Rezension Rezension (3/5*) zu Ein Akt der Gewalt von Ryan David Jahn.

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Buchinformationen und Rezensionen zu Ein Akt der Gewalt von Ryan David Jahn
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Der Bystander Effekt...


Auf dem Heimweg von der Arbeit wird Katrina Marino in den frühen Morgenstunden Opfer eines brutalen Überfalls. Der Angriff findet direkt vor ihrer Haustür statt - und unter den Augen ihrer Nachbarn, die fast ausnahmslos untätig bleiben. Jeder hat mit seinem eigenen kleinen Drama zu kämpfen. Der 19-jährige Patrick etwa, der zur Armee eingezogen werden soll, aber für seine kranke Mutter sorgen muss. Oder Diane, die sich mit ihrem Ehemann streitet, weil dieser sie betrügt. Sie alle hören Katrinas Schreie und sehen, dass vor ihrer Haustür etwas Schreckliches passiert. Katrina spürt die Betrachter und ihre Blicke und hofft auf Hilfe. Und sie kämpft gegen den Tod...

"Ein Akt der Gewalt" basiert auf einer wahren Geschichte, dem Fall Kitty Genovese, der 1964 weltweit für Schlagzeilen sorgte und dessen Umstände später unter dem Begriff "Bystander-Effekt" in die Kriminalgeschichte eingingen. Siehe auch:
http://www.social-psychology.de/sp/konzepte/bystander-effekt

Ryan D. Jahn beschreibt in diesem (Hör-)Buch fast minutiös das Geschehen der Nacht - aus der Sichtweise vieler verschiedener Personen. Jede einzelne davon hat ihr Schicksal, das sie auch in dieser Nacht nicht loslässt - und jede einzelne verlässt sich darauf, dass jemand anderes der Überfallenen zu Hilfe eilt oder die Polizei ruft. Der Zuschauereffekt und die unterlassene Hilfeleistung sind kaum fassbar, werden hier aber sehr plastisch dargestellt. Dabei wirkt die Erzählweise fast nüchtern, gleichzeitig aber auch sehr bedrückend. Als Hörerin war ich fast froh, als das (Hör-)Buch und damit die Schicksals-Nacht dem Ende zuging - und verspürte den Wunsch nach etwas menschlicher Wärme in einer kalten Welt.

Insofern ist es dem Autor gut gelungen zu vermitteln, was das Wegsehen und Nichtstun bedeutet - für jeden einzelnen, nicht zuletzt natürlich aber für das Opfer. Insgesamt jedoch hat Jahn für mich die Schicksale der Zeugen teilweise zu sehr beleuchtet und breitgetreten. Dabei geriet das eigentliche Geschehen zu sehr aus dem Fokus. Hinzu kommt, dass es sich um eine gekürzte Hörbuchfassung handelt (303 Minuten). Ich kenne zwar die gedruckte Vorlage nicht, doch habe ich das Gefühl, dass diese Kürzung der Geschichte nicht gut getan hat. Und obwohl ich David Nathan im Allgemeinen als Leser von Hörbüchern sehr schätze, fand ich ihn in diesem Fall nicht überzeugend. Irgendwie empfand ich die Lesung als "abgespult".

Ein wichtiges Thema, dem sich der Autor da verschrieben hat. Aber in dem Fall würde ich wirklich eher das gedruckte Buch empfehlen!


© Parden