Diskussionen zum siebten Kapitel unserer Leserunde Weltliteratur zu "Der Zauberberg" von #thomas mann
Interessant, wie subtil boshaft Thomas Mann hinter der Fassade des Großliteraten sein konnte. Denn mit dem angeblich fiktiven Mynheer Peeperkorn, dem "dummen, alten Mann" porträtierte der damals 37jährige Thomas Mann tatsächlich seinen Autorenkollegen Gerhart Hauptmann, der 1912 den Nobelpreis bekommen hatte.
Bereits in dem Namen der Russin steckt "Claw" - die Kralle und "chaud" und "chat" bedeutet heiß. In Kombination haben wir es also mit einer heißen Katze, einer Femme Fatale zu tun. Da passt dein Attribut "verschwörerisch" ganz gut dazu, meine ich.Interessant, dass sie sich nicht dabei anschauen, sie steht hinter ihm. Das hat was Verschwörerisches.
Ich erinnere mich dabei an dieses WerkIch habe schon von anderen Fällen gehört, in denen ein Schriftsteller die Gefühle von Bekannten oder Freunden verletzt hat, indem er sie zum Vorbild für Figuren im Roman genommen hat.
Jetzt hat Walser einen Roman geschrieben, der eine Variante seiner Königsfigur ins Zentrum der (man muss es immer wieder sagen: fiktiven) Handlung stellt. Und diesmal lehnte Schirrmacher den Vorabdruck unter dem Vorwurf "antisemitischer Klischees" kategorisch ab. Dünnhäutig sprach Reich-Ranicki gar von realen Mordfantasien Walsers gegen seine Person. In einer beispiellosen Literaturbeilagen-Kampagne schlug der (unterstellte) Rufmord an einem konkreten Kritiker in tatsächlichen Rufmord an Martin Walser um. Lesen Sie hierzu unseren Artikel zur "Walser-Debatte".
Dabei wird in Tod eines Kritikers niemand ermordet, auch Literaturpapst André Ehrl-König nicht. Der Fernsehstar der Bücher-Talkshow "Sprechstunde" hatte es gewagt, ein Buch des Schriftstellers Hans Lach publikumswirksam zu verreißen. Bei einer Party im Hause von Lachs Verleger treffen beide handgreiflich aufeinander. Als am nächsten Morgen Ehrl-Königs gelber Kaschmirpullover blutüberströmt, aber ohne menschlichen Inhalt, im Neuschnee liegt, gerät Lach unter Mordverdacht. Vorverurteilungen, auch seitens der Kriminalpolizei, sind die Folge. Nur der Münchner Historiker Michael Landolf will Lachs Unschuld beweisen. Bis plötzlich Ehrl-König unversehrt wieder auftaucht und sich alles entpuppt als groteske Liebesfarce -- und der vermeintliche Krimi als Possenspiel über die komischen Mechanismen öffentlicher Meinungsbildung.
Seit über 25 Jahren findet sich in Walsers Notizbüchern das Kürzel "T. e. Kr.", "Tod eines Kritikers", wieder. Beleg dafür, dass das eng mit seiner Beziehung zu Reich-Ranicki verknüpfte Thema den Autor schon seit langem quälte. Mit diesem Roman ("Für die, die meine Kollegen sind") hat er sich seine Wut über den absurden Literaturbetrieb von der Seele geschrieben, um selbst Opfer einer publizistischen Farce zu werden. Vielleicht hat sich Walser nur mit verbalen Mitteln gegen verbale Attacken zur Wehr gesetzt. Ob das letztlich ausreicht für ein gutes Buch, muss jeder für sich selbst entscheiden. --Thomas KösterKaufen
das scheint es ja öfter zu geben. Der französische Autor Boris Vian etwa lässt in seinem Roman "Schaum der Tage" einen eitlen, dandyhaften und größenwahnsinnigen Autor Jean-Sol Partre auftreten, der dann auch im Buch ermordet wird. Nobelpreisträger Jean-Paul Sartre nahm es mit Humor und förderte den jungen Vian.Letzterer ließ an Martin Walser kaum ein gutes Haar, da hst er Rache genommen
Ab und an streut Mann kleine Wortspielchen ein, die mich zum Lachen bringen, wie die Perlenkette zum Beispiel, "die kaum als Zeugnis transkaukasischer Gattengalanterie verstanden werden dürfte" oder "Peeperkorn, das Bacchanal mit lanzenspitzen Kulturgebärden leitend" und vieles mehr...
Machen das Autoren heutzutage auch noch? ich glaube eher nicht, dass da der Leser direkt angesprochen wird.Schön finde ich immer die Stellen, in denen der Erzähler in Erscheinung tritt und uns z.B. mitteilt, dass wir eine bestimmte Szene nicht weiter verfolgen werden u.Ä.
Ja. Absolut!Mit tausend Anspielungen. Das macht schon großen Spaß das zu lesen.
Sie schließen ja auch Freundshaft miteinander und sei es nur zum Wohle von Pepperkorn. Interessant wieder die leicht abschätzigen Bemerkungen der Großen Frau: ".... deutsches Hänschen". Die nimmt ihn nicht für voll, die Beziehung ist klar nicht auf AugenhöheBei diesem Dialog zwischen Hans und Frau Clowdia kommt es ja richtiggehend zum Austausch von Zärtlichkeiten. Wie schön für Hans!
Die Homoerotik habe ich auch auf S. 805 entdeckt. Dort wird angedeutet, dass Settembrinis Verhältnis zum Männlichen durchaus nicht nur gesellschaftlich-hahnenmäßiger Natur sei und er deshalb ein gestörtes Verhältnis zur Eifersucht seines Schülers habe...im Sinne von Homoerotik zu deuten?
Das ginge sogar mir so! Ich fand die Gespräche von Pepperkorn und Hans weit spannender als die Ergüsse von Settembrini und Naphta, bei denen ja auch keine Blitze mehr zucken.dann würden die Leute sich dennoch sofort um Peeperkorn scharen.
Da bin ich ganz bei Dir. Settembrini finde ich ja sympathisch und originelle, aber Naphta ist ein blitzgescheiter Unsympath und Fanatiker, bei dem man seines Lebens nicht sicher wäre, wenn er an der Macht wäre. Ich habe ihn mir manchmal vorgestellt als Mitglied in der Runde der Inquisitoren bei "Der Name der Rose".Das ginge sogar mir so! Ich fand die Gespräche von Pepperkorn und Hans weit spannender als die Ergüsse von Settembrini und Naphta, bei denen ja auch keine Blitze mehr zucken.
Thomas Mann ist ein unglaublich guter Beobachter. Mich würde schon interessieren, ob der eine oder andere Dialog so ähnlich irgendwo mal stattgefunden hat.Auch das gemixte du und sie am Ende des Abschnittes fand ich glaubwürdig und originell.
Der Abgang von Mynheer Peeperkorn kommt ja wie ein Paukenschlag. das hätte ich nicht gedacht, nachdem sie davor noch den Ausflug zum Wasserfall unternommen haben. Kurzschlusshandlung sieht es angesichts des ausgetüftelten Giftschlangengerätes auch nicht eben aus.Nach der Abreise von Frau Chauchat und dem Tod von Mynheer Peeperkorn ist für Hans alles grau und sinnlos geworden. Das Leben auf dem Zauberberg hat seinen Zauber zunächst mal verloren.
War er selber auch so krank?
Frau Chauchat scheint unegachtet ihrer Krankheit zu kommen und zu gehen. Interessant fand ich auch, dass sie überhaupt keine Anstalten macht irgendeinen Hinweis darauf zu geben, wie Hans sie eventuell erreichen könnte.
Ja, so kam es mir auch vor @LeseglückIrgendwie scheint Thomas Mann der Meinung zu sein, dass zu dem Thema Liebesaffäre auf dem Zauberberg nun alles gesagt wurde und eine Fortsetzung nichts Neues mehr bringt.
Das kann ich mir nicht vorstellen. Eher könnte an Deiner zweiten Vermutung etwas dran sein, dass er nicht als bettlägeriger alter Mann in einem Sanatorium enden will. Über seinen tatsächlichen Gesundheitszustand wissen wir ja relativ wenig. Er scheint aber auch beim Ausflug zum Wasserfall schon den Plan gehabt zu haben. Das war sozusagen seine Abschiedsfahrt in dieser Welt.Zum Selbstmord von Peeperkorn habe ich mir auch Gedanken gemacht. Wollte er den Weg für Hans freimachen?
Er spricht also zu sich selbst, man könnte auch sagen er betet vor großartiger Kulisse.