Ab 'Ein zarter weißer Unterleib'

Helmut Pöll

Moderator
Teammitglied
9. Dezember 2013
6.575
11.111
49
München
Der Afrikaforscher Mungo Park ist scheinbar in Gefangenschaft geraten. So beginnt die Geschichte. Irgendwo in den Tiefen Afrikas wundert man sich über seine bleiche Haut. Den dortigen Bewohnern, die scheinbar noch nie einen Weißen gesehen haben, ist er unheimlich.

Gleichzeitig wird in einem anderen Handlungsstrang Ned Rise vorgestellt, ein Londonder Trunkenbold und Ganove, dessen Wege sich vermutlich bald mit denen von Mungo Park kreuzen werden.
 

Helmut Pöll

Moderator
Teammitglied
9. Dezember 2013
6.575
11.111
49
München
Grausam, brutal, zynisch, aberwitzig, so lassen sich vielleicht die ersten 50 Seiten zusammenfassen. Da ist zum Beispiel Johnson, der als junger Mann in Afrika von Sklavenhändlern verschleppt wird, dann zehn Jahre auf einer Farm in Virginia schuftet, bevor er zum Hausdiener aufsteigt und in London in gehobenen Kreisen lebt. Durch einen dummen Zufall verliert er alles und kehrt nach vielen Wirrungen in sein Heimatdorf zurück - und wird zum Dolmetscher von Mungo Parks. Während mir Johnson sehr sympathisch ist, bin ich mir bei Mungo Parks noch nicht wirklich sicher, wie ich den einschätzen soll.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.240
49.145
49
Ja @Helmut Pöll : Das hast du sehr schön zusammengefasst! Ich habe etwa auch die ersten 50 Seiten gehört (übrigens ganz hervorragend von Stefan Kaminski gelesen) und ich bin noch völlig unentschlossen, was ich von dieser Geschichte halten soll. Boyle hat hier so einen eigenen Tonfall gewählt. Er ist irgendwie nicht ganz ernst, die Sprache passt aber zur Skurrilität der Personen und Ereignisse.
Ich habe heute an der Stelle aufgehört, wo die junge Fatima von zahlreichen alten Männern "bespritzt" und zum Essen gezwungen wird.... Da wurde es mir ganz anders. Das Mädchen war 11....Wenn das nicht widerwärtig ist:mad:
Also so richtig gefallen tut mir das Buch noch nicht. Aber ich bin gespannt, was noch kommt. Ich bin ja noch voll in der Einführung.
 

Helmut Pöll

Moderator
Teammitglied
9. Dezember 2013
6.575
11.111
49
München
ich bin noch völlig unentschlossen, was ich von dieser Geschichte halten soll.
Sie ist in jedem Fall sehr speziell. Mich hat das vom Tonfall an Voltaires "Candide oder der Optimismus" erinnert, wo auch die schlimmsten Abscheulichkeiten wie Inquisition etc. mit viel ironie und Sarkasmus geschildert werden.

Boyle jedenfalls hat nicht vor irgendetwas zu beschönigen oder in irgendeinem Bereich eine heile Welt vorzugaukeln. Eher scheinen die Figuren der Geschichte als Schreckenskabinett angelegt.

Ich bin an der Stelle, an der er die Folgen der Einführung von Gin in England schildert. Das muss ja zeitweilig zu Massenalkoholismus geführt haben, zumal die Leute damals ja medizinisch auch nicht so aufgeklärt waren wie heute.
 
  • Like
Reaktionen: Renie

Renie

Moderator
Teammitglied
19. Mai 2014
5.858
12.454
49
Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Ich habe Spaß an dem Buch. Mir gefällt der saloppe Sprachstil. Boyle scheint richtig Spaß am Fabulieren zu haben. Durch seinen Sprachstil kommen die kritischen Themen, die Ihr angesprochen habt, @Literaturhexle @Helmut Pöll , noch extremer beim Leser an.

Ich überlege die ganze Zeit, an wen mich Mungo erinnert. Zunächst dachte ich an Don Quichote (mit Johnson als Sancho Pansa, das Pferd Rosinette wird auch irgendwo erwähnt). Aber so ganz passt dieser Vergleich dann doch nicht. Quichote hat ja Dinge gesehen, die gar nicht existierten - ich denke z. B. an die Windmühlen. Aber in ihrer Naivität ähneln sich die beiden. Aber jetzt, wo du Voltaire ins Gespräch bringst @Helmut Pöll erinnert mich Mungos Wesen tatsächlich an Candide.

Mir gefällt auch, dass Boyle zwischendurch immer wieder einen historischen Einblick liefert. Er fasst in ein paar Sätzen zusammen, was in der damaligen Zeit los war. Und wieder einmal stelle ich fest, wie lückenhaft mein Geschichtswissen ist. Boyle erwähnt historische Persönlichkeiten, die mir nur teilweise bekannt sind. Da muss ich wohl Wikipedia zu Rate ziehen.

Eine Sache ist mir noch aufgefallen. Es gibt eine Szene, da zeigt Ned einem anderen den Stinkefinger. Ich bin verblüfft. Denn ich hatte angenommen, dass der Stinkefinger eine Erfindung unserer Zeit ist. Entweder habe ich falsch gedacht, oder Boyle stellt seine Fantasie über Fakten - was er ja auch in seinem Vorwort angekündigt hat ;)
 

Helmut Pöll

Moderator
Teammitglied
9. Dezember 2013
6.575
11.111
49
München
Bei #ned rise bin ich immer hin und her gerissen zwischen Abscheu und Mitleid, wenn ich seine Kindheitsgeschichte lese. das war ja ein einziges Desaster, aber vermutlich in jeder Zeit und in dem Milieu nicht so selten.
 
  • Stimme zu
Reaktionen: Literaturhexle

Renie

Moderator
Teammitglied
19. Mai 2014
5.858
12.454
49
Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Bei #ned rise bin ich immer hin und her gerissen zwischen Abscheu und Mitleid, wenn ich seine Kindheitsgeschichte lese. das war ja ein einziges Desaster, aber vermutlich in jeder Zeit und in dem Milieu nicht so selten.

Ich frage mich auch die ganze Zeit, wie Boyle die beiden Handlungsstränge (Ned und Mungo) zusammen bringen wird. Momentan kann ich mir noch nicht vorstellen, welche Rolle Ned spielen wird.
 
  • Stimme zu
Reaktionen: Literaturhexle

Helmut Pöll

Moderator
Teammitglied
9. Dezember 2013
6.575
11.111
49
München
Mungo Parks ist gerettet. Vorerst zumindest, nachdem Fatima, die Frau des Fürsten, Gefallen an ihm gefunden hat. Es ist wahrscheinlich ihre Neugierde an diesem aus ihrer Sicht seltsamen Wesen aus einer anderen Welt, die Mungo und seinen Dolmetscher Johnson erstmal das Leben retten.
Die Sprache von T.C. Boyle ist wirklich ganz besonders. man merkt richtig, dass ihm das Schreiben Spaß gemacht hat.
 
  • Stimme zu
Reaktionen: Literaturhexle

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.068
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
r ganz anders. Das Mädchen war 11....Wenn das nicht widerwärtig ist:mad:
Also so richtig gefallen tut mir das Buch noch nicht. Aber ich bin gespannt, was noch kommt. Ich bin ja noch voll in der Einführung.

Mir geht es ähnlich wie dir...der Roman ist recht skurril und die Figuren noch unzugänglich. Der Dolmetscher ist für mich bisher am zugänglichsten. @Renie hat es auf den Punkt gebracht, Boyle hat Lust am Fabulieren. Die Informationen zwischendrin finde ich auch sehr interessant, wie die Einführung des Gins oder die historischen Anspielungen.
Einige Szenen sind aber wirklich "eklig", wie die mit Fatima oder die Geburt Neds. Bin gespannt wie es weitergeht!
Sprache ist genau mein Ding ;)
 

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.068
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
Zu der Lust am Fabulieren kommt definitiv auch ein Freude für komische Situation. Die erste Begegnung des Forschers mit Fatima grenzt ja fast an Slapstick. Boyles vermag es, dass die Szene bildlich vor meinen Augen abläuft. Mehr als einmal musste ich wirklich lachen, auch die Verfolgung Neds, nachdem seine Sexshow aufgeflogen ist, ist lustig.
Daneben entstehen aber auch Bilder im Kopf, die alles andere als witzig sind. Die Behandlung Mungos durch die Mauren vor der Einflussnahme Mungos, leider ist jetzt auch dieses furchtbare Gerät, mit dem man Augäpfel eindrücken kann, in meinem Kopf.
Boyle kann wirklich lebendig und schonungslos erzählen.
Einige Hinweise auf Mungo finden sich schon im Erzählstrang um Ned, bin gespannt, wann und wie sie zusammen laufen.
 

Renie

Moderator
Teammitglied
19. Mai 2014
5.858
12.454
49
Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Mehr als einmal musste ich wirklich lachenÜ
Das geht mir genauso. Die Slapstick-Situationen kommen häufig völlig überraschend. Dadurch entstehen Bilder im Kopf, die mich zum Lachen bringen.
Habt Ihr früher auch die Monty Python Filme gesehen? Da gab es auch diese Kombination aus Slapstick und Satire. Bei Monty Python sind auch häufig gesellschaftliche Missstände oder Ungerechtigkeiten auf eklige Weise vorgeführt worden. Aber gelacht hat man immer (ich zumindest :D)
 

Helmut Pöll

Moderator
Teammitglied
9. Dezember 2013
6.575
11.111
49
München
Habt Ihr früher auch die Monty Python Filme gesehen? Da gab es auch diese Kombination aus Slapstick und Satire.
ja genau, @Renie . ich erinnere mich gerade an die Nierenspende von Monty Python ;), wo einem noch lebenden älteren Mann die Niere genommen wird, weil er das Kleingedruckte beim Organspendeausweis nicht gelesen hat.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.240
49.145
49
Ihr habe bei allem Recht,was ihr sagt: Boyle ist ein großartiger, sprachgewaltiger Erzähler mit einer unglaublichen Fabulierfreude. Es entstehen wirklich Bilder im Kopf: lustige aber auch brutale.

Nun muss ich gestehen, dass ich früher mit Monty Python nichts anfangen konnte...
So ergeht es mir mit diesem Buch auch teilweise: ich kann mich über Mungos erstes Treffen mit Fatima nicht amüsieren. Viel zu sehr tut mir die fette Frau leid, die man so misshandelt und in dieses Hülle gequetscht hat....
@Xirxe hatte mir ja den Rat gegeben, das Buch als ein abenteuerliches Märchen zu betrachten. Das werde ich jetzt mal versuchen. Gerade wurde ein Pferd ins linke Auge geschossen. Lecker :eek:

Interessant finde ich den Vergleich zwischen meiner alten TB Ausgabe von 1991 und der Audible Hörfassung, einer offensichtlichen Neu-Übersetzung. Kaum ein Satz ist identisch, obwohl der Inhalt passt. Ist mir noch nie so aufgefallen.
 
  • Like
Reaktionen: Xirxe und Renie

Querleserin

Bekanntes Mitglied
30. Dezember 2015
4.048
11.068
49
50
Wadern
querleserin.blogspot.com
I
Interessant finde ich den Vergleich zwischen meiner alten TB Ausgabe von 1991 und der Audible Hörfassung, einer offensichtlichen Neu-Übersetzung. Kaum ein Satz ist identisch, obwohl der Inhalt passt. Ist mir noch nie so aufgefallen.
Das ist @Momo und mir so bei Peter Pan gegangen. Zwei Übersetzungen, die leider aber auch sinngemäß Unterschiede aufwiesen.

Monty Python passt! Muss gestehen, dass ich sie liebe ;)
 
  • Like
Reaktionen: Literaturhexle