Drittes Kapitel

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29. Oktober 2013
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Diskussionen zum dritten Kapitel unserer Leserunde Weltliteratur zu "Der Zauberberg" von #thomas mann
 

Helmut Pöll

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Mit dem Auftreten der ersten Patienten bekommt die Geschichte etwas Skurriles. Da ist zum Beispiel die "Halbe-Lungen-Gruppe", die Pneumothorax-Fraktion mit stillgelegtem Lungenflügel. Eine Frau pfeift, scheinbar wenn das Stickoxidid des stillgelegten Lungenflügels entweicht.

Der Tod ist plötzlich allgegenwärtig, beinahe normal, da die Todesfälle im Sanatorium sozusagen zum Tagesgeschäft gehören.

Dr. Behrens, der Chefarzt (?) entpuppt sich als Sadist und Scheusal. Einen Sterbenden, der in Panik gerät, herrscht er an: "Stellen Sie sich gefälligst nicht so an!" .. und sofort ist der Patient still geworden und ist ganz ruhig gestorben.
 

Literaturhexle

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Dr. Behrens, der Chefarzt (?) entpuppt sich als Sadist und Scheusal.
Den habe ich noch gar nicht so empfunden, weil die Episode ja nur überliefert wurde, mit einer guten Prise Humor gewürzt. Mal schauen, ob du am Ende recht behältst.

Ich amüsiere mich über die magischen Anlehnungen: Auch Settembrini wirkt wir ein Zauberer...
[zitat] Wir kennen das Wochenmaß nicht, mein Herr, wenn ich sie belehren darf. Unsere kleinste Zeiteinheit ist der Monat. Wir rechnen im großen Stil,- das ist ein Vorrecht der Schatten.[/zitat]
Dann die Erwähnung des Teufels, die Hans doch einigermaßen verwirrt...
Fabulierkunst auf höchstem Niveau, würde ich Mann bisher bescheinigen!
 
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Krischan

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Ja, das ist einfach großartig, nicht wahr, die Landschaftsschilderungen (beim Spaziergang), die Frühstücksrunde im Sanatorium, man sieht die Leute vor sich. Allerdings schiebt sich bei mir bei der Schilderung von Settembrini immer der Schauspieler aus dem Film dazwischen, der einen tiefen Eindruck hinterlassen hat bei mir, aber so war ärgert mich eigentlich, da ich mir lieber ein eigenes Bild von den Personen im Buch mache - nichtsdestotrotz ist der Film natürlich sehenswert. Aber hier geht es ja ums Buch! Man fühlt sich in eine andere Welt versetzt, hier spielt Zeit keine Rolle, und man ist auf fast makabre Weise stolz darauf, zu leiden, Gesundheit könnte fast als ein Makel gelten, das Leben wird von Fiebermessen und Liegekuren bestimmt ...
 

Literaturhexle

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Ja, das stimmt auch wieder, @Literaturhexle , wir erfahren es nicht direkt. Aber ich habe mich halt gefragt welchen Grund Joachim hätte, das alles zu erfinden.
Nein. Erfunden ist das nicht. Aber auf mich wirkte der Dialog so locker und ein bisschen überzogen. So ganz ernst habe ich es nicht genommen...
Wir werden später bestimmt sehen, ob der Arzt so hart Ist, wie er hier scheint.
 

Helmut Pöll

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Immer wieder deutet sich an, dass es letztlich nicht bei den geplanetn drei Wochen Aufenthalt im Sanatorium bleiben wird. Einmal scheint Hans Castorp tatsächlich eine schwächliche Gesundheit zu haben. Jedenfalls scheint Joachim, der ja "offizieller" Patient ist, letztlich viel robuster zu sein als er.

Und dann gibt es diesen Traum von ihm, wo er jahrelang bleibt. Oder habe ich da was falsch verstanden?
 

Helmut Pöll

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Seite 180 und immer noch kein Fieber gemessen. #thomas mann lässt sich Zeit mit dem Niedergang seiner Hauptfigur. Aber Hans Castorp ist schon geschwächt. Ein Spaziergang bringt den 23jährigen an den Rand seiner Kräfte. Normal ist das jedenfalls nicht, aber wie soll er sonst auch sieben Jahre durchhalten dort oben.
 

Xirxe

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Da ist zum Beispiel die "Halbe-Lungen-Gruppe", die Pneumothorax-Fraktion mit stillgelegtem Lungenflügel.
Das hat mich ein bisschen an David Foster Wallace erinnert. In 'Unendlicher Spaß' gibt es diese rollstuhlfahrende Rentnerterroristengruppe, die aus ihrem Leid das Beste machen - und auch genießen. Vielleicht hat Wallace sich ja von Mann inspirieren lassen, muss ich mal nachschauen.
Auch Settembrini wirkt wir ein Zauberer...
Genau das habe ich auch gedacht. Genau das habe ich auch gedacht: kein Drehorgelmann, sondern ein Magier im besten Sinne.
Gesundheit könnte fast als ein Makel gelten,
In gewisser Weise empfindet es Hans ja bereits so. Als Dr. Krokowski seine abendliche Runde macht und dabei Hans' Zimmer überspringt, fühlt er sich verletzt. [zitat]Freilich, er war eben gesund und zählte nicht mit ...[/zitat] (Kapitel: Satana macht ehrrührige Vorschläge)

Ich habe mir mal ein bisschen Hintergrundwissen angelesen, das ich gerne mit Euch teilen würde, sofern Ihr es möchtet ;) (Falls nicht, kurz mitteilen und ich lasse es).
Thomas Mann schrieb diesen Roman anlässlich des Aufenthaltes seiner Ehefrau in einer solchen Klinik, wo er sie drei Wochen besuchte. Dr. Behrens soll offenbar dem Arzt nachempfunden sein, der seine Frau behandelte. Ein eher unsympathischer Zeitgenosse, der zudem Patienten aus wirtschaftlichen Gründen fast schon dazu nötigte, länger zu bleiben als es notwendig wäre.
Rhadamanthys habe ich übrigens nachgeschlagen, da ich von ihm noch nie etwas gehört habe (Settembrini vergleicht Hofrat Behrens mit ihm). Er ist eine Gestalt aus der griechischen Mythologie und war zu Lebzeiten ein mächtiger König auf Kreta. Nach seinem Tod wurde er ein gerechter Herrscher und Richter in der Unterwelt, die noch weit unterhalb des Hades liegt. Eigentlich ein eher positives Bild, das Settembrini da von Behrens zeichnet.

Mit der Sprache komme ich mittlerweile immer besser zurecht, aber dennoch lese ich deutlich langsamer als bei zeitgenössischen Büchern. Aber es ist wirklich ein Vergnügen :)
 
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Xirxe

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Krischan

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›Der blaue Heinrich‹ wird übrigens heute noch das Hamburger Ärzteblatt genannt (hat vielleicht auch mit dieser legendären Bezeichnung des Spucknapfs zu tun?). Ich bin immer wieder von der Schilderung Settembrinis fasziniert, Da steht er, die Füße leicht gekreuzt, mit einem Zahnstocher in der Hand lebhaft gestikulierend, und schwärmt von seinem Großvater selig, der ein Revoluzzer war ... Aber jetzt muss ich weiterlesen, Ihr seid alle schon weit voraus ...
 

Leseglück

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7. Juni 2017
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Das hat mich ein bisschen an David Foster Wallace erinnert. In 'Unendlicher Spaß' gibt es diese rollstuhlfahrende Rentnerterroristengruppe, die aus ihrem Leid das Beste machen - und auch genießen. Vielleicht hat Wallace sich ja von Mann inspirieren lassen, muss ich mal nachschauen.

Wow du hast "Unendlicher Spaß" gelesen von DFW? Das imponiert mir, wollte ich auch immer mal lesen habe mich aber nicht rangetraut.