Rezension Rezension (4/5*) zu Das Haus der vergessenen Bücher von Christopher Morley.

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Buchinformationen und Rezensionen zu Das Haus der vergessenen Bücher von Christopher Morley
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Das Original erschien bereits 1919.

Inhalt
Dieser Roman ist den Buchhändlern gewidmet, wie Christopher Morley in seiner Widmung kund tut.

In der antiquarischen Buchhandung "Parnassus", die im Stadtteil Brooklyn in einem gemütlichen Stadthaus der Gissing Street untergebracht ist, spukt es. Das behauptet zumindest der Besitzer des Sammelsuriums kostbarer Bücher, Roger Mifflin. Seine ganze Leidenschaft gehört seinen Schätzen, dem guten Essen, seiner Frau Helen - und seiner Maiskolbenpfeife.
An einem kalten Novemberabend macht er die Bekanntschaft von Aubrey Gilbert, der ein bestimmtes Anliegen hat.

"Ich vertrete die Grey Matter Advertising Agency- Reklame mit Grips, wie der Name schon sagt - und möchte Ihnen zu bedenken geben, ob Sie Ihre Werbung nicht in unsere Hände legen, uns mit der Abfassung schmissiger Werbesprüche für Sie betrauen und uns deren Platzierung in auflagenstarken Medien übertragen wollen. Jetzt, wo der Krieg zu Ende ist, sollten Sie an eine effektive Kampagne zur Erzielung größerer Umsätze denken." (S.11)

Bei Miffley, der nicht einmal eine Registrierkasse besitzt, stößt er dabei auf taube Ohren. Er vertritt die These, dass die Menschen nicht wissen, dass sie Bücher brauchen, also helfe auch keine Werbung dafür.

"Die Menschen gehen erst dann zu einem Buchhändler, wenn sie nach einem schweren Unfall ihrer Seele oder durch Krankheit die Gefahr erkennen. Dann kommen sie hierher. Würde ich Werbung machen, wäre das etwas so sinnvoll, als würde man kerngesunde Menschen zum Arzt schicken." (S.12)

Dennoch lädt Roger Mifflin den jungen Mann zum Essen ein, das seine Gattin gerade einen Familienbesuch in Boston tätigt. Dabei vertraut er Aubrey seine eigene sehr amüsante Küchenphilosophie an:

"In der Küche sehe ich den Schreiben unserer Kultur, die Essenz all dessen, was wohlgestalt ist im Leben." (S.15)

In die beschauliche Welt der Mifflins kommt Bewegung, denn Mr Mifflin hat sich aus Verbundenheit zu einem alten Freund - Mr Chapman, für dessen Kurpflaumen Aubreys Agentur Werbung macht - bereit erklärt, dessen Tochter in den Buchhandel einzuführen. Daher reist die junge Dame, Titania, an, um bei den Mifflins zu wohnen und zu arbeiten.

Ein anderes Ereignis, dass Roger Mifflin aus der Fassung bringt, ist ein verschwundenes, oder vielleicht gestohlenes Buch: Thomas Carlyles Oliver Cromwell.

Seltsamerweise entdeckt Titania eine Suchanzeige in der Zeitung, in der eben jenes Buch als verloren gemeldet wird, von einem Beikoch des Octagon-Hotels. Die gleiche Meldung zeigt auch Aubrey Mr Mifflin und bei der Gelegenheit lernt er die junge Dame kennen und verliebt sich selbstredend in sie.

Aubrey hat jedoch noch Seltsameres zu erzählen. Er begegnet nämlich jenem Koch in der Hotellobby, wobei dieser das Buch in der Hand trägt. Darauf angesprochen scheint er erschrocken und es stellt sich heraus, dass er derjenige gewesen ist, der in der Buchhandlung Paranassus auch nach diesem Roman gefragt hat. Und, das Buch ist zurück, aber mit einem neuen Umschlag.
Noch skurriler wird es, wenn Aubrey den Buchumschlag im Drugstore von Mr Weintraub, einem Deutschen, findet, geistesgegenwärtig steckt er es ein und wird anschließend auf einer Brücke überfallen.
Was geht da vor sich? Er beschließt die Buchhandlung zu beschatten und Titania zu beschützen.


Bewertung

"Das sogenannte gute Buch gibt es nicht. Ein Buch ist nur dann gut, wenn es menschlichen Hunger stillt oder einen menschlichen Irrtum widerlegt. Ein Buch, das aus meiner Sicht gut ist, ist für Sie vielleicht ohne jeden Wert." (S.13)

Die Ausführungen Roger Mifflins zu der Literatur, der amerikanischen, zum Buchhandel, zur Weltlage sind interessant zu lesen und manchmal erschreckend aktuell. Zum Beispiel, wenn er den patriotischen Egoismus als Ursache der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Staaten anprangert:

"Lasst uns die Welt lieben, lasst uns die Menschheit lieben - und nicht nur unser Land. Deshalb ist die Rolle so wichtig, die wir auf der Friedenskonferenz spielen werden. Unser Motto dort drüben muss "Amerika zuletzt" lauten, und darauf sollten wir stolz sein, denn als einzige Nation sollte es uns da drüben nicht um Eigennutz gehen, sondern nur um den Frieden." (S.114)

Vielleicht sollte man dem amerikanischen Präsidenten diesen Roman zur Lektüre empfehlen!

Der Spionagefall ist zweitrangig und recht konfus, allerdings sorgt er im letzten Teil des Romans für eine Spannungssteigerung, während der erste Teil den Reflexionen, die manchmal etwas zu ausschweifend sind, und dem Wert der Bücher gewidmet ist.

Dafür entschädigen die Erzählerkommentare:

"Unsere Leser würden uns berechtigtermaßen grollen, wenn wir uns nicht an einer Beschreibung der jungen Dame versuchen würden, und wir wollen die wenigen Häuserblocks, die sie auf der Gissing Street zurücklegte, dazu nutzen." (S.65),

die genau, wie die heutzutage altmodisch wirkende Sprache den ganz besonderen Reiz dieses ruhigen Romans ausmachen, der betulich die Spionage Geschichte entwickelt, um sie überraschend aufzulösen.

Ein Roman, der sich an Bibliophilie richtet und für Lesevergnügen sorgt.

Und ich weiß jetzt, dass ich eine "Librocubicularistin" bin, jemand, der gerne im Bett liest ;)

 
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