Rezension Rezension (5/5*) zu Geistkrieger: Feuertaufe von Sonja Rüther.

Renie

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19. Mai 2014
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Buchinformationen und Rezensionen zu Geistkrieger: Feuertaufe von Sonja Rüther
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nichts für Herzkranke

Die Bücher von Sonja Rüther bilden für mich einige der wenigen Gelegenheiten, mich von meinem Haus- und Hof-Genre "Gegenwartsliteratur" wegzubewegen und einen Ausflug in ein anderes Genre zu unternehmen. Blutig muss es sein ..... und natürlich spannend .... und natürlich fantasievoll ... und ich will überrascht werden. Die Bücher von Sonja Rüther sind quasi für mich literarische Überraschungseier - wenn auch blutig und ohne "Spielen" ;-).
In ihrem Fantasy-Roman "Geistkrieger: Feuertaufe" - der erste einer Reihe, die nachfolgenden Bände sind hoffentlich schnell geschrieben - geht es um eine Special Task Force der Polizei des Landes Powtanka. Die Powtankaner entsprechen unserem landläufigen Verständnis von Indianern. Einzige Unterschiede: die damaligen Vertreibungen und Ausrottungsversuche in Amerika sind anders verlaufen, als wir es aus den Geschichtsbüchern kennen. Die Indianer konnten Widerstand leisten, das Volk konnte wachsen und gedeihen. Mittlerweile haben sie sich zu einer Hightech-Nation entwickelt und haben mit ihrem Fortschritt andere Nationen abgehängt. Das hält sie jedoch nicht davon ab, an ihren überlieferten Traditionen festzuhalten. Ihr Alltag wird sowohl von Traditionen als auch von ihren Hightech-Errungenschaften bestimmt. Sie versuchen, im Einklang mit der Natur zu leben. Ein wichtiger Aspekt ihres Lebens ist die Spiritualität.

"Die Astralwelt war eine feinstoffliche Ebene, die nur von wenigen Schamanen in Gänze wahrgenommen werden konnte. Chenoa würde den Begriff feinstofflich niemals benutzen, sondern eher von Energien, Auren und Geistern sprechen. Für Deidra war die genaue Definition irrelevant. Es gab diese besondere Welt und manchmal nahm sie Einfluss auf jene, die sie erfassen konnten." (S. 118)

Die Polizei-Einheit "Geistkrieger", um die es in diesem Roman geht, besteht aus 4 Personen, die über besondere Fähigkeiten verfügen. Bei einigen sind diese Fähigkeiten bereits bekannt und werden im Einsatz gegen das Verbrechen genutzt. Bei anderen kristallisieren sich ihre Fähigkeiten erst im Verlauf der Handlung heraus und überraschen sowohl das Team als auch den Leser.
Gerade zu dem Team dazugestoßen ist der Schotte Finnley, der aus Liebe zu seiner Verlobten, einer Powtankanin, in ihre Heimat ausgewandert ist. Finnley hat es zunächst nicht leicht, wozu zum Einen sein ungewöhnliches Äußeres - tätowiert bis in die Haarspitzen - beiträgt; zum Anderen die Ablehnung und das Misstrauen der Powtankaner gegenüber allem Fremden. Sie empfinden das Fremde als Bedrohung für ihre Lebensweise.
Während die Geistkrieger ein ungewöhnliches Verbrechen aufklären sollen, wachsen sie mit der Zeit zu einem echten Team zusammen. Auch der Neue, Finnley, wird akzeptiert und findet seinen Platz in diesem Team.
Die Geistkrieger haben es mit einer mysteriösen Todesserie zu tun. Menschen kommen auf spektakuläre und extrem blutige Weise ums Leben. Zunächst gibt es keine Spuren. Laut Zeugenaussagen sind keine Täter zu sichten. Es stellt sich heraus, dass einer der powtankanischen Geister seine Hände im Spiel hat. Für den Fantasy-ungeübten Leser schwer zu verstehen. Aber Realitätssinn ist hier fehl am Platze. Fantasie ist gefragt. Auch Finnley, der Schotte, hat seine Schwierigkeiten mit dem Spirituellen und tut dies zunächst als Quatsch ab. Doch er wird sich eines Besseren belehren lassen müssen.

"Wenn er die Geschehnisse in dieser Einheit verstehen wollte, musste er Abstand gewinnen und von außen auf das schauen, was er seit dem ersten Tag miterlebt hatte. Er kam sich vor wie in einem SciFi-Streifen im Kino, nur dass er mitten hinein gezogen wurde und nun mit Dingen umgehen sollte, die seinen Horizont überstiegen." (S. 202)

An diesem Roman fasziniert mich die Frage, was wäre gewesen, wenn die Indianer nicht vertrieben und fast ausgerottet worden wären? Was wäre gewesen, wenn die Indianer die Gelegenheit gehabt hätten, sich weiterzuentwickeln? Es ist durchaus vorstellbar, dass wir es mit einer Nation zu tun hätten, ähnlich wie die der Powtankaner. Und einen Roman in diesem Szenario anzusiedeln ist eine großartige Idee, die Sonja Rüther auch sehr überzeugend umgesetzt hat.
Fühlt man sich anfangs in einen Thriller hineinversetzt, verliert der Roman jedoch über einige Strecken das Thrillerhafte, erstaunlicherweise jedoch niemals die Spannung. Da dieser Band der erste einer Reihe ist, konzentriert sich die Autorin auf die Entwicklung der Charaktere aus dem Ermittlungsteam, schließlich wird dieses den Leser auch in zukünftigen Büchern aus dieser Serie begleiten. Es macht also Sinn, den Charakteren und deren Zusammenspiel viel Raum zu lassen. Zum Ende hin wird der Roman wieder zu einem Thriller. Und was für einem. Ich kann gar nicht beschreiben, wie turbulent die Geschichte zum Ende wird, und welche Überraschungen auf den Leser warten. Nur soviel: bei den letzten 100 Seiten dieses Romanes habe ich vor lauter Spannung Schnapp-Atmung bekommen. Dieser Roman ist definitiv nichts für Herzkranke.

Aus der Sicht einer Gegenwartsliteratur-affinen Leserin komme ich daher zu folgendem Fazit:
Dieser Roman bestätigt mich in meiner Auffassung, dass es lohnenswert ist, einen Blick über den literarischen Tellerrand zu wagen und in anderen Genres zu stöbern. Sonja Rüther hat mich bereits mit der Horror-Anthologie "Aus dunklen Federn (1+2)" an das Genre "Horror" herangeführt, zumindest hat sie meine dunkle Leseseele geweckt, der auch mal nach Blut dürstet. Mit "Geistkrieger" hat sie meine fantastische Seele wachgekitzelt, und ich freue mich schon auf den nachfolgenden Band. Wer weiß, welches Genre uns Sonja Rüther als Nächstes präsentiert? (Hoffentlich keine Liebesschnulze ;-))

Von mir gibt es natürlich eine dicke fette Leseempfehlung für die Geistkrieger!

© Renie

 

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