Da stimme ich Dir zu, @Momo . So einen schweren Start im Leben zu haben und dann trotz aller widrigen Umstände sich nicht unterkriegen zu lassen, das ist schon eine Leistung - vor allem für ein Mädchen in der damaligen Zeit. Allerdings hören wir von der Großmutter wenig, sie bleibt bislang eher farblos. Wie reagiert sie auf die Bestrebungen der Enkelein zu lernen? Versucht sie es nicht zu unterbinden? Ich erinnere mich an "Wellen" von #eduard von keyserling , wo "die Generalin" schon mal von Hausarrest sprach. Davon hier keine Spur.Mir ist Olga sehr sympathisch, lässt sich nicht unterkriegen. Erst verliert sie auf einen Schlag ihre Eltern, dann kommt sie zu ihrer kalten Großmutter nach Pommern, die ihrer Enkelin wenig Wärme zu schenken in der Lage ist.
das ist mir bis jetzt nch gar nicht aufgefallen, weil sich Schlinks Roman durch die kurzen Sätze bzw. die reduzierte Sprache unheimlich flüssig liest.Was erzähltechnisch sehr interessant ist, dass es gar keine wörtliche Rede gibt. Bisher liest es sich als eine Art Lebensbericht. Trotzdem ist es nicht trocken oder langweilig. Mit wenigen Sätzen und sehr reduzierter Sprache vermag Schlink das Wesentliche auszudrücken.
Ja. Die Sprache, die kurzen, aber sehr prägnanten Sätze, nehmen einen sofort mit.Nach den ersten Zeilen ist "Olga" für mich schon ein Wohlfühlbuch.
Beide waren Außenseiter, taten sich zusammen und waren nicht mehr allein. Das kann ungemein zusammen schweißen und geht über Gewohnheit bestimmt hinaus. Dennoch: aufgrund der Umstände und auch aufgrund ihrer Charaktere passen sie nicht richtig gut zusammen, wie hier ja auch schon festgestellt wurde.Hier spielt mir ein bisschen die "Macht der Gewohnheit" rein. Sie waren als Kinder schon zusammen und daran gewöhnt, dass der andere da war.
Wörtliche Rede gibt es schon, die muss man allerdings suchen. Dann findet man sie. Ich empfinde den Stil wie @Querleserin : sehr reduziert, aber trotzdem vermittelt Schlink wundervolle Bilder, die im Kopf entstehen. Nach den ersten Zeilen ist "Olga" für mich schon ein Wohlfühlbuch. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich bin beim Lesen so etwas von tiefenentspannt. Und trotzdem fesselt der Roman. Herrlich!
Was Herbert und Olga angeht: Gegensätze ziehen sich an. Sie, die Stehende, und er, der Laufende. Wie originell. Ich frage mich nur, ob Olga sich in Herbert verliebt hätte, wenn sie sich nicht von Kindheit an gekannt hätten. Hier spielt mir ein bisschen die "Macht der Gewohnheit" rein. Sie waren als Kinder schon zusammen und daran gewöhnt, dass der andere da war. Kommt noch die Pubertät hinzu und - zack - schon sind sie ein Paar. Wahrscheinlich waren die Alternativen in dem Ort auch nicht besonders zahlreich.
Ich finde es ein wenig schade, dass Victoria in mehrerer Hinsicht Rassismus gegen Olga begeht (Sozialrassismus und Rassismus nationaler Art), da sie doch als kleine Kinder Spielgefährden waren. Es gibt viele Motive, was einen Menschen wie Victoria sozusagen derart verändern lässt. Und wie viel Macht dieser junge Mensch hat, dass es ihr gelingt, die Eltern gegen Olga aufzubringen.
Das Buch hat soviel Tiefgang, dass man über fast jede Zeile stolpert, weil es zwischen den Zeilen soviel sagen lässt.
Dazu später mehr.
Es ist auch der Zeit geschuldet, der Standesunterschied wurde sehr hochgehalten und Victoria hat das verinnerlicht.
Ich denke auch, dass das Korsett der Zeit und der gesellschaftlichen Zwänge da eine entscheidende Rolle gespielt haben @Bibliomarie .Es ist auch der Zeit geschuldet, der Standesunterschied wurde sehr hochgehalten und Victoria hat das verinnerlicht.
Ja, stimmt. Aber diese Sicht der Dinge ist eine sehr moderne. Früher dachten die Leute leider eben durchaus, dass die Herkunft eine entscheidende Rolle spielt, eigentlich bis weit ins 20. Jahrhundert hinein.Jeder, der etwas intensiver über das Menschenbild nachdenkt, müsste doch draufkommen, dass keiner etwas für seine Herkunft kann
@Helmut @Bibliomanie
Es gab schon damals und noch viel früher Menschen, die über ein aufgeklärtes Menschenbild verfügten, (Schiller, Goethe, etc. ... Schiller hatte zu seiner Zeit schon von einem geeinten Europa geträumt) sowie wie es heute noch sehr viele Menschen gibt, die denken, dass die Nationalität eines Menschen in den Genen steckt ... Ich finde daher nicht, dass wir heute moderner sind, auch wenn diese Standesunterschiede auf dem Papier aufgehoben sind.
Auf Seite 35 finde ich es so schön, wie sich Olga mir Herbert darüber austauscht, wie unterschiedlich die beiden von ihrer Herkunft her geprägt sind. Herbert, aus einem wohlhabenden Elternhaus kommend, der nicht wissen könne, wie es sei, wie Olga zu sein, und Olga, das Gegenteil von Herbert, aus einfachen Verhältnissen kommend, nicht wissen könne, wie Herbert zu sein. Diese Art sich über sich und den anderen auszutauschen, hat mir sehr gut gefallen.
Aber er teilt Olga mit, dass auch er nicht immer alles bekommen würde, und nicht immer Geld von den reichen Eltern bekommen würde. Er würde nur Geld bekommen, wenn er etwas brauchen würde.
Und ich finde auch Herbert so wunderbar und sympathisch, da er Olga mit seinem ersten Geld einen Füllfederhalter, den sich Olga so sehr wünscht. kaufen würde. (36)
Anders als die restliche Familie Schröder ist Herbert überhaupt nicht überheblich, was ich sehr schön fand.
Auf Seite 38 gibt es eine kleine Meinungsverschiedenheit zwischen Herbert und Viktoria. Viktoria beschreibt Olga als wäre sie eine Schlampe oder gar ein Bauerntrampel, da sie sich nicht zeitgemäß kleiden könne, und die sich nicht benehmen könne. Slawischer Name, slawisches Gesicht? Ich versuche mir slawische Menschen vorstellen, die alle gleich aussehen. Wie lächerlich einseitig dieses Welt- und Menschenbild doch ist.
Viktoria hat so viel Macht, dass sie es sogar schafft, die eigenen Eltern gegen Olga aufzubringen. Und nicht nur die Eltern, später sogar das Bildungsinstitut ...
Anders als die restliche Familie Schröder ist Herbert überhaupt nicht überheblich, was ich sehr schön fand.