1. Abschnitt: Kanarienvogelgelb und silbern bis Porzellanweiß (S. 7-87)

Literaturhexle

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Die Gründe des Rückzugs müssten ihm aber klar gewesen sein,
Ganz deiner Meinung! Das war wohl eher ein Verdrängen des Vaters, dessen Welt ausschließlich um seine Frau und die Kunst kreiste....
Vielleicht war es ihnen sogar ganz recht, dass er konsequent seinen eigenen Weg ging.
Genau so ist Es! Später wirst du erfahren, dass die Eltern der Meinung waren, dass man Kinder unbedingt loslassen sollte...
 

Anjuta

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Noch ein Wort zu Karl. Er verhält sich fast allen Menschen gegenüber recht autistisch. Das gilt selbst für seine Beziehung zu Mara, auf die er sich nie richtig und wirklich einzulassen scheint. Tanja und Alexandra gegenüber aber ist er sehr viel offener und freier. Ich weiß noch nicht, warum und auf welcher Grundlage, aber finde die Stellen im Roman, in denen dann doch Nähe gelebt wird, sehr besonders.
 
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Momo

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Ich stimme euch allen zu, ja, der Vater hätte es wissen müssen, weshalb Sohnemann sich zurückgezogen hat. Und dieser Assistent, grauenvoll. Aber ich bin noch nicht allzuweit mit dem Buch und warte lieber auf später mit meiner endgültigen Meinung. Ich möchte die Eltern noch nicht so früh festnageln.
 

Renie

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Zur lustigen Szene, der Roman hat auch komische Szenen, tragikkomisch, aber auch ironische, oder?
Das finde ich auch. Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich vor mich hinschmunzele. Mir gefällt der Humor.
Nachdenklich hat mich zudem gestimmt, dass Karl auch sein Kinderzimmer im Elternhaus verloren hat, das recht schnell zu einem Gästezimmer umgestaltet wurde.
Ein weiteres Indiz dafür, dass Karl keinen Platz im Leben seiner Eltern hatte.
 
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Momo

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10. November 2014
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Das finde ich auch. Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich vor mich hinschmunzele. Mir gefällt der Humor.

Ein weiteres Indiz dafür, dass Karl keinen Platz im Leben seiner Eltern hatte.

Ja, aber ich mag mich trotzdem noch nicht festlegen. Ich habe eher das Bedürfnis, die Figuren noch weiter zu beobachten, und mein Urteil später zu fällen.

P. S. Karl hätte auch rebellieren können, er hätte seine Eltern zur Rede stellen können, um diese Missstände aufzudecken ... Irgendwann ist man ja auch kein Kind mehr.
 

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Huhu allerseits!

Ich finde auch interessant, wie präsent Farben und Formen im Schreibstil sind, da merkt man doch, dass Karl ein Künstler ist, auch wenn er sich selber gar nicht so sieht, glaube ich...

Ich glaube auch, dass sich zwischen Karl und Torben eine Art "sibling rivalry" entwickelt! Karl hat den Status als "echter Sohn", den Torben sicher gerne hätte, dafür hat Torben die Aufmerksamkeit bekommen, die Karl immer gefehlt hat.

All das Gerede der Eltern, dass Karl jetzt sein eigenes Leben anfangen kann... Selbstsüchtig. Vielleicht reden sie sich das tatsächlich ein, aber Karl hätte sie noch gebraucht, er war viel zu jung... Dass sie ihn nicht mal an Geburtstagen besucht haben, ist erbärmlich.

Es fällt mir schwer, die Liebe der Eltern als romantisch zu sehen. Sie wirkt auf mich krankhaft und egozentrisch. Die beiden sind sich anscheinend so ählich, dass es mir fast so vorkommt, als wäre ihre Liebe nur eine Form von Narzismus. Und dass der Vater sich umbringt, ohne überhaupt abzuwarten, ob seine Frau überlebt...

Meine Mutter hatte vor ein paar Jahren einen tennisballgroßen Gehirntumor, deswegen musste ich manchmal etwas schlucken. Raumforderung und so, kommt mir sehr bekannt vor. Aber sie hat es überlebt, womit wir ehrlich gesagt auch gar nicht gerechnet hätten – wenn ich mir jetzt vorstelle, ihr Mann hätte sich umgebracht und sie hätte damit auch noch klarkommen müssen... Um Gottes Willen.

Nee, ich kann den Vater von Karl nicht verstehen, er hätte bei ihr bleiben müssen, im Zweifelsfall bis zum Ende. Ich würde meinen Mann niemals, NIEMALS alleine sterben lassen. Das ist doch keine Liebe, wenn man sich so aus der Affäre zieht!

Renie, ich habe mich bei Karl manchmal gefragt, ob er vielleicht autistsche Züge zeigt. Es gibt viele Dinge, die "einfach nicht gehen", Punkt. Oder diese Fixierung auf das Insekt am Grab. Aber vielleicht ist sein Verhalten auch das Resultat einer Kindheit ohne innigere zwischenmenschliche Interaktion.

Oh, ich sehe, den Gedanken hatte Anjuta auch schon!

Bibliomarie, ich bin Mara gegenüber auch noch misstrauisch... Ich habe den Eindruck, da stimmt etwas nicht.

Bei Karls Kunst ist meine erste Assoziation: Ersticken, Einsamkeit, Verstecken, Wegschließen.

Mir ging es da wie Querleserin, bei manchen Szenen musste ich auch lachen – wobei ich mir nie sicher bin, ist das Karls Sinn für Humor, oder ist er sich gar nicht bewusst, dass es witzig ist?

Momo, ich glaube, Karl hat als Kind die vorgelebt bekommen, wie man Konflikte offen auslebt und klärt, und ich vermute, das wäre ihm nicht möglich gewesen.
 

Literaturhexle

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@Mikka Liest
Toll, wie du dich mit der Beziehung der beiden Elternteile auseinander gesetzt hast! Das ist wirklich richtig, was du alles schreibst.

Dieses vorzeitige, theatralische Aufhängen fand ich auch unmöglich. Damit hätte er zumindest warten müssen, bis Ada tot ist. Ganz schwach, wenn man seine Partnerschaft dermaßen zelebriert!
 
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parden

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13. April 2014
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Spät - aber hoffentlich nicht zu spät - schließe ich mich jetzt hier auch an. Ich habe den 1. Abschnitt nun komplett gelesen und bin bislang sehr angetan von dem Buch. Der Schreibstil ist schon ein besonderer, manche Wortkreationen lese ich gleich mehrfach (der Vaterbrief, das Fiepsen des Mutterpulses), und das ganze Buch atmet irgendwie eine schöpferische Kraft aus. Sei es die Sprache an sich, die Farb-Assoziationen oder aber die Schilderung der Kunstwerke (von Karl sowie von seinen Eltern). Die Kapitelnamen haben mir von Anfang an gut gefallen, und ich merke, dass ich immer schon auf das nächste Kapitel lauere, um zu erfahren, welche Farbe uns als nächstes vorgestellt wird - und welchen Bezug zum Text diese dann haben wird. Ein toller Kunstkniff.
Ebneso wie einigen anderen hier gefällt mir der Humor. Bei Gottweiß musste ich schmunzeln, ebenso bei der Schilderung der Zugfahrt, als Karl auf die Schulklasse traf, aber vor allem bei der kindlichen Denkweise hinsichtlich des Wortes 'inkognito': um in Kognito (=Internat) zu sein, musste man seinen Namen ändern. Herrlich!

Karl ist ein zutiefst verletzter Mensch, was sich sicherlich auch auf seine Beziehungsfähigkeit auswirkt. Die 8 Jahre ältere Mara ist die Vernünftige in der Beziehung, kann ihn aber nicht dazu bewegen, wieder mit nach Berlin zu kommen. An das Gesicht des Vaters kann sich Karl nicht erinnern, und selbst nachdem er ein Foto von ihm betrachtet hat, verliert er das Gesicht gleich wieder? Die Mutter - nach ihr hat sich Karl im Internat lange verzehrt. Doch nun besucht er sie nur ein einziges Mal im Krankenhaus - und liest ihr Märchen vor, weil er nicht weiß, was er sonst sagen soll. Sehr distanziert ist die Schilderung dieser Szenen, doch die tiefe Traurigkeit dahinter ist dennoch spürbar. Das Alkoholproblem von Karl ist offensichtlich - ich hoffe, dass das kleine Mädchen ihn nun auf andere Gedanken bringt.

Es wirkt tatsächlich, als sei der Assistent der Eltern an Karls Stelle ins Haus am Leinsee gezogen - sogar in sein Zimmer. Ein Ersatz. Weshalb?
 

Mikka Liest

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parden, das finde ich auch! Obwohl Karl selber glaubt, er sei kein "echter" Künstler, ist seine Weltsicht zutiefst künstlerisch.

Jetzt, wo du den Altersunterschied mit Mara nochmal erwähnt hast... 8 Jahre sind jetzt zwar nicht sooooo viel, aber ich frage mich, ob Karl in ihr unbewusst eine Mutterfigur gesucht hat.

So schlimm das klingt: ich glaube, Torben entsprach vielleicht mehr dem, was sich die Eltern von einem Sohn erwartet haben...
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Torben entsprach vielleicht mehr dem, was sich die Eltern von einem Sohn erwartet haben...
Vor allem ist er aus dem Gröbsten raus: keine Kinderkrankheiten, keine Schulprobleme, kein Bedürfnis nach Liebe und Zuwendung...
Torben ist so alt wie Karl und seit 2,5 Jahren bei den Stiegenhauers. Da sorgte er bereits für sich selbst und hegte nichts als bloße Bewunderung für die beiden. So jemanden "an Kindes statt" und ohne gemeinsame Vergangenheit aufzunehmen, ist leicht. Die Stiegenhauers waren sich selbst die Nächsten!
 
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