2. Diskussionen bis S. 93

supportadmin

Administrator
29. Oktober 2013
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Hier ist Platz für die Diskussionen zu "Nichts als die Nacht" von #john williams bis S. 93 (gebundene Ausgabe)
 

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Auch wenn ich mich wiederhole: der Schreibstil von John Williams gefällt mir ausgesprochen gut. Die Formulierungen sind so sorgfältig gewählt, dass nicht ein Wort falsch gesetzt scheint. Dabei geschieht an und für sich ausgesprochen wenig, doch die Gedanken und Gefühle sind von einer unglaublichen Intensität. Das Mittagessen mit seinem Freund (?) endet in einem Zerwürfnis, das Abendessen mit seinem Vater endet für beide unsagbar traurig und hoffnungslos. Und nun zieht Arthur Maxley auf der Suche nach - ja, nach was? - durch die Nacht, den Alkohol immer bei Fuß... Der Vater reist durch die Weltgeschichte, um nicht nachdenken und nicht fühlen zu müssen, Arthur betäubt sich mit Alkohol, um zu vergessen. Und immer noch ist nicht klar, was mit Arthurs Mutter geschehen ist, ich vermute, sie lebt nicht mehr. Aber was hat diese idyllische Familienkonstellation, von der Arthur immer noch träumt - und sein Vater offensichtlich ebenso - nur zerstört? Ich bin gespannt, ob es hierauf noch eine Antwort geben wird.
 

Momo

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10. November 2014
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Die selben Fragen habe ich mir auch gestellt. Was ist mit der Mutter passiert? Man könnte sich ja ein paar mögliche Antworten zurechtspinnen, aber irgendwie fällt mir keine ein, die so recht zu der Geschichte passen könnte. Arthur wirkt recht vorwurfsvoll dem Vater gegenüber ... Der Vater scheint Arthur gegenüber Schuldgefühle zu haben. Aber nicht nur der Vater, sondern auch der Sohn scheint vor irgendeiner Problematik davon zu laufen. Der Tod der Mutter?

Was hat Staffort konkret mit der Geschichte zu tun? Bin gespannt, ob der auf den letzten 50 Seiten wieder auftaucht.

Auf der Seite 84 geht es wieder um Arthurs Einsamkeit, die mich persönlich sehr betroffen stimmt. Auch ich finde die literarische Ausdrucksweise perfekt gewählt.

[zitat]Und während Arthur so an diesem Hochsommerabend durch überfüllte Straßen ging, überfüllte ihn jene , die man nur in der monströsen Unpersönlichkeit einer Menschenmenge empfinden kann, dieses unvergleichliche Gefühl puren Alleinseins, wie man es unter keinen anderen Umständen spürt. Die einsame Gestalt in der sich kaum veränderten Weite einer Wüste ist nicht so allein, wie man sich in der Unendlichkeit einer überfüllten Stadt verloren fühlen kann. (...) Die aberhundert fremden Leiber, die unwissentlich streifen, die aberhundert fremden Blicke, die auf sein Gesicht fallen, ohne es zu sehen oder zu erkennen, die Stimmen, die um ihn herum und über ihn hinweg reden, nie aber mit ihm - darin liegt wahre Einsamkeit.[/zitat]
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
querleserin.blogspot.com
@parden und @Momo haben schon ganz viel dazu geschrieben, was mir auch aufgefallen ist. Voran die außergewöhnliche Sprache mit ihren gewaltigen Bildern und der genauen Beschreibung kleinster äußerer und innerer Regung.
Interssant fand ich, wie das Gespräch mit dem Vater gekippt ist. Bis zum Auftauchen der Frau, die seiner Mutter so ähnelt, hat es fast so ausgesehen, als könne eine Nähe zwischen den beiden entstehen. Doch die Liebesaffäre des Vaters zerstört diese, sie wird vom Sohn als Verrat empfunden, der nicht wieder gut zu machen ist.
 

Renie

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19. Mai 2014
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Auch wenn ich euch Recht gebe, was die außergewöhnliche Sprache angeht, so vermisse ich doch die innere Ruhe, die mich beim Lesen von "Stoner" und "Butcher Crossing" überkommen hat. Die geht mir hier völlig ab. Stattdessen empfinde ich das Lesen als anstrengend, bedingt durch den seelischen Kampf, den Arthur mit sich ausficht.
Kam es euch auch so vor, dass Arthur im Zusammensein mit Stafford fast schon "normal" gewirkt hat? Als ob er Selbstbewusstsein durch die Schwäche des anderen tankt?
Wohingegen die Begegnung mit dem Vater das Gegenteil bewirkt. Anfangs hat der Vater etwas Strahlendes und Energiegeladenes an sich, das den Sohn noch blasser und kraftloser erscheinen lässt, als er es ohnehin schon ist. Und mit jedem Anzeichen von Schwäche, das der Vater zeigt, scheint es Arthur besser zu gehen.
Ein merkwürdiges Vater-Sohn-Verhältnis. Ich bin gespannt auf die Auflösung des Familiendramas.
 

Atalante

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20. März 2014
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Tja, was soll mir dieses Kapitel über das Treffen mit Stafford sagen? Ist es ein Teil der Identitätssuche Arthurs?

Der weiß eigentlich nicht, wieso er mit Stafford befreundet ist. Er hat ihn längst als Blender entlarvt, lehnt dessen Homosexualität ab und ist doch verstört als sich der vermeintliche Freund nun endgültig abwendet.

Arthur irrt durch die Nacht. Brauchte Williams den Konflikt in diesem Kapitel um seinen Protagonisten "raus" zu schicken und sich einsam und fremd fühlen zu lassen?

Die Darstellungen sind sehr eindringlich, auch im nächsten Kapitel, dem Treffen mit dem Vater. Als Leserin hatte ich den Eindruck, daß der Vater Arthurs Verstörung verursacht hat. Ging es euch auch so?

Trotzdem hatte ich Mitleid mit dem Vater, der vergeblich versucht einen Zugang zum Sohn aufzubauen. Beinahe gelingt es, doch das zarte Band zerreißt als sich eine Frau nähert, die Arthur aufgrund der großen Ähnlichkeit zur Mutter als Geist deutet. Sie entpuppt sich als Geliebte des Vaters.

Wieder verlässt Arthur verstört das Lokal. Er taucht ein "in der monströsen Unpersönlichkeit einer Menschenmenge", ein Edward-Hopper-Moment, und betritt ein Tanzlokal, wo die Paare auf der Tanzfläche ungute Assoziationen in ihm wecken.
 

Atalante

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20. März 2014
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Stafford als Gegenpart zu Arthur, @Renie . Das finde ich eine interessante Sichtweise. Es könnte die Figur ein wenig erklären.

Vielleicht steckt auch ein Stück von Williams selbst in der Figur. ICh denke an deren Wunsch einen Verlag zu gründen.
 

Renie

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19. Mai 2014
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Als Leserin hatte ich den Eindruck, daß der Vater Arthurs Verstörung verursacht hat. Ging es euch auch so?
Ich hatte auch von Anfang an den Eindruck, dass der Vater seinen Beitrag zu Arthurs seelischen Problemen geleistet hat.
Trotzdem hatte ich Mitleid mit dem Vater, der vergeblich versucht einen Zugang zum Sohn aufzubauen. Beinahe gelingt es, doch das zarte Band zerreißt als sich eine Frau nähert, die Arthur aufgrund der großen Ähnlichkeit zur Mutter als Geist deutet.
Ich habe dieses Treffen eher als Pflichtübung wahrgenommen und gar nicht so sehr als den Versuch des Vaters, seinem Sohn näher zu kommen. Rückblickend kann man sagen, dass auch sein Leben aus dem Gleis geraten ist und er die Flucht in die Arbeit sucht. Arthur ist noch die einzige Verbindung zu seiner Vergangenheit. Er scheint ein wenig vorsichtig im Umgang mit seinem Sohn, fast als ob er scheut, mit der Vergangenheit konfrontiert zu werden. Ich bin überzeugt, dass die Fragen, die er seinem Sohn stellt, dieselben sind, die er schon viele Male zuvor gestellt hat.
Vielleicht steckt auch ein Stück von Williams selbst in der Figur. ICh denke an deren Wunsch einen Verlag zu gründen.
Ein interessanter Ansatz: Williams in Hitchcock-Manier;)
 

Atalante

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20. März 2014
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Ich habe dieses Treffen eher als Pflichtübung wahrgenommen und gar nicht so sehr als den Versuch des Vaters, seinem Sohn näher zu kommen.

Der Vater wirkte auf mich so, als ob er es sehr bedauert, daß das Ereignis die beiden auseinander brachte. Er unterstützt ihn finanziell, er sucht immer wieder Kontakt, telefonisch und nachdem er merkte, daß dies für Arthur schlecht ist, auch durch Briefe. Er schien hoffnungsvoll in diese erneute Begegnung mit seinem Sohn gegangen zu sein. Gibt sich Mühe und bietet erneut Unterstützung an.

Vielleicht erhofft er sich, nach einer Annäherung gemeinsam mit Arthur die katastrophale Erfahrung verarbeiten zu können?
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Interssant fand ich, wie das Gespräch mit dem Vater gekippt ist. Bis zum Auftauchen der Frau, die seiner Mutter so ähnelt, hat es fast so ausgesehen, als könne eine Nähe zwischen den beiden entstehen.
Diese Szene hatte eine außergewöhnliche Intensität. Jedes Wort gekonnt gesetzt, wie überhaupt im gesamten Buch. Ich habe richtig mitgefiebert, habe auf eine Verständigung der offensichtlich beschädigten Seelen gehofft. Es überraschte mich, dass der Vater offenbar auch seit Jahren leidet und flieht. Aufgrund der Vorgeschichte vermutete ich, dass er der Täter wäre. Hoffentlich gibt es am Ende Klarheit.
Der Vater wirkte auf mich so, als ob er es sehr bedauert, daß das Ereignis die beiden auseinander brachte.
Das empfinde ich ebenso! Der Vater wirkte auf mich authentisch. Das Auftauchen der Frau hat auch ihn gestört und irritiert, er wusste, wie fragil die Annäherung an den Sohn war.
Vielleicht erhofft er sich, nach einer Annäherung gemeinsam mit Arthur die katastrophale Erfahrung verarbeiten zu können?
Interessant, dass beide das Bild der Flucht wählen. Beide leiden unter der Vergangenheit. Es hat mit der Mutter zu tun. Ich bin sehr gespannt!