Sechstes Kapitel

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29. Oktober 2013
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Diskussionen zum sechsten Kapitel unserer Leserunde Weltliteratur zu "Der Zauberberg" von #thomas mann
 

Helmut Pöll

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9. Dezember 2013
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Das sechste Kapitel beginnt mit einer Art Auflösung der bisherigen Bindungen. Bislang hatte der Aufenthalt im Sanatorium für Hans und Joachim bei aller Krankheit auch das Flair eines mondänen Urlaubs.

Aber jetzt zeichnet sich ab, dass Joachim abreisen wird, während Hans noch bleiben muss. Und wichtiger noch: der Abschied von Settembrini. Er ist unheilbar, wie er den beiden Cousins verkündet. Es gibt keine Hoffnung für ihn, jemals ins Tiefland bzw. seine Heimat zurückzukehren. Settembrinis Krankheit ist so weit fortgeschritten, dass er nur in der Höhenluft überleben kann. Deshalb verlässt er das Sanatorium und zieht ins Dorf. Für Hans Castorp bedeutet das den gesprächigsten Ansprechpartner zu verlieren. So wie die anderen Hotelgäste geschildert wurden, scheint es da keinen gleichwertigen Ersatz zu geben.
 

Helmut Pöll

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Kann es sein, das sich die Stimmung zwischen Joachim und Hans ein wenig eingetrübt hat? Oder täusche ich mich.

Aber all das wird in den Schatten gestellt durch das Auftauchen von Settembrinis Pensionsnachbar Naphta. Der ist mit ihm rhetorisch in jedem Fall auf Augenhöhe, auch wenn er bei seinem ersten Auftreten nicht gerade sympathisch rüberkommt.

Diese über 100 Jahre alte Diskussion ist erstaunlich modern. Während Weltbürger Settembrini ein Kind der Aufklärung ist, spricht Naphta der Religion und dem Gottesstaat das Wort. ich habe zu Naphta und Settembrini einen interessanten Artikel in der Osnabrücker Zeitung gefunden.

https://www.noz.de/deutschland-welt/kultur/artikel/124758/weltburgertum-oder-gottesstaat
 

Helmut Pöll

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Kann es sein, dass Settembrini ein wenig eifersüchtig auf Naphta ist, weil Joachim und Hans seine Gesellschaft suchen? Mir kommt es so vor. Naphta allerdings ist mir unheimlich. Mit seiner Aussage, dass die Kirche immer über der staatlichen Ordnung stehen sollte, erinnert er mich an die Vorgänge in einigen mittelalterlichen Romanen, die ich dieses Jahr gelesen habe. ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es aussehen würde, wenn Leute wie Naphta an die Macht kämen. Gruselig.
 

Helmut Pöll

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Joachim ist endgültig zurück ins Tal, ins "Flachland", wie Thomas Mann schreibt, und der verbliebene Hans Castorp muss sich wohl oder übel alleine in dem berghof einrichten. So steif wie das damals zugegangen ist, wr das sicher kein Zuckerschlecken.

Onkel James kommt zu Besuch. Er ist wohl der Gesandte, der abklären soll, ob noch Hoffnung auf Rückkehr des Neffen besteht, oder ob man ihn ganz dem Zauberreich überlassen muss.

Immer wieder kommt Thomas Mann auf das Übersinnliche, eben auch auf eine Art Zauberei zu sprechen, so etwa, als er die Geschichte des konvertierten Juden Naptha erwähnt. Dessen Vater hatte wohl ganz besondere Heilkräfte, wofür er letztlich mit dem Leben bezahlen musste. @Krischan , @Literaturhexle
 
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So, ihr Lieben Weltliteraten!
Ist das nicht eine wunderbare Aussicht, um wieder in die Davoser Berge einzutauchen? Das Wetter könnte noch etwas besser sein, aber ich bin nicht unzufrieden. Gerade habe ich noch die letzten Seiten von "Über uns" vor der Nase, aber dann geht es weiter...

Toll, dass das so schnell geklappt hat, @Helmut Pöll mit dem Bilder Einfügen. War überhaupt kein Problem auch für Nicht-Techniker wie mich! Klasse. Ein Gewinn!
 
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Helmut Pöll

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Der Jesuit Naphta wird mir immer unheimlicher. Bei einem Zusammentreffen mit Settembrini, Hans und einigen anderen Patienten diskutieren sie über verschiedenste Themen, unter anderem auch über die Todesstrafe und Folter.
Naphta spricht sich unter anderem für die Bastonade aus, dafür ihn der Mensch primär Seele ist und man deshalb mit dem Körper mehr oder weniger machen könne, was man wolle. Das ist die Sprache der Inquisition, der er sich da bedient. Umso mehr weiss ich Settembrini zu schätzen, weil er tapfer dagegen hält, auch wenn er mir im richtigen Leben vermutlich ein wenig zu viel quasseln würde.. ;)
 

Literaturhexle

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@Helmut Pöll : du scheinst gabz schön weit voraus zu sein. Naphta hsbe ich noch nicht kennengelernt. Ich habe erst den ersten Abschnitt "Veränderungen" (S.505) im 6. Kapitel beendet und muss mich erst wieder einlesen. Will sagen, dass das Tempo etwas eingeschlafen ist.

@Leseglück: wo steckst du im Zauberberg fest?
 

Literaturhexle

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Nun habe auch ich Naphta kennengelernt. Joachim hat gleich Vorbehalte gegen ihn als Mensch. Er sei miekrig von Figur und habe eine Judennase (!)
Hans scheint beeindruckt. Den Dialog der beiden habe ich wieder mit großem Interesse verfolgt. Der politische Diskurs zwischen Settembrini und Naphta zuvor war mir einige Nummern zu hoch. Deren Weltanschauungen konnte ich nicht nachvollziehen, da war der kurze Link oben eine feine Zusammenfassung.
Ich hoffe im Stillen, dass die zweite Hälfte dieses Romans jetzt nicht zu sehr ins Politisch-philosophische abgleitet. Das wäre nach der tollen ersten Hälfte schade.
(S. 531)
 

Helmut Pöll

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Ich hoffe im Stillen, dass die zweite Hälfte dieses Romans jetzt nicht zu sehr ins Politisch-philosophische abgleitet. Das wäre nach der tollen ersten Hälfte schade.
Die Diskussionen zwischen Naphta und Settembrini haben tatsächlich Längen. das würde heute kein Lektor mehr durchwinken, glaube ich @Literaturhexle
 
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@Literaturhexle danke für das schöne Bild. Kannst du schon nachvollziehen, dass Hans Castrop nicht mehr ins Flachland zurück will?;) (das sollte nur ein kleiner Scherz sein, ich weiß ja, dass es dir bei uns im Unterland gefällt)

Ich bin im Abschnitt: "Jähzorn. Und noch etwas ganz Peinliches"
Wie @Helmut Pöll bin ich entsetzt über die Anschichten von Naphta. Dieser würde am liebsten einen Gottesstaat errichten in dem es zusätzlich total kommunistisch zugeht, also Handel, Eigentum, sogar Geld verboten ist. Wie der IS nur noch schlimmer.
Interessant finde ich hier, dass Naphta das Leben des Individuums, das irdischen Leben an sich, als völlig belanglos und nebensächlich abwertet.

Hans Castrop scheint an der Philosophie Naphtas interessiert zu sein. Das kann man kaum nachvollziehen. Ich interpretiere das so, dass Naphta für seine Tendenz steht, auf dem Zauberberg zu bleiben, für seine Faszination für den Tod und für das Ablehnen des normalen, irdischen Lebens im Flachland.

Joachim tut mir sehr leid. Er hat Tränen in den Augen. Dies bei einem Menschen, der sich maximal beherrschen will. Der Arme, er möchte am Leben teilnehmen und kann nicht...Hans könnte am Leben teilnehmen und will nicht.
Interessant fand ich Hans Castrops Gedanken zur Abreise seines Vetters. Er bekommt Angst, dass er niemals vom Zauberberg weg kommt wenn Joachim nicht mehr hier ist.

Ich lese gespannt weiter...
 
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Helmut Pöll

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Interessant finde ich hier, dass Naphta das Leben des Individuums, das irdischen Leben an sich, als völlig belanglos und nebensächlich abwertet.
Dafür, dass er das irdische Leben so belanglos findet, hat er sich aber ziemlich luxuriös eingerichtet ;)

Hans Castrop scheint an der Philosophie Naphtas interessiert zu sein.
Ich hatte manchmal den Eindruck, dass Hans Castorp ein wenig eitel ist und einfach mitquatschen will, auch wenn er vom Thema nicht viel versteht. Settembrini bremst ihn ja das eine oder andere mal ziemlich aus.
 
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Wir sind heute wirklich netto 6 Stunden gewandert: herrliche Berglandschaft, schöne Wanderwege hoch zur Wolnayersee-Hütte in 1.960 Meter ü.M.
Zum Vergleich liegt Davos in 1.560 Meter Höhe. Selbst wenn die Klinik noch ein paar Meter über dem "Dorf" liegt, war ich heute weiter oben. Thomas Mann beschreibt den ewigen Winter so wunderbar: es scheint nur ganz wenige wirkliche Frühlings- und Sommerwochen zu geben... Seine Beobachtungen fußen Anfang des letzten Jahrhunderts, seitdem hat sich das Klima merklich verändert: Heute sieht man nur noch vereinzelt Schnee auf den Bergspitzen, auch wenn wir heute das ein oder andere Schneefeld queren mussten, zeigte die Vegetation klar den Frühling an, es war auch überhaupt nicht kalt.
Nach diesem aktiven Bergtag ist morgen Ruhe angesagt. Dann hoffe Ich, ein wenig zu euch aufschließen zu können ;)
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Leider hat die Sonne erst auf dem Rückweg geschienen.
Die Abgeschiedenheit der Bergwelt ist einzigartig. Dennoch stelle ich mir das Sanatorium Berghof anders vor, eher wie eine Insel in der Abgeschiedenheit der Davoser Berge.
Das zweite Bild zeigt den See, auf dem noch ein wenig Eis schwimmt...
 

Literaturhexle

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Gestern Abend im Heute Journal ging es um die interessante, aktuelle Diskussion, auf die auch Helmut weiter oben Bezug nahm: die Demokratie überlebe sich selbst, in Folge wähle die Mehrheit eine "Abkehr vom Establishment", wie wir in USA, Ungarn, Türkei sehen. Auch der Oligarch Putin sei ein gutes Beispiel für die Trendwende...
Nicht jeder argumentiert freilich mit dem Gottesstaat, aber dennoch zeigen sich unruhige Zeiten für die Demokraten und die Settembrinis dieser Welt...

Mich hat auch überrascht, wie klar Hans die Tatsache sieht, dass er wohl alleine nie wieder ins Flachland kommen wird. Die beiden Vettern kamen mir wie siamesische Zwillinge vor, fast überall traten sie gemeinsam auf. Das wird für den Zurückbleibenden eine Aufgabe, sich nun alleine einzugliedern.

Behrens' Ausbruch fand ich witzig! Schon oft hat sich mir der Verdacht erhärtet, dass man die bestimmt gut bezahlten Sanatoriumsplätze gefüllt wissen will. Diese Liegekuren, das Dogma des Thermometers....- alles Quacksalverei! Wie passen die eisigen Zimmertemperaturen bei Lungenkranken dazu?

Ich freue mich mit Joachim, dass er sich losgeeist hat- wenn auch die Zukunft im Regiment angesichts der Jahreszahl und dem Bevorstehen des Großen Krieges nicht allzu rosig aussieht.

Hans ist für mich eine Art Drückeberger: er genießt das verantwortungslose Leben auf dem Berg. Und er neigt zur Schwafelei, da gebe ich @Helmut Pöll recht. Er ist in den diskutierten Theorien nicht annähernd so bewandert wie Settembrini und Naphta. Letzterer predigt natürlich Wasser und trinkt Wein (Luxus im Zimmer). Aber das tun doch die meisten Diktatoren in der Welt...

Nun lese ich den nächsten Abschnitt "Abgewiesener Angriff".
 

Literaturhexle

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Ja, den Angriff von Großonkel Tienappel hat der gute Hans abgewehrt ;)

Sehr deutlich trat die Diskrepanz zwischen den Menschen aus dem Flachlande und Denen dort oben hervor. Hans interessiert sich schon überhaupt nicht mehr für die Belange seiner Heimat und der Menschen dort. James indessen kann die "Lustbarkeit einer Krankheit" nicht nachvollziehen und spricht von fünf Vierteljahren "Ferienaufenthalt" seines Neffen.

Doch auch der Konsul spürt schnell, dass auch ihm der "Geist des Flachlandes" abhanden kommt, er schnell beginnt, sich krank zu fühlen und die Gefahr für ihn selbst besteht, dauerhaft im Sanatorium zu landen...

Das Personal des Berghofes arbeitet schon ziemlich effektiv zusammen. Mich erinnert das an ein Fangnetz, dass sich immer fester zusammenzieht, angefangen mit der Bemerkung Behrens', dass ein neuer Besucher "anämisch" sei....
Es ist ein ritualisiertes Vorgehen dabei, um neue Patienten in den Berghof zu führen. Natürlich kommt auch etwas Magisches hinzu, dass den Berg zu einem Zauberberg macht. Zum Beispiel, dass sich die Besucher von Anfang an müde und fiebrig fühlen. Das kann doch nicht nur dem Klimawechsel geschuldet sein.

Am Ende dieses Abschnittes befreit sich Tienappel mit der Reißleine aus der Gefahr, auch ihn hatte dieses müßige Leben bei guter Kost, Frau Redischs Dekolleté und Liegekur gelockt.

Ein Wort zu den neuen Gefährten von Hans: Sicherlich ist es kein Zufall, dass er an einem recht langweiligen Tisch gelandet ist und seine neuen Begleiter eher schwächere Naturen zu sein scheinen, die zu ihm eher aufschauen, denn Kritik an ihm üben würden. Zudem scheint Ferdinand Wehsal auch eine Passion für Clawdia zu hegen.
 
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