Rezension (5/5*) zu Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande von Gernot Gricksch

P

parden

Gast

Sofort nach der Geburt ihres Sohnes sprang Piets Mutter auf, um den Vater zu suchen, der sich in einer Toilette eingesperrt hatte. Und Piet? Der blieb im Kreißsaal liegen und dachte erstaunt: »War's das schon?« Die gleiche Frage stellt er sich vierzig Jahre später am Grab eines seiner besten Freunde; er erinnert sich an Prickel Pit und Schlaghosen, Miami Vice und Startbahn West, den ersten Kuss und die letzte Gehaltsabrechnung. Und Piet denkt an vier Jahrzehnte mit seinen besten Freunden - kurz: an die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande...

"Als die sinnlose Rede vorbei ist, treten wir ans Grab. Den Kübel mit Sand ignorieren wir. Wir werden unseren Freund nicht mit Dreck bewerfen. Stattdessen legen wir alle gleichzeitig, als hätten wir es wochenlang geübt, den Kopf zurück. Und dann spucken wir in hohem Bogen unsere Kirschkerne in das Grab. Der Pastor funkelt uns wütend an. Doch was weiß der schon."

An seinem 40. Geburtstag steht Piet am Grab seines Freundes. Zum Begräbnis sind auch die anderen Freunde aus Kindheitstagen erschienen Alle im Jahr 1960 geboren und von Kindesbeinen an miteinander verbunden. 'Die Kirschkernspuckerbande' wurden sie seinerzeit genannt: Piet, Sven, Petra, Susann, Bernhard und Dille. Und auch wenn sich ihre Leben im Laufe der Jahrzehnte auseinanderentwickelt haben - die Freundschaft blieb.

Piet lässt die vergangenen gemeinsamen 40 Jahre Revue passieren, und da ich im selben Jahrzehnt geboren wurde wie die sechs Helden, war das wie eine Reise durch meine eigene Kindheit und mein Leben. Ereignisse, die ich längst verdrängt hatte, politische Bewegungen, besondere Augenblicke kamen wieder zum Vorschein, Gegenstände, Ausdrücke, Mode und Musik im Wechsel der Jahre - ein herrliches Wiedertreffen!
Die Beschreibung der Freundschaft unter den sechsen mit allen Höhen und Tiefen, Krisen und freudige Ereignisse im Leben der verschiedenen Charaktere - alles glaubwürdig geschildert, herrlich unpathetisch und unsentimental, und doch auf ganz eigene Art berührend. Sechs Leben im Zeitraffer, so anschaulich, so lebendig, so normal, so nachvollziehbar beschrieben, dass man fast meint, man würde dazugehören. Und keine einzige Seite des Buches ist langweilig.

Das Buch war ein Zufallsfund, und ich bin begeistert. Natürlich sollen sich auch jüngere Leser über das Buch freuen können - aber ich glaube doch, dass es vor allem die Leser meiner Generation sind, die das Buch in erster Linie anspricht.

Irgendwo las ich mal: 'Haben Sie schon ein Lieblingsbuch? Nehmen Sie einfach dieses!' Nun, eines meiner Lieblingsbücher ist dieses hier nun ganz gewiss...

© Parden

parden

Zum Buch... (evtl. mit weiteren Rezensionen)
 

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