3. Diskussionen bis Ende

supportadmin

Administrator
29. Oktober 2013
2.548
2.666
49
Hier ist Platz für die Diskussionen zu "Nichts als die Nacht" von #john williams bis Ende (gebundene Ausgabe)
 

Momo

Aktives Mitglied
10. November 2014
995
1.264
44
Mittlerweile gerät Arthur in eine Tanzgesellschaft, lernt Claire kenben, doch er macht die Erfahrung, sich hier unter vielen Menschen nicht wohl zu fühlen. Das Bild mit dem Blinden und den Gehörlosen und den Vergleich finde ich spannend, Seite 107f. Die Blinden, die nicht abgelenkt werden durch Äußerlichkeiten, sondern sich ganz den inneren Erlebnissen zuwenden. Die Dunkelheit, in der Blinde leben würden, findet Arthur als eine dunkle Schönheit.
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Like
Reaktionen: Atalante und parden

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.835
7.675
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Ach herrje, was für ein Ende. Ich muss gestehen, dass mich das Buch echt verstört zurücklässt. Dieser ausführliche Flashback zu dem Abend, an dem seine Mutter starb und vorher versuchte, seinen Vater zu töten, ließ bei mir Mitleid mit Arthur aufkommen. Andererseits verstehe ich nicht, weshalb er fortan nichts mehr mit seinem Vater zu tun haben wollte? Dass Arthur Claire in einer Gewaltorgie zursammenschlug, hat mich dann echt erschüttert. Was sollte das denn? Wieso brach sich die Gewalt ausgerechnet hier Bahn? Und anschließend wurde er dann selbst von dem Gorilla von Nachbarn zusammengeschlagen. Um schließlich in der Nacht zu verschwinden. Endlich allein. Herrje noch eins.

Was man dem Roman jedenfalls attestieren muss, ist eine ungeheure Metaphernfülle. Die Bildhaftigkeit hat mir gefallen. Ich kann jedoch nicht behaupten, sämtliche Gedankengänge und Gefühlsnuancen nachvollziehen zu können. Ziemlich trostlos, das Ganze. Und auch nicht mit dem Gefühl beendet, dass Arthur künftig mehr mit sich im Reinen leben können wird. Oder? Wie seht Ihr das?
 

Momo

Aktives Mitglied
10. November 2014
995
1.264
44
Wow, was für ein Ende. Damit habe ich wahrlich nicht gerechnet. Nun ist es raus, was mit der Mutter passiert ist. Nun ist es raus, weshalb Arthur ein so einsamer Mensch ist. Macht mich sehr nachdenklich.

Aber es sind ein paar Dinge, die doch irgendwie offen geblieben sind. Weshalb hat Arthur ein verstörtes Verhältnis zu seinem Vater? Macht er ihn unbewusst für die Tat seiner Mutter verantwortlich? Weil er womöglich als schwach galt als Mann und die Tat nicht verhindern konnte? Was sind die Gründe der Mutter für diese Tat gewesen? Was hat zu diesem mörderischen Ehekrach geführt? Wie furchtbar für ein Kind, während dieser entsetzlichen blutigen Tat Zeuge zu sein.
 
  • Like
Reaktionen: Atalante und parden

Momo

Aktives Mitglied
10. November 2014
995
1.264
44
Der Schluss beschäftigt mich noch immer, ich blättere immer wieder zurück, um manche Stellen ein weiteres Mal zu lesen. Was Arthur mit seinen streitenden Eltern in seiner Kindheit erlebt hat, ist furchtbar traumatisch. Findet keine Aufarbeitung dieser dramatischen Erlebnisse statt? Nein, findet nicht. Auch der Vater nicht. "Den Schmutz auf der Seele" reinigen, das wäre für mich ein Versuch, diese schrecklichen Erlebnisse aufzuarbeiten. Dass der Vater eine neue Lebensgefährtin hat, was Arthur vielleicht nicht wirklich akzeptieren kann, so glaube ich immer noch nicht, dass die neue Beziehung der Grund seiner Ablehnung ist. Es geht viel tiefer. Was mit Claire am Ende passiert, Claire, die ihn an seine Mutter erinnern lässt, findet hier eine zwanghafte Wiederholung statt. Das kann passieren, wenn traumatische Erlebnisse unverarbeit bleiben. Hätte er Claire nicht schützen sollen, wo sie ihn an seine Mutter erinnern lässt? Wäre der Nachbar nicht eingedrungen, hätte Arthur Claire getötet?

Und welches Recht hat Claires Nachbar, Arthur zusammenzuschlagen, um Claire zu rächen?
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Like
Reaktionen: Atalante und parden

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.068
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
Ich muss gestehen, dass mich der Gewaltausbruch gar nicht so sehr überrascht hat. Arthur hat so viele aufgestaute Wut in sich, dass sie sich entweder in Ekstase oder in Gewalt Bahn brechen musste.
@Momo, ich sehe es auch so, dass der Sohn den Vater für die Tat der Mutter verantwortlich macht, dass er Schwäche gezeigt hat. Dass die Mutter psychisch labil ist, zeigt sich schon am Einschlafritual, an ihrer gelegentlichen Abwesenheit. Daran, dass der Junge sich nicht traut zu bewegen. Die Begegnung mit der ekstatischen, fast wahnsinnigen Tänzerin, löst dann die Erinnerung aus an diese "wahnsinnige" Tat, so sehe ich es. Den Schluss finde ich auch deprimierend - das Nachwort erhellt zumindest die Umstände, unter denen die Novelle entstanden ist. Da kann auch kein Optimismus aufkommen. Auf mich wirkt sie tatsächlich unfertig - so viele offenen Fragen.
Die Sprache ist sehr metaphernreich, das gefällt mir einerseits, andererseits ist manchmal zu viel. Das hat er ja dann auch in Stoner etwas reduziert.
 
  • Like
Reaktionen: Atalante und parden

Renie

Moderator
Teammitglied
19. Mai 2014
5.858
12.454
49
Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Das Nachwort ist hochinteressant. Irgendwie verständlich, dass diese Novelle von den Verlegern abgelehnt worden ist. Dafür ist sie einfach zu verstörend. Da reisst auch die Sprachkunst nicht viel raus. Zumal Williams' Sprache an manchen Stellen auch zu viel des Guten ist. Wie schön, dass Williams mit zunehmendem Alter seine "Gier nach der ultimativen Metapher" ;) in den Griff bekommen hat.
Sehr amüsant war für mich der Hinweis in dem Nachwort, dass Williams seine Novelle in seinen späteren Jahren verleugnet hat. Also, so schlimm war das Buch jetzt aber auch nicht.:D
 

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.068
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
Was ist denn, wenn es gar keinen "klassischen" Ehekrach gab? Vielleicht war die Mutter psychisch krank und hat diese Erkrankung an ihren Sohn weitergegeben?

Ich glaube auch nicht, dass es ein Ehekrach gewesen ist. Die Mutter scheint mir psychisch krank gewesen zu sein, das habe ich weiter oben auch schon geschrieben. Diese Angst des Jungen sich zu bewegen beim Gute Nacht Sagen, gibt darauf zumindest einen Hinweis. Und psychisch gesund scheint mir der Protagonist auch nicht.
 
  • Like
Reaktionen: Renie

Atalante

Aktives Mitglied
20. März 2014
859
1.095
44
atalantes.de
Auch in diesem Tanzlokal macht Arthur eine Außerkörperliche Erfahrung. Später entdeckt er die attraktive Claire, betrinkt sich mit ihr, gesteht ihr seine Freude über das zufällige Kennenlernen. Doch bemerkt er "wie allein wir doch sind". Ein Widerspruch?

Die Ekstase im Gesicht der Tänzerin katapultiert ihn in die Vision seines Traumas. Nennt man das in der Psychologie nicht Trigger? Diese Geschichte ist voller Trigger für Arthur. Wie Williams diese nach und nach einfügt, ist sehr spannend gemacht.

Nun erleben wir durch Arthurs Erinnerung im 10. Abschnitt oder Kapitel endlich die "Urszene". Interessant finde ich, daß Arthur sein Trauma erkennt und wie stark seine Persönlichkeit darunter leidet.

In Claires Zimmer bricht die aufgestaute Wut gegen die Mutter, vielleicht auch die Wut darüber, daß weder er noch sein Vater, die Mutter an ihrer Tat hindern konnten, aus ihm heraus. Seine Aggression richtet sich gegen die unschuldige Claire.

Die anschließende Bestrafung nimmt er hin, er erwartet sie geradezu. Mir erscheint er anschließend geläutert, befreit. Er macht sich in die Nacht auf, wo ihn nichts erwartet, wo er endlich allein sein kann. Vielleicht hat er am Ende der Nacht ein Stück von seiner Identität gefunden? Darüber kann man diskutieren. Auf mich wirkt das Ende positiv.
 
  • Like
Reaktionen: Renie

Atalante

Aktives Mitglied
20. März 2014
859
1.095
44
atalantes.de
Es könnte sein, wie ihr schreibt, daß die Mutter ebenfalls psychisch krank war. Das Gute-Nacht-Drama erinnert mich allerdings nach wie vor an Proust. Es gibt ja viele Gründe, weshalb Mütter nicht "nach oben gehen" .

Schade, daß das Nachwort nicht auf Williams literarische Vorbilder eingeht. Die Erzählung derart von ihrer Entstehungsgeschichte abhängig zu machen, halte ich für übertrieben. Ich sehe da nur geringe Überschneidung. Williams hat sich durch das Schreiben von seiner Situation abgelenkt. Er hat typische Sinnfragen seines Alters einfließen lassen. Vielleicht seine eigene Vatergeschichte - was ja auch nichts mehr mit dem Lager in Burma zu tun hat -. Aber was ist mit der Frauenproblematik? Meines Wissens waren die im damaligen Kriegsgeschehen nicht gerade überrepräsentiert.

Gut gefallen hat mir der expressive Stil, das psychologisierende Fühlen nach Innen, das Hypersensible -gibt es so auch bei Proust-. Nach wie vor hadere ich mit einigen Metaphern. Für mich ist es die lesenswerte Geschichte einer psychischen Entwicklung oder Befreiung.
 

Momo

Aktives Mitglied
10. November 2014
995
1.264
44
[zitat] Das Gute-Nacht-Drama erinnert mich allerdings nach wie vor an Proust. Es gibt ja viele Gründe, weshalb Mütter nicht "nach oben gehen" .[/zitat]

Das genau, Atalante habe ich auch in meiner Buchbesprechung geschrieben. Freu....
 
  • Like
Reaktionen: Atalante

Atalante

Aktives Mitglied
20. März 2014
859
1.095
44
atalantes.de
Vielleicht, @Momo sind wir auch proustgeschädigt? ;)

Bei den Prousts war es ja so, daß der Vater es nicht gerne sah, wenn die Mutter die kleine Abendrunde verließ, um nochmals zu Marcel nach oben zu gehen. Es waren gesellschaftliche und aus Sicht des Vaters auch erzieherische Gründe.

Bei Arthurs' Mutter mögen, wie @Renie und @Querleserin schon sagten, auch psychische Dinge vorgelegen haben.

Aber, wie der kleine Junge in seinem Bett auf die ersehnte Begegnung wartet, erinnert mich stark an Proust. Leider habe ich den Band gerade nicht bei mir.

Andererseits ist das eine Kindheitserfahrung, die viele von uns kennen. Wir sind also alle ein bisschen Proust.;)
 
  • Like
Reaktionen: Renie

Momo

Aktives Mitglied
10. November 2014
995
1.264
44
Ich bin der selben Meinung wie Renie und Querleserin. Arthurs Mutter ist auch in meinen Augen psychisch gestört gewesen. Ich habe mich lediglich in der Szene an Proust erinnert, als Arthur diese süßlichen Erinnerungen zu der Mutter hatte. Lediglich diese Miniszene ließ mich an Proust zurückdenken, alles andere hat aber wenig mit Proust zu tun.
 

Atalante

Aktives Mitglied
20. März 2014
859
1.095
44
atalantes.de
Ich beziehe mich natürlich auf den Gute-Nacht-Kuss. Allerdings würde ich auch Proust eine gewisse Hypersensibilität nicht absprechen wollen.;)
 
  • Stimme zu
Reaktionen: Momo

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.250
49.187
49
Nun bin auch ich endlich am Ende. Proust habe ich nie gelesen, kann daher keine Parallelen ziehen.

Das Buch lässt mich höchst verstört zurück, etwas Ähnliches kannte ich bislang nicht, auch fehlt mir die vielleicht hilfreiche psychologische Bildung. Bei allem Verständnis für Arthur und sein furchtbares Trauma kann ich sein Verhalten nicht nachvollziehen und schließe mich der These an, dass eine Geisteskrankheit vorliegt.
Andererseits verstehe ich nicht, weshalb er fortan nichts mehr mit seinem Vater zu tun haben wollte? Dass Arthur Claire in einer Gewaltorgie zursammenschlug, hat mich dann echt erschüttert.
Ich dachte, wunderwas der Vater an Schuld auf sich geladen hätte...
Schon beim Treffen mit den Sohn wirkte der Vater jedoch recht versöhnlich, berichtete über seine eigene Flucht, über den Wunsch, zur Ruhe zu kommen....
So recht an dessen Schuld mag ich nun nicht glauben, eher an das Versagen, seiner (psychisch kranken?) Frau zu helfen.
Dass Arthur Claire in einer Gewaltorgie zusammenschlug, hat mich dann echt erschüttert. Was sollte das denn? Wieso brach sich die Gewalt ausgerechnet hier Bahn?
Ja. Da geht es mir komplett genauso. Arthur verlässt ja immer wieder seinen Körper, das hat schon was Schizophrenes. Diese Welle der Gewalt, kurz nachdem er so etwas wie Liebe/Zuneigung empfunden hat.... Einfach krank!
Irgendwie verständlich, dass diese Novelle von den Verlegern abgelehnt worden ist. Dafür ist sie einfach zu verstörend.
Da Stimme ich dir zu! Diese Novelle kommt weder an Butchers Crossing noch an Stoner heran. Dafür handelt sie zu sehr von der verwirrenden Innenschau eines psychisch kranken Menschen. Das Finale war mir zudem zu heftig und nicht nachvollziehbar.
Die Erzählung derart von ihrer Entstehungsgeschichte abhängig zu machen, halte ich für übertrieben.
Absolut! Im Nachhinein war der Autor offenbar selbst nicht mehr zufrieden mit seinem Werk. Vielleicht hätten auch die kommerziellen Interessenten das respektieren und auf eine Neuauflage verzichten sollen? Vielleicht bin ich aber auch nur zu wenig Mann und zu alt, um diese Geschichte zu verstehen?

Gut gefallen hat mir auf alle Fälle das sprachliche Niveau! Über einige hier schon genannte Metaphern kann man streiten, im Großen und Ganzen hat mich der Stil jedoch beeindruckt.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.250
49.187
49
Fazit:
Die Geschichte hat mich schon in ihren Bann gezogen: Früh wurde klar, dass der Junge Arthur etwas Furchtbares erlebt haben muss. Eine Familientragödie. Die Hinführung war aus meiner Sicht gelungen. Irgendwann im Tanzlokal, als seine Stimmungen hin und her wankten, hat der Handlungsfaden mich verloren. Mit dem Ende der Geschichte war ich dann völlig überfordert. Schade!