Rezension Rezension (4/5*) zu Gray: Kriminalroman von Leonie Swann.

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Buchinformationen und Rezensionen zu Gray: Kriminalroman von Leonie Swann
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Gaga oh-la-la!

Dr. Augustus Huff, Dozent in Cambridge, hat plötzlich einen Vogel – und ein Problem: Einer seiner Studenten ist beim Fassadenklettern in den Tod gestürzt. War es nur ein tragischer Unfall? Oder Mord? Augustus vermutet Letzteres und geht auf Spurensuche – unterstützt von Gray, dem Graupapageien des Verstorbenen. Der sprachbegabte Vogel erweist sich als vorlautes Federvieh, und zuerst stolpert Augustus bei seinen Ermittlungsversuchen von einem Fettnäpfchen in das nächste. Doch schon bald ist es Gray, der im Labyrinth der altehrwürdigen Universität die richtigen Fragen stellt. Augustus begreift: nur gemeinsam können sie es schaffen, diese harte Nuss von einem Fall zu knacken.

Wer sich fragt, was die durchgeknallte Überschrift dieser Rezension bedeuten soll, dem sei gesagt, dass dies eine Zeile aus Lady Gaga's Song 'Bad Romance' ist, die der sprachgewandte Graupapagei Gray ständig singt. Doch dabei belässt er es nicht. Durchaus nicht uneigennützig lässt Gray ständig Kommentare los wie 'Keks', 'Traube' oder 'Nimm 'ne Nuss'. Und bald schon merkt Dr. Augustus Huff, der als vorübergehender Halter des Vogels fungiert, dass der Graupapagei überaus intelligent zu sein scheint. Oftmals antwortet dieser nämlich nicht nur passend, sondern beherrscht auch Kategorisierungen - so kann er z.B. äußern, aus welchem Material etwas besteht und welche Farbe es hat, aber auch, was gleich ist und was nicht zu den anderen Dingen passt. Kein Wunder also, dass Dr. Augustus Huff zunehmend den Eindruck gewinnt, dass ohne Gray der Fall nicht zu lösen ist.

Denn ein Fall scheint der Tod des Studenten Elliot Fairbanks zu sein, der dem Papagei all seine Sprachkünste beigebracht hat. Elliot war ein begabter Student aus bestem Hause, doch lag er eines Morgens tot am Fuß der King´s Chapel in Cambrige - abgestürzt oben vom Dach der Kapelle. Wurde zunächst von einem Unfalltod oder aber einem möglichen Suizid ausgegangen, häufen sich schließlich die Anzeichen, dass der junge Student womöglich ermordet wurde. Doch weshalb und von wem? Dr. Augustus Huff macht sich auf die Suche nach Antworten, auf Schritt und Tritt flankiert von Elliots Graupapagei, der auf Augustus Schulter ein neues Zuhause gefunden zu haben scheint...

Ein originelles Ermittlerduo hat Leonie Swann hier geschaffen. Für kriminalistische Ermittlungen sind Unauffälligkeit und Diskretion im Normalfall empfehlenswert, doch mit dem lautstarken und auffälligen Vogel gerät Dr. Augustus Huff doch oft eher in brenzlige und, ja, auch in komische Situationen. Gray, der kein Blatt vor den Mund nimmt, der Stimmen imitiert, der bei den Verdächtigen mit seinen respektlosen Kommentaren nicht immer erwünschte Reaktionen hervorruft, schafft es schließlich doch, Dr. Augustus Huff auf Umwegen auf die Spur des Mörders zu führen. Der Graupapagei stößt Denkprozesse an, stellt die richtigen Fragen und tut auch so einiges für Augustus' Selbstbewusstsein. Der scheue, ordnungsliebende, pedantische und zeitweise zwanghafte Akademiker lernt über vorlauten Sprüchen und unerträglichen Kekskrümeleien, dass das Leben auch ohne aufgeräumten Schreibtisch lebenswert ist.

Hier steht eindeutig eher das ungewöhnliche Ermittlerduo im Fokus des Geschehens als der Kriminalfall selbst. Eine Menge absurder und komischer Szenen haben mich beim Hören richtiggehend amüsiert, und v.a. Gray ist mir dabei rasch ans Herz gewachsen. Diese Mischung aus Intelligenz, großer Klappe und Frechheit auf der einen, Unbeholfenheit und Hilflosigkeit auf der anderen Seite erscheint überaus charmant. Und die wachsende Freundschaft zwischen Augustus und Gray ist einfach nur herzlich. Der Kriminalfall selbst plätschert phasenweise etwas vor sich hin, was ich aufgrund des unterhaltsamen Miteinanders der Hauptcharaktere aber als nicht sonderlich störend empfand. Bis zum Schluss war mir nicht klar, wer hier der Täter sein könnte, aber womöglich habe ich mich auch nicht ausreichend auf den Fall konzentriert, sondern eben auf das Geschehen um den Dozenten und seinen Papagei.

Gelesen wird die leider gekürzte Hörbuchfassung (8 h 44 min) in erster Linie von Bjarne Mädel, ergänzt von vereinzelten Tagebucheintragungen gelesen von Christopher Heisler. Beides wirkt gekonnt und - passend zu dem unbeholfenen Dr. Augustus Huff - auf eine trockene Weise erheiternd.

Für mich ein schönes Hörerlebnis, das vor allem durch seine Charaktere punkten konnte.


© Parden