Rezension Rezension (4/5*) zu Wenn das Eis bricht: Psychothriller von Camilla Grebe.

Xirxe

Bekanntes Mitglied
19. Februar 2017
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Spannend, wenn auch weniger Thriller als erwartet

Angekündigt wird dieser 600-Seiten-Wälzer als Psychothriller, "... so kalt und gewaltig wie kaum einer sonst." (Daily Mail) Wenn sich Letzteres auf das Wetter beziehen sollte, dann stimmt es vermutlich sogar, denn die Handlung spielt um Weihnachten herum, bei widerlich ekligem Wetter ;-) Ansonsten empfinde ich die Aussage aber deutlich übertrieben, denn mindestens die Hälfte der Handlung, wenn nicht sogar mehr, beschäftigt sich mit dem Innenleben zweier beteiligter Personen, das mit dem eigentlichen Fall absolut nichts zu tun hat.
Im Hause eines reichen Geschäftsmannes wird eine enthauptete Frau aufgefunden, alle Indizien deuten auf den Hausbesitzer, der spurlos verschwunden ist. Erzählt wird abwechselnd aus drei Perspektiven: Da gibt es Hanne, Verhaltenstherapeutin und Psychologin, die neben schweren Eheproblemen auch mit ihrer Diagnose Demenz zu kämpfen hat und die Mitarbeit an diesem Fall nutzt, um in ihrem Leben reinen Tisch zu machen. Und Peter, einer der verantwortlichen Kommissare, der beruflich zwar erfolgreich, im Sozialen jedoch ein völliger Versager ist. Auch für ihn wird dieser Fall eine Auseinandersetzung mit seinem eigenen Leben, in dem Hanne ebenfalls eine Rolle spielt. Die Dritte im Bunde ist Emma, deren Bericht zwei Monate vor dem Fund der Leiche beginnt. Ist sie die Tote? Ihr Erzählpart steuert nach und nach auf den Tag der Tat zu und es ist klar, dass sie eine der Hauptfiguren darin ist.
Neben den Ermittlungsschilderungen sind sicherlich mehr als die Hälfte Rückblenden der drei Personen, was in Emmas Fall durchaus zur Spannung beiträgt, da sie direkt mit dem Verbrechen verbunden ist. Bei Hanna und Peter sind es dagegen (nur) Erinnerungen an das eigene Leben; wie sie zu den Menschen wurden, die sie jetzt sind; weshalb sie jetzt so und nicht anders handeln. Camilla Grebe schreibt gut und die Psychogramme ihrer Protagonisten sind schlüssig und auch fesselnd zu lesen - nur mit dem eigentlichen Fall haben sie nichts zu tun. So könnte, wer aufgrund der Lobeshymnen auf dem Cover und dem Klappentext einen durchweg packenden Thriller erwartet, enttäuscht werden. Denn die überraschenden Wendungen beginnen erst ca. 100 Seiten vor dem Ende, aber dann haben sie es auch in sich. Bis dahin ist es ein gut geschriebener und spannend aufgebauter Krimi mit zwei Figuren, die durchaus das Potenzial für einen weiteren Fall hätten.

 

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