seines Großvaters herausfindet, der selbst nichts von der Identität seiner Frau wusste oder es zumindest nur geahnt hat.
Was für eine Überraschung und zumindest teilweise erklären sich die Halluzinationen.
Die Gefängnisepisoden fand ich recht amüsant. Allerdings finde ich es immer wirr, wenn die Verwandtschaft ins Spiel kommt - der andere Großvater des Ich-Erzählers... Da mache ich innerlich immer erst einmal eine Zeichnung.

Ich frage mich, wohin die vier Fotos verschwunden sind. Und wie sie ernsthaft die Großeltern der Mutter des Ich-Erzählers zeigen konnten, wenn die Geschichte der Herkunft doch erstunken und erlogen ist? Ärgs.

Nun aber auf zum letzten Abschnitt. Ich denke, spätestens am Wochenende sollte ich den Roman auch beenden!
 
  • Like
Reaktionen: Querleserin

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.835
7.675
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
So, auch ich habe den Roman nun beendet. Er endet - irgendwie auch zerfasert, *seufzt*. Insofern ist sich der Autor treu geblieben, doch kann ich das Buch nun ohne ein Gefühl des Bedauerns schließen. Die Begegnung zwischen dem Großvater und von Braun war - bemerkenswert unspektakulär?! Alles hat sich relativiert, von Braun war auch nicht schlimmer als andere ehrgeizige erfolgreiche Menschen der Weltgeschichte?! Im Alter relativiert sich alles - oder wie? Ich war doch einigermaßen verblüfft. Das Pinkeln zieht sich auch als ein Motiv durch den Roman - zumindest im letzten Drittel? Von Braun, der bei der Preisverleihung an eine Benjaminus Ficus pinkelt, der Großvater, der das nächtliche Prasseln des Urins an die diversen Rundungen der Toilettenschüssel begrüßt, weil dies die nächtliche Einsamkeit vertreibt. Hm. Merkwürdige Bilder. Morgen mache ich mir mal Gedanken über die Rezension...
 
  • Haha
Reaktionen: Querleserin

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.835
7.675
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
So, die Rezension ist geschrieben. Und ich habe gerade auch Deine gelesen. Wie ich sehe, haben wir ähnlich begonnen... :D Bei mir wurden es letztlich nur 3 Sterne, aber mit der Summe (3,5 Sterne) kann ich gut leben! ;) Ein interessanter Roman und eine angenehme Leserunde. Gerne wieder! :)
 
  • Like
Reaktionen: Querleserin

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.068
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
So, die Rezension ist geschrieben. Und ich habe gerade auch Deine gelesen. Wie ich sehe, haben wir ähnlich begonnen... :D Bei mir wurden es letztlich nur 3 Sterne, aber mit der Summe (3,5 Sterne) kann ich gut leben! ;) Ein interessanter Roman und eine angenehme Leserunde. Gerne wieder! :)

Da schließe ich mich an. Sehr angenehm! Und mit 3,5 lässt sich wirklich gut leben ;)