Rezension Rezension (3/5*) zu Floras Traum von rotem Oleander von Annette Hennig

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Buchinformationen und Rezensionen zu Floras Traum von rotem Oleander von Annette Hennig
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Familiengeschichte mit dunklen Geheimnissen

Inhalt
Der Roman spielt auf zwei Zeitebenen, im Jahr 1990, der Zeit der Wiedervereinigung, und im Zeitraum 1939-1945 vorwiegend auf der Insel Rügen.

Im Prolog erkennt eine ältere Dame, Martha, eine der beiden Trauergäste, die vor einem offenen Grab stehen: Flora von Langenberg, an die sie keine guten Erinnerungen hegt und der sie sich nicht zu erkennen geben will.

Im Jahr 1939 arbeitet jene Flora, als älteste von 6 Mädchen in einer Pension, fühlt sich aber zu Höherem berufen. Sie will ihr Leben nicht wie ihre Eltern, ihr Vater ist Fischer, in Armut und Not verbringen. Nach ihrer Kündigung bemüht sie sich deshalb um eine Anstellung im Haus der Gräfin Isolde von Langenberg (!), die einen reichen, aber wenig attraktiven Erben, Heinrich, aufweisen kann. Mit Charme und Tücke gelingt es ihr, eine Anstellung als Zimmermädchen zu erhalten. Von der Hausherrin schikaniert, die die Absichten des jungen Mädchens durchschaut, und vom Hausherren vergöttert, erreicht sie unvermeidlich über einige Umwege ihr Ziel: Sie wird Gräfin Flora von Langenberg. Ihr skrupelloses Vorgehen, ihre herrische Art mit den Angestellten umzugehen und die Verachtung, die sie für ihren Mann hegt, sowie der wenig liebevolle Umgang mit ihrer neu geborenen Tochter lassen Flora zunehmend unsympathisch wirken. Martha, jene ältere Frau auf dem Friedhof, ist das Kindermädchen der kleinen Viola und offenkundig in den Hausherren verliebt.
Während des Krieges übernimmt Flora die Geschäfte ihrer Schwiegermutter, die mehrere Gärtnereien betreibt, und zunächst kann sie ihren Mann vor dem Kriegsdienst bewahren, indem sie mit den Nazis kooperiert. Der fesche Major Hagedorn spielt dabei keine unerhebliche Rolle...

In dem Handlungsstrang der Gegenwart (1990), der zwischen die Episoden der Vergangenheit geschoben ist, lebt Viola mit ihrem Mann Maurice in Marseille und Schritt für Schritt offenbart sich, dass sie ihr Elternhaus überstürzt und im Streit verlassen hat und mit Maurice durchgebrannt ist. Sie hat keinen Kontakt mehr mit ihren Eltern und zudem wissen die beiden nichts über den Verbleib ihrer ersten gemeinsamen Tochter Lilly, die weggegeben wurde. Von wem, das offenbart sich erst am Ende des Romans. Der Tod ihres Vaters veranlasst Viola dem Trauma ihres Lebens, dem Verlust ihrer Tochter, endlich auf den Grund zu gehen. So sucht sie ihr ehemaliges Kindermädchen Martha in Rügen auf und gemeinsam bemühen sie sich Licht in die Vergangenheit zu bringen, die einige Familiengeheimnisse verbirgt.
Der Roman endet, ohne dass die Handlung abgeschlossen ist, da noch zwei weitere Bände der Trilogie Blütenträume folgen.

Bewertung

Der Roman wurde mir als Rezensionsexemplar von der Autorin, die ich aus einer FB-Gruppe "kenne", angeboten. Um eine Besprechung gebeten zu werden, bringt die Schwierigkeit mit sich, ob und wie man Kritik äußert. Da es sich bei den Rezensionen immer um subjektive Eindrücke handelt, ist es mir wichtig, meine Meinung ehrlich zu äußern und nicht, weil man die Autorin sympathisch findet oder das Buch als Freiexemplar erhalten hat, zu loben, wenn man auch kritisieren will.

Das Positive zuerst. Die Geschichte liest sich flüssig und bleibt bis zum Schluss recht spannend, da sich Annahmen nicht erfüllen und es unerwartete Wendungen gibt. Die Figuren, die ich zu Beginn recht statisch empfunden haben, offenbaren neue Seiten, ihre Motive und Handlungen werden bis zum Ende hin nicht vollständig erklärt, so dass man auf den 2.Band neugierig wird.

Was mir nicht gefallen hat, ist der Erzählstil. Konventionell mit Rahmenhandlung, vielen Ausschmückungen und Erläuterungen, mit einem Hang zur Sentimentalität, erinnert mich der Roman an "Honigtot" "Die Nachtigall" und "Das Haus der verlorenen Kinder", die ähnlich komponiert sind.

Mit dem Unterschied, dass in den genannten Romane der zeitgeschichtliche Hintergrund stärker berücksichtigt wird. Auch sie erzählen eine Familiengeschichte, die jedoch vom Schrecken der Naziherrschaft bestimmt wird und nebenbei geschichtliche Fakten vermittelt.
Der politische Kontext wird im vorliegenden Roman lediglich in der Zusammenarbeit Floras mit den Nazis, Heinrichs Entrüstung und seiner - kaum thematisierten - Kriegserfahrung angerissen. Gerade aufgrund des Zeitrahmen 1939 und 1990 hätte ich mir einen stärkeren Bezug zur deutschen Geschichte gewünscht. Schade!
Wer einen Roman gegen das Vergessen sucht, für den ist die Geschichte nicht das Richtige, ebenso wenig für diejenigen, die einen unkonventionellen Sprachstil bevorzugen.

Wer eine unterhaltsame, spannende, traditionell erzählte Familiengeschichte, die dunkle Geheimnisse birgt, lesen will, ist mit dem vorliegenden Roman gut beraten.

 
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