Rezension Rezension (4/5*) zu Unter Fremden: Kriminalroman von Jutta Profijt.

wal.li

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1. Mai 2014
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Madiha

Schon in Syrien hat es Madiha in der Familie nicht leicht gehabt. Mit letzter Kraft ermöglicht ihr Vater ihr die Flucht. Nur mit Hilfe eines weiteren Flüchtlings mit Namen Harun schafft Madiha es nach Deutschland zu gelangen. Als Harun eines Tages verschwunden ist, reagiert Madiha sehr besorgt. Sie beginnt Fragen nach Haruns Verbleib zu stellen und eine Betreuerin begleitet Madiha zur Polizei, um Haruns Verschwinden anzuzeigen. Bald darauf wird Madihas Spind angezündet und sie beginnt, sich beobachtet zu fühlen. Der kleine Straßenjunge Faisal ist ihr zunächst eher eine Last, aber bald wird der Junge so etwas wie Familie für Madiha.

Wie ist es, sich in einem fremden Land aufzuhalten, in dem man zwar die Sprache leidlich beherrscht, die Gepflogenheiten aber nicht kennt und nicht weiß, wo man wie hingelangt, wie man Informationen bekommt, wie das Leben funktioniert. Setzt man jeden Schritt noch vorsichtiger als es eine alte Verletzung eh schon verlangt, tritt man mutig auf oder ängstlich. Fühlt man sich ein wenig wie ein Blinder, für den ja auch alles sehr fremd wirken muss. Und doch, trotz aller Umstände, die vielleicht dazu führen könnten, den Kopf einzuziehen und die Ereignisse geschehen zu lassen, Madiha lässt nicht locker. Harun hat ihr geholfen und nun will sie ihm ihre Dankbarkeit erweisen, indem sie ihm hilft.

Dieses Hörbuch ist sehr eindringlich vorgetragen von Eva Meckbach, man beginnt tatsächlich, den Versuch zu starten, sich in Madiha hineinzuversetzen. Natürlich kann das nicht zur Gänze gelingen, schließlich war man noch nicht in der Fremde, um zu bleiben. Mit einem Urlaub ist es gewiss nicht zu vergleichen, auch wenn man dort manchmal die Unsicherheit spüren kann, die ein nicht Beherrschen der Sprache oder die Konfrontation mit anderen Schriftzeichen mit sich bringen können. Doch man selbst hat die Sicherheit, wieder heimzukönnen. Madiah hat noch nicht einmal die Sicherheit, dem Krieg entflohen zu sein. Dennoch strafft sie ihre Schultern und geht voran. Ihr Weg verlangt ihr etliches ab, doch sie hat auch die Chance eine neue Familie zu finden. Wenn Vertrauen auf der einen Seite enttäuscht wird, kann es vielleicht doch an anderer Stelle aufgebaut werden.

Ein spannender Kriminalroman aus einer außergewöhnlichen Perspektive berichtet, der sich als würdiger Preisträger des Friedrich Glauser Preises 2018 erweist. Selten hat man so einen packenden Einblick in die Welt der Flüchtlinge bekommen können.
4,5 Sterne

 

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