1. Leseabschnitt: Kapitel 1 bis 5 (S. 9 - 69)

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Ihr Lieben, nach den Erfahrungen in den letzten Leserunden bitte ich Euch ganz herzlich, diesmal genauer darauf zu achten, wo ein Abschnitt endet und hier keine Details zu verraten, die erst später im Buch kommen. Ich denke, jeder von uns möchte den Roman selbst entdecken. Ich finde es überaus frustrierend, immer schon Dinge im voraus zu erfahren. Danke! :)
 

wal.li

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1. Mai 2014
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Der erste Abschnitt ist gelesen und durch das Buch kommt man gleich wieder in so eine spezielle Stimmung. Allem Anschein nach fängt es von hinten an, mit dem Brand. Dann geht es in einer Art Rückblende von vorne los, mit dem Einzug von Mia und Pearl. Beide werden beschrieben und auch Pearls beginnende Freundschaft zu Moody. Ein wenig wird der Eindruck erweckt, als ob Pearl von Moodys Familie vereinnahmt wird und sich auch vereinnahmen lässt. Damit ist ihre Mutter wohl nicht ganz einverstanden. Doch so richtig versteht man noch nicht, wieso Pearl und ihre Mutter so ein unstetes Leben führen und wieso es brennt. Das kommt sicherlich noch. Ich meine, mich zu erinnern, dass das erste Buch auch so ähnlich aufgebaut war. Zunächst mal geht es etwas langsam los, ich denke, man kann erwarten, dass je mehr man erfährt, desto mehr Spannung wird aufkommen.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Was den Beginn betrifft, habe ich auch an Ngs ersten Roman gedacht. Auch da war ja nicht alles so, wie es zunächst schien...

Das Haus der Robertsons brennt. Alles deutet auf Brandstiftung hin. Die Familie verdächtigt sofort die jüngste Tochter Izzy, über die wir im ersten Abschnitt nicht viel erfahren, außer dem, was die Geschwister über sie sagen: demnach muss sie etwas abgedreht und seltsam sein. Moody versteht sich gut mit ihr, Trip und Lexie behandeln sie nach dessen Ansicht "wie einen Hund". Sie könnte ein Sündenbock für die beiden Älteren sein, die ihre Täterschaft allein dadurch bestätigt sehen, dass sie am Abend des Brandes nicht zu Hause ist.

Der Erzähler scheint diesem Verdacht aus meiner Sicht zu widersprechen: Mia und Pearl haben ihre Wohnung aufgegeben, den Schlüssel in den Briefkasten der Robertsons gesteckt. Der Erzähler weist mindestans zweimal darauf hin, das niemand an sie gedacht habe. Dadurch geraten sie in mein Verdachtsumfeld...

Anschließend wird geschildert, wie Moody und schließlich dessen ganze Familie Pearl kennenlernen und freundlich aufnehmen. Bis jetzt empfinde ich es nicht als "vereinnahmen", wie @wal.li schreibt. Hier prallen zwei Lebenswelten aufeinander, die Robertson-Kinder verhalten sich aber in keiner Weise überheblich, obwohl sie die Unterschiede durchaus wahrnehmen.

Warum hat Mia Tränen in den Augen, als Pearl fragt, ob sie ein gewolltes Kind gewesen sei? Da verbirgt sich ein Familiengeheimnis...

Ich bin im Buch angekommen, das mir bis jetzt wieder sehr gut gefällt.
 

Momo

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10. November 2014
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Mir gefällt das Buch auch total gut, kann mit dem Lesen leider gar nicht aufhören. Ich finde Mrs Richardson ein wenig überheblich Mia gegenüber. Als der Mann sie fragt, was Mia beruflich machen würde, gab sie eine abfällige Antwort.

[zitat]>>Sie ist irgendeine Künstlerin<<, hatte Mrs Richardson gesagt, und als ihr Mann gefragt hatte, was für eine, antwortete sie scherzhaft: >>Eine, die am Hungertuch nagt.<<[/zitat] (21)

Dass Mia Künstlerin ist, wird eher belächelt. Selbst Moody fragt Pearl, warum die Mutter nicht mehr Stunden pro Woche arbeiten würde, als sie ihm klar machte, dass sie nicht über dieselben Mittel verfügen würde wie er. Pearl verteidigt ihre Mutter, dass sie doch einen Job habe, sie sei Künstlerin.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich finde Mrs Richardson ein wenig überheblich Mia gegenüber.
Stimmt. Das war so, hatte ich nicht mehr dran gedacht. Allerdings sagte sie das nur zu ihrem Mann. Die Wohnung an relativ Mittellose zu vermieten, ist ja auch so etwas wie ein Sozialprojekt von Mrs Richardson... Das kann man so und so sehen. Mal schauen, was wir noch über das Ehepaar mitbekommen.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Ich konnte leider erst etwas verspätet in die Lektüre einsteigen, da mein Koffer bei einem Flug nicht mitgeliefert worden ist (und mit ihm das Buch) und erstmal Warten angesagte war. Jetzt bin ich aber eingestiegen und möchte zu dem, was oben schon über die Figuren gesagt/geschrieben worden ist, noch etwas zur Umgebung und Atmosphäre hinzufügen. Es ist eine Umgebung, die durch Planung geprägt ist. Shaker Heights ist/war ein Architekturprojekt, das sich vollkommen an den Anforderungen seiner erwünschten Bewohner zu orientieren versucht und in dem sie ihre "normalen" Leben ganz einfach und unkompliziert leben können. Mehr noch: Die Geschichte von Shaker Heights sind die Shakers, von denen nicht mehr viele übrig geblieben sind. Aber der Ursprung der Siedlung ist trotzdem mit ihnen verbunden. Moody berichtet Pearl:
"Shaker Heights war zwar nicht nach Shaker-Grundsätzen gegründet worden, doch es folgte gleichermaßen der Idee, eine Utopie zu schaffen. Ordnen - und Verordnen, für Ordnung unerlässlich - galt den Shakern als Schlüssel zu Harmonie. Sie hatten alles verordnet: die angemessene Zeit, um morgens aufzustehen, die angemessene Farbe der Vorhänge, die angemessene Haarlänge für Männer, die angemessene Art, wie man die Hände zum Gebet faltet... Die Shaker waren überzeugt, wenn sie jede Kleinigkeit planten, könnten sie ein Stück Himmel auf Erde schaffen, einen kleinen Zufluchtsort, und die Gründer von Shaker Heights hatten genauso gedacht."
Perfektion war das Ziel.
Ist da Scheitern nicht vorgezeichnet? Gerade wenn nicht perfekte Menschen mit nicht perfekten Haarlängen, Lebensrythmen und -zielen mit ins Spiel kommen, wie es durch das "Sozialprojekt" von Mrs Richardson passiert?
Plan und Unplanbares stoßen hier mit den Figuren in dieser besonderen Umgebung aufeinander. Wir kennen das Ende schon am Anfang (der Brand). Jetzt bin ich begierig die Hintergründe und die Geschichte hinter dem Brand in dieser geplanten Umwelt zu ergründen.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Shaker Heights, da habe ich irgendwie ein Bild im Kopf aus einem amerikanischen Film, aber ich kann es nicht greifen. Insgesamt erscheint mir die Idylle des Städtchens, speziell auch bei der Familie Richardson, zu aufgesetzt. Mal sehen wie es sich weiter entwickelt.
Izzy, die angebliche Übeltäterin, scheint gegen alles zu rebellieren, bin gespannt was es mit dem Feuer auf sich hat......

Der Schreibstil ist eher unaufgeregt, dies gefällt mir aber, ich habe trotzdem das Gefühl auf meine Kosten zu kommen.

Mia und Pearl sind interessante Charaktere, auch wenn ich so selbst nicht leben möchte, bewundere ich insgeheim die Zielstrebigkeit von Mia mit denen sie ihre Kunst umsetzt.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Perfektion war das Ziel.
Ist da Scheitern nicht vorgezeichnet?
Danke @Anjuta!
Jetzt, wo du auf diese Stelle Bezug nimmst, passt sie sich im Rahmen der Einführung in die Geschichte super ein.
Ich hatte mich kurz gefragt, was das soll, weil die Shaker ja mittlerweile dort keine große Rolle mehr spielen. Aber so wird ein Schuh draus: die geplante Idylle, ein Stück Himmel auf Erden....
Der Brand zeigt, dass es so nicht funktioniert hat. Ich bin auch gespannt!
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
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Shaker Heights, da habe ich irgendwie ein Bild im Kopf aus einem amerikanischen Film, aber ich kann es nicht greifen.
Es gibt einen Film einer perfekten amerikanischen Kleinstadt, in der die Frauen glaube ich Roboter sind und alle Wünsche erfüllen, dachtest du daran? Weiß aber nicht mehr, wie er heißt.
Habe auch verspätet angefangen...will nur ergänzen, dass sich Pearl von der Familie Richardson angezogen fühlt, weil sie eben so anders als ihre "Familie" ist. Lexies Verhalten ist etwas ambivalent, einerseits will sie Pearl "Gutes" tun, in dem sie sie modisch unterstützt, andererseits bohrt sie ungerührt in ihrem Leben, wenn sie sie nach ihrem Vater fragt. Und offenkundig hat sich Pearl in Trip verliebt und Moody in Pearl...das könnte auch für Konfliktpotential sorgen.
@Anjuta, das Setting hast du hervorragend beschrieben. Was für eine grauenvoll geordnete Welt, in der kein Spielraum für Spontanität und Kreativität zu sein scheint. Da kann Mia nicht glücklich werden...und Izzy scheint ebenfalls nicht in diese geordneten Strukturen zu passen.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Wichtig in diesem ersten Teil ist noch für den weiteren Verlauf: Für Mia und Pearl beginnt hier ein neuer Lebensabschnitt, oder soll beginnen (mal sehen!), denn das Nomadenleben soll ein Ende haben. Hier wollen sie längerfristiger bleiben. Deshalb ist auch die neue Schule, sind die neuen Mitschüler für Pearl so wichtig und besonders, denn hier können sich nachhaltige Beziehungen entwickeln, was bisher in ihrem Leben nie der Fall war. Da konnte sie sich als Außenseiterin ausleben, brauchte keine näheren Beziehungen. Jetzt aber ist es anders, und das macht ihr auch etwas Angst, denke ich. Und dennoch bleibt ihre ganze Lebensweise auf "übergangsweise" getrimmt. Das erkennt Pearl sehr deutlich in der Unterschiedlichkeit der Einrichtung des Zuhauses bei ihnen und bei den Richardsons, wo jeder Sessel Sesshaftigkeit ausstrahlt, und bei ihnen das genaue Gegenteil. Alles bei ihnen bleibt bereit für die schnelle Flucht zur nächsten Lebensstation.
Ich fühle mich in dem Buch bisher auch sehr wohl und genieße diese unterschwellig lauernde Abweichung vom geplanten Weg und Schicksal.
 

Renie

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19. Mai 2014
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Es ist eine Umgebung, die durch Planung geprägt ist.
Und die Planung scheint sich in alle Lebensbereiche zu erstrecken. Sogar die Zeiten, wann Kinder an Halloween von Haus zu Haus ziehen dürfen, sind reglementiert. :(
An den Film "Die Frauen von Steppford" musste ich auch denken.

Der Sprachstil Ngs gefällt mir ausgesprochen gut. Er wirkt auf mich lebhaft, aber auch ein wenig distanziert. Ich habe ständig das Gefühl, als ob ich durch einen Schleier blicke. Oder durch eine Kameralinse, womit ich wieder bei Mia und ihren Fotoarbeiten wäre. Bilde ich mir das ein? Egal. Eine schöne Idee ist es trotzdem.

Mich hat gewundert, dass Izzy im ersten Leseabschnitt so gut wie nicht stattfindet. Und dass, obwohl sie direkt am Anfang mit dem Hausbrand in Verbindung gebracht wird. Danach hört man lange Zeit nichts von ihr. Sie ist das schwarze Schaf der Familie, über das man am liebsten nicht spricht.
Mia bekommt ebenfalls am Anfang nicht viel Raum. Sie tritt als Pearls Mutter und Künstlerin in Erscheinung. Aber Zugang zu ihrem Seelenleben bekommen wir erst zum Ende des 1. Abschnittes.
 

Leseglück

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7. Juni 2017
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Ich habe auch sehr viel Spaß bei der Lektüre. Es ist mein erster Roman von Celeste Ng und ich muss sagen, ihr Schreibstil gefällt mir sehr gut. Lebhaft, leicht und ab und an schöne Vergleiche: "Bisher hatte er Pearl und ihre Mutter seiner Familie gegenüber nicht erwähnt und ihre Freundschaft beschützt wie ein Drache seinen Schatz: stumm und habgierig."

Interessant finde ich, dass die Kunstwerke von Mia beschrieben werden. Das hat mich andeutungsweise an Siri Hustvedts Roman: "Was ich liebte" erinnert. Dort werden Kunstwerke eines Protagonisten sehr ausführlich beschrieben. Man kann diese Werke dann auch deuten oder im Zusammenhang mit der Romanfigur bringen...Bei den kurz beschriebenen Kunstwerken von Mia geht es immer darum, Alltagsdinge zu entfremden und in einen anderen Zusammenhang zu stellen. Möbel werden zu Tieren, Kuscheltiere werden gewendet usw. Das ganze wird dann distanziert betrachtet aus der Kameralinse....
Das "nicht normale" zu sehen macht ja auch einen Künstler aus und steht im völligen Widerspruch zu der Philosophie der "Shaker", die in den genormten Leben etwas erstrebenswertes sehen.

Wer die Shakers waren musste ich erst nachschauen...eine Glaubensgemeinschaft ( gegründet von einer Frau). Ein schöner Gedanke, dass der Geist der Shaker sogar die Erde durchdrungen hatte und in denen, die dort aufwuchsen, eine Neigung zu überdurchschnittlichen Leistungen hinterließ.
Natürlich sind diese strengen Regeln, nach denen die Shaker gelebt haben schrecklich...aber in abgeschwächter Form kann man, so glaube ich, tatsächlich durch Fleiß und einhalten von Grundregeln sein Glück positiv beeinflussen. Aber eben - und das ist der Grundirrtum - nicht den Himmel auf Erden errichten und schon gar keine Katastrophen vermeiden. Schön wärs!
Wenn man aber aufgewachsen ist in dem Geist, dann macht einem jede Abweichung von der Norm Angst oder sie ist sehr faszinierend.

Bisher hat man von Lizzi nichts erfahren, aber man wird neugierig auf sie gemacht, weil man von ihren "Streichen" erfährt. Ich bin bespannt mehr von Lizzy zu erfahren.
Moody hat es ganz schön erwischt: Er hat das Gefühl, dass er Pearl schon immer gekannt hätte und dass sich sein Leben in vor und nach der Bekanntschaft mit Pearl einteilen wird. Oh je das deutet auf Herzschmerz hin.

Als Mia zu der Rumpelztilschen- Geschichte anmerkt, "vielleicht hat sie das Kind gesehen und es sich anders überlegt". kam mir der Gedanke ob es bei ihr auch so war?
 

wal.li

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1. Mai 2014
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Jetzt habe ich zur Sicherheit nochmal Wikipedia befragt. Shaker Heights gibt es tatsächlich.
 
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milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Dank tagelanger Kopfschmerzen und Kreislaufprobleme komme ich momentan mit dem Lesen nicht so recht voran. Daher bin ich auch erst gestern mit dem ersten Abschnitt fertig geworden.

Ich habe bisher noch nichts von der Autorin gelesen, aber schon viel Gutes gehört. Ich gehe also mit hohen Erwartungen an den Roman heran. Der Einstieg hat ganz gut geklappt. Bisher gefällt mir das, was ich lese.

Schon in den ersten Kapiteln zeichnet sich eine Menge Konfliktpotenzial ab. Man erfährt zuerst von dem Brand und bekommt mit Izzy schon gleich eine Tatverdächtige geliefert. Aber ob sie es wirklich war? Und, falls ja, warum und wo ist sie hin? Da werden gleich einige Fragen aufgeworfen. Ein Krimi ist es ja nicht, aber trotzdem eine spannende Lektüre, finde ich.

Die Autorin hat selbst in Shaker Heights gelebt. Mich würde interessieren, ob sich der Roman sehr an der Wirklichkeit ausrichtet oder ob da auch sehr viel Fiktion dabei ist. Diese strengen Regeln dort wären eher nichts für mich. Ist das tatsächlich dort so oder übertreibt sie?
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Der Sprachstil Ngs gefällt mir ausgesprochen gut. Er wirkt auf mich lebhaft, aber auch ein wenig distanziert. Ich habe ständig das Gefühl, als ob ich durch einen Schleier blicke. Oder durch eine Kameralinse, womit ich wieder bei Mia und ihren Fotoarbeiten wäre. Bilde ich mir das ein? Egal. Eine schöne Idee ist es trotzdem.

Ja, als distanziert und ein wenig kühl würde ich den Schreibstil auch beschreiben. Aber mir gefällt diese Art des Erzählens bisher auch ganz gut.
 
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