Rezension Rezension (3/5*) zu Vermählung von Curtis Sittenfeld.

Bibliomarie

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10. September 2015
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Buchinformationen und Rezensionen zu Vermählung von Curtis Sittenfeld
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Turbulente Adaption

Wer Stolz und Vorurteil von Jane Austen kennt, wird sich in „Vermählung“ sofort zurechtfinden. Die Autorin hat nicht nur die Namen übernommen, auch die Charaktere der Familie Bennet und aller Nebenfiguren finden sich eins zu eins wieder. Natürlich sind wir inzwischen im 21. Jahrhundert angekommen und so ist die stille Jane Yogalehrerin und Liz verdient ihr Geld als Journalistin. Während Kitty und Lydia albern ihren Hobbys nachgehen und es sich im Hotel Eltern gemütlich gemacht haben. Aber was heißt schon gemütlich: Mr Bennet ist ziemlich faul und desinteressiert, macht sich nur ab und an mit zynisch-resignierten Sprüchen bemerkbar und Mrs Bennet pflegt ihr Image als Charity-Lady, wobei sie nur ein Interesse kennt, nämlich ihre eigene Person. Kein Wunder, dass das Haus immer mehr verfällt und verwahrlost. Auch Cousin Willy hat eine passende Wandlung zum Computer Nerd mit Inselbegabung erfahren.
Nach dem Herzinfarkt des Vaters kommen auch Jane und Liz wieder ins Elternhaus zurück, nur um zu merken, dass die Dinge noch schlimmer stehen, als gedacht. Da Mr Bennet eine Krankenversicherung als überflüssig betrachtete, sind ihm die Schulden nun über den Kopf gewachsen und es bleibt nichts als eine reiche Heirat für die Töchter.
Die Autorin hat eine Menge gelungener Einfälle, so ersetzt sie den schwatzhaften englischen Landadel durch das nicht minder neugierige Publikum einer Reality-Soap in der Mr. Bingley den Bachelor gibt. Sein TV Erfolg wird von Schwester Caroline gemanagt, die Jane nicht an der Seite ihres Bruders sehen will. Liz muss sich mit dem arroganten Darcy herumschlagen, der eine Kapazität in der Neurochirurgie ist. Das alles ist ganz unterhaltsam und einige Ideen sind auch sehr gelungen. Allerdings fehlte mir der feine Witz, den Jane Austen so vortrefflich beherrschte. Hier ist alles etwas gröber aufgetragen, ganz besonders die Dialoge – gerade zwischen Kitty und Lydia sind deutlich derber. Das Buch hatte für meinen Geschmack auch deutliche Längen, etwas straffer und pointierter hätte es mir besser gefallen. Aber trotzdem hat mich das Buch gut unterhalten und gerade durch den Zeitenwechsel amüsiert.
Es ist ein Zeichen für einen Klassiker, dass er für jede Generation wieder neu entdeckt werden kann und dass er viele Interpretationen aushält. Umso mehr strahlt das Original und wenn die Leserinnen von „Vermählung“ später zu Jane Austen greifen, verspreche ich ihnen ein besonderes Lesevergnügen.