Rezension Rezension (5/5*) zu Krokodilwächter von Katrine Engberg.

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Buchinformationen und Rezensionen zu Krokodilwächter von Katrine Engberg
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Neues Ermittler-Duo aus Kopenhagen

Von Katrine Engberg habe ich bisher noch keinen Thriller gelesen, das puristische Cover, das mit den "Schnitten" schon einen Vorgeschmack auf den Fall gibt, haben mich so neugierig wie der Titel gemacht. Was ist ein Krokodilwächter?

"Ein kleiner Vogel, der von den Essensresten im Maul eines Krokodils lebt. Der Vogel erhält Nahrung, und dem Krokodil werden die Zähne gesäubert. Deshalb frisst es den Vogel nicht, und alle sind glücklich."(437)

Worum geht es?
Am 8.August, einem Mittwoch, findet Gregers, ein älterer Herr, die Leiche der jungen Julie Stender, die im selben Haus im Herzen Kopenhagens wohnt - gemeinsam mit ihrer Freundin Caroline. Da die Wohnungstür offen steht, will Gregers nachsehen, ob bei den beiden jungen Frauen alles in Ordnung ist, und fällt auf einen Stapel Schuhe in den Flur hinein.

"In dem Schuh, der halb unter seiner alten, schmerzenden Hüfte lag, steckte ein Bein, das in einem verrenkten Körper endete. Es sah aus wie das Bein einer Schaufensterpuppe, aber Gregers spürte weiche Haut an seiner Hand. Er zuckte zusammen und zog die Hand hervor. Da war Blut. Nicht nur auf der Hand, sondern auch auf dem Boden, an den Wänden. Überall Blut." (S.12)

Die beiden Ermittler Jeppe Körner und Anette Werner nehmen sich dem Fall an. Seit Jahren arbeiten sie gern zusammen.

"Offenbar waren sie gemeinsam ein starkes Team, obwohl sie das beide gar nicht so wahrnahmen. (...) Er hielt sie für einen Bulldozer, und sie bezeichnete ihn als verzärtelt und old fashioned." (S.22)

Gemeinsam vernehmen zunächst die Besitzerin des Hauses, die im obersten Stockwerk wohnt: Esther de Laurenti, pensionierte Universitätsprofessorin im Bereich Literaturwissenschaft.

Seit sie im Ruhestand ist, verbringt sie ihre Freizeit mit Singen und Schreiben - und mit dem übermäßigen Konsum von Rotwein, wie ihr Untermieter Gregers ihr unverblümt mitteilt, als sie ihn im Krankenhaus besucht.
Seit vier Jahren hat sie einen Gesangslehrer, Kristoffer, mit dem sie inzwischen eine enge Freundschaft verbindet, er hilft ihr mit den Hunden, beim Haushalt und kümmert sich um sie. Er hat eine Karriere als Sänger aufgegeben, arbeitet stattdessen als Garderobier im Königlichen Theater. Bei der ersten Vernehmung entpuppt er sich als seltsam verschlossen, gibt aber zu, eine Beziehung mit Julie gehabt zu haben.

Julies Vater Christian Stender erleidet einen Zusammenbruch, als er vom Mord an seiner Tochter entfernt, trotzdem erregt er Jeppes Verdacht - irgendetwas an seinem Verhalten verhindert, dass Jeppe Empathie mit ihm empfindet.

Das Mordfall sorgt innerhalb der Polizei und in den Medien für Aufruhr, da der Täter in Julies Gesicht mit einem scharfen Messer ein Muster geschnitten hat.

"Es sieht aus, als hätte der Täter für uns eine kleine rätselhafte Nachricht ins Gesicht geritzt." (S.32)

Viel seltsamer ist die Tatsache, dass der Mord einem Manuskript zu folgen scheint, das Esther geschrieben hat und das auch im Roman zwischen den einzelnen Kapiteln zu lesen ist.
Veröffentlicht hat sie es in einer Schreibgruppe, die nur noch aus zwei weiteren Personen besteht, die scheinbar nichts mit dem Mord zu tun haben können? Wer hätte einen Zugriff auf das Manuskript haben können, in dem eine junge Frau einen Mann auf der Straße kennen lernt und den sie mit nach Hause nimmt.

Genau davon hatte Julie Esther erzählt und sie damit "zum ersten Teil des Krimis angeregt [...]. Und dann hat er sich vom zweiten Teil des Manuskripts zum Mord inspirieren lassen. Realität - Buch, Buch - Realität. Verwirrend." (S. 188)

Verwirrend bleibt der Krimi, denn es tauchen Details aus Julie Vergangenheit auf, die ein neues Licht auf den Fall werfen und lange kann man die Verbindung zwischen den einzelnen Fäden nicht sehen.

"Er konnte noch immer nicht das gesamte Bild überblicken, aber das war das Puzzleteilchen, das alles in Übereinstimmung brachte." (S. 474)

Bewertung
Ein spannender und intelligenter Thriller, der ab der Mitte einen solchen Sog entwickelt, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen will. Die Handlung ist komplex, viele Fäden scheinen zunächst ein verwirrendes Knäuel zu bilden, bis sich am Ende alles zu einem roten Faden spinnt, der uns in einen unglaublichen, menschlichen Abgrund blicken lässt.

Wie so oft in den skandinavischen Krimis spielen die Motive und die Psychologie des Täters eine große Rolle und stehen ebenso wie die Ermittler selbst im Mittelpunkt. Die einzelnen Figuren sind ausgearbeitet - keine bleibt oberflächlich. Dadurch, dass die Ermittlungsarbeit aus der personalen Perspektive Jeppes geschildert wird, erfahren wir von seinem Privatleben am meisten. Erscheint er zu Beginn als frustrierter, deprimierter Polizist, der unter seiner Scheidung leidet, überwindet er im Verlauf der Handlung teilweise seine Krise. Von Anette erfahren wir weniger, dass sie glücklich verheiratet ist, keine Kinder hat und sehr ungeduldig ist. Da auf der Buchrückseite verheißungsvoll angekündigt wird, dass dies der erste Fall "einer neuen Kopenhagen-Thriller-Serie" ist, dürfen wir auf weitere Details und spannende Fälle hoffen.

Im Krimi reflektiert Esther über das Schreiben eines Krimis:

"Einen Krim zu schreiben ist ungefähr ähnlich schwierig wie der Versuch, einen Zopf aus Spinnweben zu flechten: tausend Fäden kleben an den Fingern und reißen, wenn man sich nicht konzentriert." (S.333)

Die Fäden dieses Romans sind nicht gerissen - beste Krimi-Unterhaltung. Mehr davon!

 

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29. Oktober 2013
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